Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band.aber das deutsche Publicum muß angesichts dieser Thatsachen doch einigermaßen Der Kaiser von Oestreich ist gestern Vormittag wirklich zur italienischen Armee Es wäre doch ein sehr verhängnißvoller Irrthum, wenn man glaubte, es Je länger man zögert, je drohender wird die Verwickelung. Es ist zwar Eins von jenen Blättern, die eine unbedingte Hingebung an Oestreich fordern aber das deutsche Publicum muß angesichts dieser Thatsachen doch einigermaßen Der Kaiser von Oestreich ist gestern Vormittag wirklich zur italienischen Armee Es wäre doch ein sehr verhängnißvoller Irrthum, wenn man glaubte, es Je länger man zögert, je drohender wird die Verwickelung. Es ist zwar Eins von jenen Blättern, die eine unbedingte Hingebung an Oestreich fordern <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0409" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/107456"/> <p xml:id="ID_1212" prev="#ID_1211"> aber das deutsche Publicum muß angesichts dieser Thatsachen doch einigermaßen<lb/> irre werden,</p><lb/> <p xml:id="ID_1213"> Der Kaiser von Oestreich ist gestern Vormittag wirklich zur italienischen Armee<lb/> abgereist. Zwar verlautet, daß General Willisen seine Unterhandlungen mit dem<lb/> Grasen Nechbcrg noch fortzusetzen gedenkt, auch spricht man von guten Rathschlägen<lb/> des Fürsten Metternich, über die Ertheilung einer Verfassung u. tgi.; die Annahme<lb/> ist aber wol nicht gewagt, daß, was in der Anwesenheit des Kaisers nicht geschehn<lb/> ist, nach der Abreise desselben schwerlich seine Erledigung finden wird. Wir fürchten<lb/> also mit Grund, die zum energischen Auftreten Deutschlands erforderliche Verständi¬<lb/> gung zwischen Oestreich und Preußen sei noch nicht erfolgt. Die Sprache ferner,<lb/> die in Frankfurt geführt wird, verräth augenscheinlich, daß auch an der Verständi¬<lb/> gung mit den Regierungen der Mittclstaaten noch sehr viel fehlt, und wenn wir<lb/> auf die bamberger Organe einiges Gewicht legen dürfen, so hofft man wol gar,<lb/> Preußen durch Einschüchterung in einen Krieg zu treiben, von dem, weil es ihn<lb/> nicht in der Hand behält, es keinen Nutzen und kein Ziel absieht.</p><lb/> <p xml:id="ID_1214"> Es wäre doch ein sehr verhängnißvoller Irrthum, wenn man glaubte, es<lb/> noch mit dem Preußen, von 1850 zu thun zu haben, und es ist jetzt die<lb/> dringendste Aufgabe der preußischen Regierung, diesen Irrthum so entschieden<lb/> als möglich aufzuklären. Mit der Fortsetzung der diplomatischen Verhand¬<lb/> lungen allein wird es nicht gethan sein, Preußen muß dem gesammten<lb/> deutschen Volk seine Auffassung der gegenwärtigen Situation vorlegen, es muß<lb/> die Gründe auseinandersetzen, die es veranlassen, im gemeinsamen Interesse des<lb/> deutschen Volkes und der deutschen Fürsten in Bezug aus die gemeinschaftliche Ope¬<lb/> ration bestimmte Forderungen zu stellen, die erfüllt sein müssen, ehe es einen Schritt<lb/> weiter thut. Es wäre wünschenswerth gewesen und dem politischen Gebrauch am<lb/> angemessensten, wenn diese Eröffnung vor dem versammelten Landtag hätte gesche¬<lb/> hen können; doch gibt es noch immer Mittel und Wege, eine Sache, die vor die<lb/> Oeffentlichkeit gehört, an die Oeffentlichkeit zu bringen. Das Gefühl des deutschen<lb/> Volks ist vortrefflich, es kommt nur darauf an, dies Gefühl aufzuklären und ihm<lb/> eine Richtung zu geben; durch fortgesetztes Schweigen wird Preußen die Meinung<lb/> nicht bestimmen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1215"> Je länger man zögert, je drohender wird die Verwickelung. Es ist zwar<lb/> schwer, aus der Ferne sich vom Kriegsschauplatz eine klare Vorstellung zu machen,<lb/> aber die Tage von Varese und Como scheinen doch zu verrathen, daß die Oestreich-!<lb/> einen Theil ihrer Gegner unterschätzen. Steht erst ganz Italien in Flammen, so<lb/> wird es vielleicht selbst dem Kaiser Napoleon schwer sein, dem von ihm angeregten<lb/> Sturm Halt zu gebieten.