Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band.zu leiten. "Die Thorheit und Naserei, welche den Entwurf der Kreuzzüge er¬ "Griechenland und Rom konnten höchstens vortreffliche Römer, vortreff¬ Die folgenden Abhandlungen, über das Lehnswesen und über die Pe¬ Wenn er bis dahin das Mittelalter nur als unvermeidliche Vorstufe der zu leiten. „Die Thorheit und Naserei, welche den Entwurf der Kreuzzüge er¬ „Griechenland und Rom konnten höchstens vortreffliche Römer, vortreff¬ Die folgenden Abhandlungen, über das Lehnswesen und über die Pe¬ Wenn er bis dahin das Mittelalter nur als unvermeidliche Vorstufe der <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0508" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/107555"/> <p xml:id="ID_1593" prev="#ID_1592"> zu leiten. „Die Thorheit und Naserei, welche den Entwurf der Kreuzzüge er¬<lb/> zeugten, und die Gewaltthätigkeiten, welche die Ausführung desselben begleitet<lb/> haben, können ein Auge, das die Gegenwart begrenzt, nicht wol einladen,<lb/> sich dabei zu verweilen. Betrachten wir aber diese Begebenheit im Zusammen¬<lb/> hang mit den Jahrhunderten, die ihr vorhergingen, und.mit denen, die darauf<lb/> folgten, so erscheint sie uns in ihrer Entstehung zu natürlich, um unsere Ver¬<lb/> wunderung zu erregen, und zu wohlthätig in ihren Folgen, um unser Mi߬<lb/> fallen nicht in ein ganz anderes Gefühl auszulösen. Sieht man auf ihre<lb/> Ursachen, so ist diese Expedition der Christen nach dein heiligen Lande ein so<lb/> ungekünsteltes, ja ein so nothwendiges Erzeugniß ihres Jahrhunderts, daß<lb/> ein ganz Ununterrichteter, dem man die historischen Prämissen dieser Begeben¬<lb/> heit vor Augen gelegt hätte, von selbst darauf verfallen müßte. Sieht man<lb/> auf ihre Wirkungen, so erkennt man in ihr den ersten merklichen Schritt, wo¬<lb/> durch der Aberglaube selbst die Uebel anfing zu verbessern, die er dem mensch¬<lb/> lichen Geschlecht Jahrhunderte lang zugefügt hatte, und es ist vielleicht kein<lb/> historisches Problem, das die Zeit reiner aufgelöst hatte als dieses, keines,<lb/> worüber sich der Genius, der den Faden der Weltgeschichte spinnt, befrie¬<lb/> digender gegen die Vernunft des Menschen gerechtfertigt Hütte."</p><lb/> <p xml:id="ID_1594"> „Griechenland und Rom konnten höchstens vortreffliche Römer, vortreff¬<lb/> liche Griechen erzeugen — die Nation, auch in ihrer schönsten Epoche, er¬<lb/> hob sich nie zu vortrefflichen Menschen." „Die erhabenste Anstrengung grie¬<lb/> chischer und römischer Tugend hat sich nie über bürgerliche Pflichten geschwungen,<lb/> nie oder nur in einem einzigen Weisen, dessen Name schon der größte Vor-<lb/> wurf seines Zeitalters ist: das höchste Opfer, das die Nation in ihrer Heiden¬<lb/> zeit brachte, wurde dem Vaterlande gebracht. Beim Ablauf des Mittelalters<lb/> allein erblickt man in Europa einen Enthusiasmus, der einem höhern Ver¬<lb/> nunftidol auch das Vaterland opfert. Und warum nur hier und hier auch<lb/> nur einmal diese Erscheinung? Weil in Europa allein, und hier nur am Aus¬<lb/> gang des Mittelalters, die Energie des Willens mit dem Licht des Verstandes<lb/> zusammentraf, hier allein ein (durch die lange Waffenübung des Mittelalters)<lb/> noch männliches Geschlecht in die Arme der Weisheit geliefert wurde."