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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band.

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Schiller als Historiker.

Schluß.

Ganz in der Weise der Vorlesungen sind die universalhistorischen Ein¬
leitungen ausgearbeitet, mit denen Schiller die Sammlung historischer Me-
moires versah. Von dieser Sammlung erschien eine große Zahl von Bänden
unter seinem Namen, doch hatte er die Redaction bald an Paulus. Woltmann
u. a. abgegeben. -- Mit besonderem Glauben ging er an die erste Einleitung
"über Völkerwanderung. Kreuzzüge und Mittelalter". "Eine Arbeit, schreibt
er 3. Nov. 1789 an Karoline v. Beulwitz, die mir anfangs nichts versprach,
hat sich plötzlich unter meiner Feder, in einer glücklichen Stimmung des Gei¬
stes veredelt und eine Vortrefflichkeit gewonnen, die mich selbst überrascht.
Ich habe noch nichts von diesem Werthe gemacht, wenn mich anders die noch
zu große Wärme meines Kopfes, die leicht auf mein Urtheil überg">du konnte,
nicht irrt; nie habe ich so viel Gehalt des Gedankens in einer so glücklichen
Form vereinigt, und nie dem Verstände so schön durch die Einbildungskraft
geholfen. Du wirst mich über mein Selbstlob auslachen, aber ich spreche
wie ein fremder Mensch von mir, denn wirklich bin ich mir in dieser Arbeit
selbst eine fremde und neue Erscheinung geworden. Es thut mir nur leid,
daß du die ganze Schönheit nicht wol genießen kannst, weil sie einige genaue
historische und politische Kenntnisse voraussetzt, die dir fehlen und recht gut
fehlen dürfen. Es war mir aber nie so lebhaft, daß jetzt niemand in der
deutschen Welt ist, der grade das hätte schreiben können als ich." -- An
Körner, 1. Febr. 90: "Dieses Product, glaubte ich. müßte dich überraschen,
könnte dich nicht kalt lassen, sowol wegen der Neuheit der Gedanken, als auch
wegen der Darstellung. Ich wagte mich darin in ein Element, das mir noch
fremd war, und glaubte mich mit vielem Glück darin gezeigt zu haben. Der
Hauptgedanke, um den ich mich darin bewege, scheint mir ebenso neu und
wahr, als er fruchtbar und begeisternd ist." -- Der gute Glaube bleibt ihm
ziemlich lange; noch 16. Mai 1790 schreibt er an Körner: "Herder ist ein
ganz anderer Bewunderer meiner universalhistorischen Uebersicht in den Me-
moires als du. Du willst mich im Philosophiren über Geschichte noch gar
nicht gelten lassen. Meine Uebersicht macht bei vielen Sensation, und ich
denke von ihr noch ebenso wi.e vorhin. Bekehre dich also ja." -- Körner
blieb aber halsstarrig.

Was Schiller am meisten selber imponirte, war der vermeintliche Beweis,
daß die Barbarei des Mittelalters der nothwendige Weg der Vorsehung
sein mußte, von der Bürgerfreiheit der Alten zur Menschenfreiheit der Neuen


Grenzboten II. 1Sö9. 63
Schiller als Historiker.

Schluß.

Ganz in der Weise der Vorlesungen sind die universalhistorischen Ein¬
leitungen ausgearbeitet, mit denen Schiller die Sammlung historischer Me-
moires versah. Von dieser Sammlung erschien eine große Zahl von Bänden
unter seinem Namen, doch hatte er die Redaction bald an Paulus. Woltmann
u. a. abgegeben. — Mit besonderem Glauben ging er an die erste Einleitung
„über Völkerwanderung. Kreuzzüge und Mittelalter". „Eine Arbeit, schreibt
er 3. Nov. 1789 an Karoline v. Beulwitz, die mir anfangs nichts versprach,
hat sich plötzlich unter meiner Feder, in einer glücklichen Stimmung des Gei¬
stes veredelt und eine Vortrefflichkeit gewonnen, die mich selbst überrascht.
Ich habe noch nichts von diesem Werthe gemacht, wenn mich anders die noch
zu große Wärme meines Kopfes, die leicht auf mein Urtheil überg«>du konnte,
nicht irrt; nie habe ich so viel Gehalt des Gedankens in einer so glücklichen
Form vereinigt, und nie dem Verstände so schön durch die Einbildungskraft
geholfen. Du wirst mich über mein Selbstlob auslachen, aber ich spreche
wie ein fremder Mensch von mir, denn wirklich bin ich mir in dieser Arbeit
selbst eine fremde und neue Erscheinung geworden. Es thut mir nur leid,
daß du die ganze Schönheit nicht wol genießen kannst, weil sie einige genaue
historische und politische Kenntnisse voraussetzt, die dir fehlen und recht gut
fehlen dürfen. Es war mir aber nie so lebhaft, daß jetzt niemand in der
deutschen Welt ist, der grade das hätte schreiben können als ich." — An
Körner, 1. Febr. 90: „Dieses Product, glaubte ich. müßte dich überraschen,
könnte dich nicht kalt lassen, sowol wegen der Neuheit der Gedanken, als auch
wegen der Darstellung. Ich wagte mich darin in ein Element, das mir noch
fremd war, und glaubte mich mit vielem Glück darin gezeigt zu haben. Der
Hauptgedanke, um den ich mich darin bewege, scheint mir ebenso neu und
wahr, als er fruchtbar und begeisternd ist." — Der gute Glaube bleibt ihm
ziemlich lange; noch 16. Mai 1790 schreibt er an Körner: „Herder ist ein
ganz anderer Bewunderer meiner universalhistorischen Uebersicht in den Me-
moires als du. Du willst mich im Philosophiren über Geschichte noch gar
nicht gelten lassen. Meine Uebersicht macht bei vielen Sensation, und ich
denke von ihr noch ebenso wi.e vorhin. Bekehre dich also ja." — Körner
blieb aber halsstarrig.