</p><lb/> <p xml:id="ID_1216" next="#ID_1217"> Eins von jenen Blättern, die eine unbedingte Hingebung an Oestreich fordern<lb/> (welches beiläufig seiue Gegner mit Witzen aus der Barbierstube abfertigt) bespricht<lb/> sehr naiv die Wahrscheinlichkeit eines Friedens zwischen Oestreich und Frankreich,<lb/> falls wir Oestreich nicht die Heeresfolge leisten: eines Friedens, in welchem Oestreich<lb/> Süddeutschland nimmt und dafür die preußische Rheinprovinz an Frankreich abtritt.<lb/> („Deutsche Blätter, ein Sprechsaal fein gebildeter Vaterlandsfreunde"). Was nun<lb/> die östreichische Occupation Süddeutschlands betrifft, so überlassen wir es unsern<lb/> Freunden in Süddeutschland, sich die Sache weiter auszumalen, in Bezug aus die</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0409]
aber das deutsche Publicum muß angesichts dieser Thatsachen doch einigermaßen
irre werden,
Der Kaiser von Oestreich ist gestern Vormittag wirklich zur italienischen Armee
abgereist. Zwar verlautet, daß General Willisen seine Unterhandlungen mit dem
Grasen Nechbcrg noch fortzusetzen gedenkt, auch spricht man von guten Rathschlägen
des Fürsten Metternich, über die Ertheilung einer Verfassung u. tgi.; die Annahme
ist aber wol nicht gewagt, daß, was in der Anwesenheit des Kaisers nicht geschehn
ist, nach der Abreise desselben schwerlich seine Erledigung finden wird. Wir fürchten
also mit Grund, die zum energischen Auftreten Deutschlands erforderliche Verständi¬
gung zwischen Oestreich und Preußen sei noch nicht erfolgt. Die Sprache ferner,
die in Frankfurt geführt wird, verräth augenscheinlich, daß auch an der Verständi¬
gung mit den Regierungen der Mittclstaaten noch sehr viel fehlt, und wenn wir
auf die bamberger Organe einiges Gewicht legen dürfen, so hofft man wol gar,
Preußen durch Einschüchterung in einen Krieg zu treiben, von dem, weil es ihn
nicht in der Hand behält, es keinen Nutzen und kein Ziel absieht.
Es wäre doch ein sehr verhängnißvoller Irrthum, wenn man glaubte, es
noch mit dem Preußen, von 1850 zu thun zu haben, und es ist jetzt die
dringendste Aufgabe der preußischen Regierung, diesen Irrthum so entschieden
als möglich aufzuklären. Mit der Fortsetzung der diplomatischen Verhand¬
lungen allein wird es nicht gethan sein, Preußen muß dem gesammten
deutschen Volk seine Auffassung der gegenwärtigen Situation vorlegen, es muß
die Gründe auseinandersetzen, die es veranlassen, im gemeinsamen Interesse des
deutschen Volkes und der deutschen Fürsten in Bezug aus die gemeinschaftliche Ope¬
ration bestimmte Forderungen zu stellen, die erfüllt sein müssen, ehe es einen Schritt
weiter thut. Es wäre wünschenswerth gewesen und dem politischen Gebrauch am
angemessensten, wenn diese Eröffnung vor dem versammelten Landtag hätte gesche¬
hen können; doch gibt es noch immer Mittel und Wege, eine Sache, die vor die
Oeffentlichkeit gehört, an die Oeffentlichkeit zu bringen. Das Gefühl des deutschen
Volks ist vortrefflich, es kommt nur darauf an, dies Gefühl aufzuklären und ihm
eine Richtung zu geben; durch fortgesetztes Schweigen wird Preußen die Meinung
nicht bestimmen.
Je länger man zögert, je drohender wird die Verwickelung. Es ist zwar
schwer, aus der Ferne sich vom Kriegsschauplatz eine klare Vorstellung zu machen,
aber die Tage von Varese und Como scheinen doch zu verrathen, daß die Oestreich-!
einen Theil ihrer Gegner unterschätzen. Steht erst ganz Italien in Flammen, so
wird es vielleicht selbst dem Kaiser Napoleon schwer sein, dem von ihm angeregten
Sturm Halt zu gebieten.
Eins von jenen Blättern, die eine unbedingte Hingebung an Oestreich fordern
(welches beiläufig seiue Gegner mit Witzen aus der Barbierstube abfertigt) bespricht
sehr naiv die Wahrscheinlichkeit eines Friedens zwischen Oestreich und Frankreich,
falls wir Oestreich nicht die Heeresfolge leisten: eines Friedens, in welchem Oestreich
Süddeutschland nimmt und dafür die preußische Rheinprovinz an Frankreich abtritt.
(„Deutsche Blätter, ein Sprechsaal fein gebildeter Vaterlandsfreunde"). Was nun
die östreichische Occupation Süddeutschlands betrifft, so überlassen wir es unsern
Freunden in Süddeutschland, sich die Sache weiter auszumalen, in Bezug aus die
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