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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band.

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Abtretung der Rheinprovinz aber werden wir doch auch noch ein Wort mitzureden
haben. Man erinnert immer an die Zustände von 1805 und 1806, aber man
vergißt dabei, daß jenes Preußen in feiger und ehrloser Nachgiebigkeit sich von dem
siegreichen Despoten ein Land schenken ließ, das ihm nicht gehörte, daß es nicht ehr¬
lich genug war, einen so schimpflichen Vertrag zu verschmähen, nicht ruchlos genug,
ihn in der Weise andrer damaliger deutschen Regierungen auszubeuten. Wir da¬
gegen haben ein gutes Gewissen, wir haben die Hand nicht nach unserer Nächsten
Gut ausgestreckt, wir sind bereit, unsere Bundcspflichtcn weit über das festgesetzte
Maß hinaus zu erfüllen, und im Verein mit den übrigen deutschen Staaten dem
gemeinsamen Vaterland diejenige Stellung zu erkämpfen, die ihm gebührt, die es
aber im Lauf der Geschichte noch nicht besessen hat. Wir haben keine andere als
deutsche Gedanken, was wir verlangen, ist durch die Nothwendigkeit der Dinge ge¬
boten und im gemeinsamen Interesse aller.

Wenn unsere Regierung sich laut und energisch in diesem Sinn ausspricht,
wenn sie jene Erklärung abgibt, die zunächst ganz Preußen erwartet, der aber auch
das deutsche Gefühl überall entgegenkommen wird, so kann aus dieser höchst ge¬
fährlichen Krisis für Deutschland ein Vortheil erblühen, wie wir ihn noch vor we¬
nigen Monaten nicht erwartet hätten. Denn daß es dem bestimmt ausgesprochenen
Willen Preußens nicht gelingen sollte, etwaige kleinliche Bedenken, die sich dem
patriotischen Zuge entgegensetzen könnten, leicht zu beseitigen, das kann nur der¬
jenige annehmen, der an das deutsche Volk nicht glaubt. Den andern Fall auszu¬
malen, daß eine Verständigung nicht zu Stande kommt, daß gar der Zweifel in
-j- 1- offenen Gegensatz übergeht, das wird wol nicht nöthig sein.


Redaction. Notiz der

-- In diesem Heft sind von den verschiedenen Verfassern
der politischen Artikel einzelne Nuancen verschieden aufgefaßt; in der Hauptsache
wird man wol die Uebereinstimmung bemerken. -- Die deutsche Presse sollte sich,
um nicht ins Blaue zu streiten, klar machen, daß Preußen doch nicht ohne weiteres
an Frankreich den Krieg erklären kann, sondern erst an den Kaiser bestimmte For¬
derungen stellen muß; diese zu formuliren, ist doch nicht so einfach. -- Was den
letzten Artikel von der preußischen Grenze betrifft, so ist eine preußische Erklärung
eben (31. Mai) erfolgt:

Die Preußische Zeitung dcmentirt das Gerücht, "als stehe die Mission des
General Willisen mit Absichten Preußens in Zusammenhang, die Rcformfragc des
deutschen Bundes jetzt anzuregen." Eine solche Erklärung in ihrer Unbestimmtheit wird
freilich weder diejenigen befriedigen, welche, wie wir, eine Absicht Preußens, "die
Reformfragc des Bundes jetzt anzuregen," lebhaft wünschen, noch die Gegner. Sollte
die preußische Negierung wirklich entschlossen sein, die Reformfragc jetzt überhaupt
nicht anzuregen, so würde auch darüber eine unumwundene Erklärung zweckmäßig
sein, denn sie würde viele Streitigkeiten abschneiden, die, wenn sie zu nichts führen,
nur schädlich sein können.




Verantwortlicher Redacteur- v. Moritz Busch -- Verlag von F. L. Herbig
in Leipzig.
Druck von C. E. Elbert in Leipzig.