Was Schiller am meisten selber imponirte, war der vermeintliche Beweis,
daß die Barbarei des Mittelalters der nothwendige Weg der Vorsehung
sein mußte, von der Bürgerfreiheit der Alten zur Menschenfreiheit der Neuen


Grenzboten II. 1Sö9. 63
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[0507] Schiller als Historiker. Schluß. Ganz in der Weise der Vorlesungen sind die universalhistorischen Ein¬ leitungen ausgearbeitet, mit denen Schiller die Sammlung historischer Me- moires versah. Von dieser Sammlung erschien eine große Zahl von Bänden unter seinem Namen, doch hatte er die Redaction bald an Paulus. Woltmann u. a. abgegeben. — Mit besonderem Glauben ging er an die erste Einleitung „über Völkerwanderung. Kreuzzüge und Mittelalter". „Eine Arbeit, schreibt er 3. Nov. 1789 an Karoline v. Beulwitz, die mir anfangs nichts versprach, hat sich plötzlich unter meiner Feder, in einer glücklichen Stimmung des Gei¬ stes veredelt und eine Vortrefflichkeit gewonnen, die mich selbst überrascht. Ich habe noch nichts von diesem Werthe gemacht, wenn mich anders die noch zu große Wärme meines Kopfes, die leicht auf mein Urtheil überg«>du konnte, nicht irrt; nie habe ich so viel Gehalt des Gedankens in einer so glücklichen Form vereinigt, und nie dem Verstände so schön durch die Einbildungskraft geholfen. Du wirst mich über mein Selbstlob auslachen, aber ich spreche wie ein fremder Mensch von mir, denn wirklich bin ich mir in dieser Arbeit selbst eine fremde und neue Erscheinung geworden. Es thut mir nur leid, daß du die ganze Schönheit nicht wol genießen kannst, weil sie einige genaue historische und politische Kenntnisse voraussetzt, die dir fehlen und recht gut fehlen dürfen. Es war mir aber nie so lebhaft, daß jetzt niemand in der deutschen Welt ist, der grade das hätte schreiben können als ich." — An Körner, 1. Febr. 90: „Dieses Product, glaubte ich. müßte dich überraschen, könnte dich nicht kalt lassen, sowol wegen der Neuheit der Gedanken, als auch wegen der Darstellung. Ich wagte mich darin in ein Element, das mir noch fremd war, und glaubte mich mit vielem Glück darin gezeigt zu haben. Der Hauptgedanke, um den ich mich darin bewege, scheint mir ebenso neu und wahr, als er fruchtbar und begeisternd ist." — Der gute Glaube bleibt ihm ziemlich lange; noch 16. Mai 1790 schreibt er an Körner: „Herder ist ein ganz anderer Bewunderer meiner universalhistorischen Uebersicht in den Me- moires als du. Du willst mich im Philosophiren über Geschichte noch gar nicht gelten lassen. Meine Uebersicht macht bei vielen Sensation, und ich denke von ihr noch ebenso wi.e vorhin. Bekehre dich also ja." — Körner blieb aber halsstarrig. Was Schiller am meisten selber imponirte, war der vermeintliche Beweis, daß die Barbarei des Mittelalters der nothwendige Weg der Vorsehung sein mußte, von der Bürgerfreiheit der Alten zur Menschenfreiheit der Neuen Grenzboten II. 1Sö9. 63

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107046/507>, abgerufen am 22.12.2024.