</p><lb/> <p xml:id="ID_1595"> Die folgenden Abhandlungen, über das Lehnswesen und über die Pe¬<lb/> riode Barbarossas (letztere von Woltmann fortgesetzt) schließen sich als Com¬<lb/> mentare dieser ersten Einleitung an; bei dem schwierigen Gegenstand wird<lb/> man eine Bereicherung der Geschichte nicht erwarten, im Construiren zeigt<lb/> Schiller wieder großes Geschick. —</p><lb/> <p xml:id="ID_1596" next="#ID_1597"> Wenn er bis dahin das Mittelalter nur als unvermeidliche Vorstufe der<lb/> modernen Freiheit aufgefaßt hatte, so lernte er es bald auch an sich würdigen.<lb/> In der Vorrede zu Vertots Geschichte des Malteserordens (1792) sagt er:<lb/> „Zwar wünschen wir uns nicht mit Unrecht Glück, in einem Zeitalter</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0508]
zu leiten. „Die Thorheit und Naserei, welche den Entwurf der Kreuzzüge er¬
zeugten, und die Gewaltthätigkeiten, welche die Ausführung desselben begleitet
haben, können ein Auge, das die Gegenwart begrenzt, nicht wol einladen,
sich dabei zu verweilen. Betrachten wir aber diese Begebenheit im Zusammen¬
hang mit den Jahrhunderten, die ihr vorhergingen, und.mit denen, die darauf
folgten, so erscheint sie uns in ihrer Entstehung zu natürlich, um unsere Ver¬
wunderung zu erregen, und zu wohlthätig in ihren Folgen, um unser Mi߬
fallen nicht in ein ganz anderes Gefühl auszulösen. Sieht man auf ihre
Ursachen, so ist diese Expedition der Christen nach dein heiligen Lande ein so
ungekünsteltes, ja ein so nothwendiges Erzeugniß ihres Jahrhunderts, daß
ein ganz Ununterrichteter, dem man die historischen Prämissen dieser Begeben¬
heit vor Augen gelegt hätte, von selbst darauf verfallen müßte. Sieht man
auf ihre Wirkungen, so erkennt man in ihr den ersten merklichen Schritt, wo¬
durch der Aberglaube selbst die Uebel anfing zu verbessern, die er dem mensch¬
lichen Geschlecht Jahrhunderte lang zugefügt hatte, und es ist vielleicht kein
historisches Problem, das die Zeit reiner aufgelöst hatte als dieses, keines,
worüber sich der Genius, der den Faden der Weltgeschichte spinnt, befrie¬
digender gegen die Vernunft des Menschen gerechtfertigt Hütte."
„Griechenland und Rom konnten höchstens vortreffliche Römer, vortreff¬
liche Griechen erzeugen — die Nation, auch in ihrer schönsten Epoche, er¬
hob sich nie zu vortrefflichen Menschen." „Die erhabenste Anstrengung grie¬
chischer und römischer Tugend hat sich nie über bürgerliche Pflichten geschwungen,
nie oder nur in einem einzigen Weisen, dessen Name schon der größte Vor-
wurf seines Zeitalters ist: das höchste Opfer, das die Nation in ihrer Heiden¬
zeit brachte, wurde dem Vaterlande gebracht. Beim Ablauf des Mittelalters
allein erblickt man in Europa einen Enthusiasmus, der einem höhern Ver¬
nunftidol auch das Vaterland opfert. Und warum nur hier und hier auch
nur einmal diese Erscheinung? Weil in Europa allein, und hier nur am Aus¬
gang des Mittelalters, die Energie des Willens mit dem Licht des Verstandes
zusammentraf, hier allein ein (durch die lange Waffenübung des Mittelalters)
noch männliches Geschlecht in die Arme der Weisheit geliefert wurde."
Die folgenden Abhandlungen, über das Lehnswesen und über die Pe¬
riode Barbarossas (letztere von Woltmann fortgesetzt) schließen sich als Com¬
mentare dieser ersten Einleitung an; bei dem schwierigen Gegenstand wird
man eine Bereicherung der Geschichte nicht erwarten, im Construiren zeigt
Schiller wieder großes Geschick. —
Wenn er bis dahin das Mittelalter nur als unvermeidliche Vorstufe der
modernen Freiheit aufgefaßt hatte, so lernte er es bald auch an sich würdigen.
In der Vorrede zu Vertots Geschichte des Malteserordens (1792) sagt er:
„Zwar wünschen wir uns nicht mit Unrecht Glück, in einem Zeitalter
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