Abtretung der Rheinprovinz aber werden wir doch auch noch ein Wort mitzureden
haben. Man erinnert immer an die Zustände von 1805 und 1806, aber man
vergißt dabei, daß jenes Preußen in feiger und ehrloser Nachgiebigkeit sich von dem
siegreichen Despoten ein Land schenken ließ, das ihm nicht gehörte, daß es nicht ehr¬
lich genug war, einen so schimpflichen Vertrag zu verschmähen, nicht ruchlos genug,
ihn in der Weise andrer damaliger deutschen Regierungen auszubeuten. Wir da¬
gegen haben ein gutes Gewissen, wir haben die Hand nicht nach unserer Nächsten
Gut ausgestreckt, wir sind bereit, unsere Bundcspflichtcn weit über das festgesetzte
Maß hinaus zu erfüllen, und im Verein mit den übrigen deutschen Staaten dem
gemeinsamen Vaterland diejenige Stellung zu erkämpfen, die ihm gebührt, die es
aber im Lauf der Geschichte noch nicht besessen hat. Wir haben keine andere als
deutsche Gedanken, was wir verlangen, ist durch die Nothwendigkeit der Dinge ge¬
boten und im gemeinsamen Interesse aller.

Wenn unsere Regierung sich laut und energisch in diesem Sinn ausspricht,
wenn sie jene Erklärung abgibt, die zunächst ganz Preußen erwartet, der aber auch
das deutsche Gefühl überall entgegenkommen wird, so kann aus dieser höchst ge¬
fährlichen Krisis für Deutschland ein Vortheil erblühen, wie wir ihn noch vor we¬
nigen Monaten nicht erwartet hätten. Denn daß es dem bestimmt ausgesprochenen
Willen Preußens nicht gelingen sollte, etwaige kleinliche Bedenken, die sich dem
patriotischen Zuge entgegensetzen könnten, leicht zu beseitigen, das kann nur der¬
jenige annehmen, der an das deutsche Volk nicht glaubt. Den andern Fall auszu¬
malen, daß eine Verständigung nicht zu Stande kommt, daß gar der Zweifel in
-j- 1- offenen Gegensatz übergeht, das wird wol nicht nöthig sein.


Redaction. Notiz der

— In diesem Heft sind von den verschiedenen Verfassern
der politischen Artikel einzelne Nuancen verschieden aufgefaßt; in der Hauptsache
wird man wol die Uebereinstimmung bemerken. — Die deutsche Presse sollte sich,
um nicht ins Blaue zu streiten, klar machen, daß Preußen doch nicht ohne weiteres
an Frankreich den Krieg erklären kann, sondern erst an den Kaiser bestimmte For¬
derungen stellen muß; diese zu formuliren, ist doch nicht so einfach. — Was den
letzten Artikel von der preußischen Grenze betrifft, so ist eine preußische Erklärung
eben (31. Mai) erfolgt:

Die Preußische Zeitung dcmentirt das Gerücht, „als stehe die Mission des
General Willisen mit Absichten Preußens in Zusammenhang, die Rcformfragc des
deutschen Bundes jetzt anzuregen." Eine solche Erklärung in ihrer Unbestimmtheit wird
freilich weder diejenigen befriedigen, welche, wie wir, eine Absicht Preußens, „die
Reformfragc des Bundes jetzt anzuregen," lebhaft wünschen, noch die Gegner. Sollte
die preußische Negierung wirklich entschlossen sein, die Reformfragc jetzt überhaupt
nicht anzuregen, so würde auch darüber eine unumwundene Erklärung zweckmäßig
sein, denn sie würde viele Streitigkeiten abschneiden, die, wenn sie zu nichts führen,
nur schädlich sein können.




Verantwortlicher Redacteur- v. Moritz Busch — Verlag von F. L. Herbig
in Leipzig.
Druck von C. E. Elbert in Leipzig.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107046/410>, abgerufen am 22.12.2024.