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Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band.

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nischen vergleichen zu können. Aber wegen meines Freundes und Begleiters
H- Ka^-Ivussae habe ich Oestreichischen Boden vermieden. Bei dem Narattonkricg,
der jetzt ewig in Europa herrscht, sind die Wissenschaften kein ?g.IIMium mehr!
Ein Aufenthalt bei meinem alten Freund Volks, in Oomo hat uns einigerma¬
ßen entschädigt. Aber die Gotthardsstraßc! Mit welchem Regengüsse, Schnee
und Hagel haben uns die Alpen empfangen! Wir haben von Imgano bis I^no<zi-n
viel gelitten. Selbst ganz Schwaben lag mit Schnee bedeckt, Anfangs Oktober.
Und dann nennt man das (wahrscheinlich scherzweise!) die temperirte. Zone! Wir
gehen von hier über Heidelberg und Cassel, und da ich mich in Göttingen (falls
es die Russen erlauben*) nur wenige Tage aufhalte, so habe ich bald die Freude,
in Berlin einzutreffen. Dort werde ich mich dann ganz mit meinen Amerikanischen
Arbeiten beschäftigen. So eben ist das zweite Heft unserer ?Iantg,o g,o<Mnoet,. er¬
schienen. Von unsern 2 andern botanischen Werken mit illuminirten Kupfern im
Geschmack der Mutes av 1s, Nalmg-ison werden die ersten Hefte in 1 Monath '
fertig. Daß ich Ihnen nicht meine Reise antrug, daran sind bloß frühere Verbin¬
dungen mit Cotta schuld gewesen.

Ich schließe da wir morgen früh weg müssen und unsere Versuche über die
Wagnetische Inklination noch nicht angefangen haben. Meine innigsten Empfeh¬
lungen an Ihre vortreffliche Familie, den theuren Herrn G. O. B. R. Kersten,
^Mäonov . . .


Ihr gehorsamster Al. Humboldt.

Ich bin so glücklich, seit Monathen Herrn v. LueK zu besitzen, der sich zwei¬
felsohne zu dem ersten der jetzt lebenden Geognosten erhoben hat.




Von der preußischen Grenze.

Mit den letzten Verhandlungen in den beiden Häusern des Landtags scheint in
der preußischen Politik eine ernste und entscheidende Krisis eingetreten zu sein. Nach
den Erklärungen des Ministers und der verschiedenen Parteien scheint uns ein Krieg
Preußens gegen Frankreich, ein Krieg in der nächsten Zeit, ein Krieg auf Leben und
Tod, nicht mehr zu vermeiden.

Wir haben gegen dies Ergebniß nach Kräften angekämpft; diese Opposition
geben wir nun auf, weil es nach dem, was geschehn ist, für Preußen die unheil¬
vollste Verblendung wäre, noch zurück oder nach rechts oder nach links die Blicke
?u wenden; die einzige Aufgabe Preußens, auf die es alle Kräfte zu spannen hat.
'se. den Krieg, den es nicht mehr vermeiden kann, zu einem günstigen Ausgang zu
führen. Der Krieg ist aber in der That nicht mehr zu vermeiden.

Bisher war das Hauptargumcnt der östreichischen Partei für den Krieg: Frank-
r"es ist es mehr um die Rheingrenzc als um Italien zu thun; bei dem jetzigen
Krieg hat es lediglich die Absicht. Oestreich zu isoliren und zu schwächen, um im
nächsten Feldzug, von Rußland unterstützt und von Oestreich ungehindert, mit allen
Kräften sich auf Preußen zu werfen.



') Bezieht sich wol aus die Vertreibung der Franzosen ans Hannover, falls die. später
dei Austerlitz geschlagenen, Russen siegreich sein würden.
40*

nischen vergleichen zu können. Aber wegen meines Freundes und Begleiters
H- Ka^-Ivussae habe ich Oestreichischen Boden vermieden. Bei dem Narattonkricg,
der jetzt ewig in Europa herrscht, sind die Wissenschaften kein ?g.IIMium mehr!
Ein Aufenthalt bei meinem alten Freund Volks, in Oomo hat uns einigerma¬
ßen entschädigt. Aber die Gotthardsstraßc! Mit welchem Regengüsse, Schnee
und Hagel haben uns die Alpen empfangen! Wir haben von Imgano bis I^no<zi-n
viel gelitten. Selbst ganz Schwaben lag mit Schnee bedeckt, Anfangs Oktober.
Und dann nennt man das (wahrscheinlich scherzweise!) die temperirte. Zone! Wir
gehen von hier über Heidelberg und Cassel, und da ich mich in Göttingen (falls
es die Russen erlauben*) nur wenige Tage aufhalte, so habe ich bald die Freude,
in Berlin einzutreffen. Dort werde ich mich dann ganz mit meinen Amerikanischen
Arbeiten beschäftigen. So eben ist das zweite Heft unserer ?Iantg,o g,o<Mnoet,. er¬
schienen. Von unsern 2 andern botanischen Werken mit illuminirten Kupfern im
Geschmack der Mutes av 1s, Nalmg-ison werden die ersten Hefte in 1 Monath '
fertig. Daß ich Ihnen nicht meine Reise antrug, daran sind bloß frühere Verbin¬
dungen mit Cotta schuld gewesen.

Ich schließe da wir morgen früh weg müssen und unsere Versuche über die
Wagnetische Inklination noch nicht angefangen haben. Meine innigsten Empfeh¬
lungen an Ihre vortreffliche Familie, den theuren Herrn G. O. B. R. Kersten,
^Mäonov . . .


Ihr gehorsamster Al. Humboldt.

Ich bin so glücklich, seit Monathen Herrn v. LueK zu besitzen, der sich zwei¬
felsohne zu dem ersten der jetzt lebenden Geognosten erhoben hat.




Von der preußischen Grenze.

Mit den letzten Verhandlungen in den beiden Häusern des Landtags scheint in
der preußischen Politik eine ernste und entscheidende Krisis eingetreten zu sein. Nach
den Erklärungen des Ministers und der verschiedenen Parteien scheint uns ein Krieg
Preußens gegen Frankreich, ein Krieg in der nächsten Zeit, ein Krieg auf Leben und
Tod, nicht mehr zu vermeiden.

Wir haben gegen dies Ergebniß nach Kräften angekämpft; diese Opposition
geben wir nun auf, weil es nach dem, was geschehn ist, für Preußen die unheil¬
vollste Verblendung wäre, noch zurück oder nach rechts oder nach links die Blicke
?u wenden; die einzige Aufgabe Preußens, auf die es alle Kräfte zu spannen hat.
'se. den Krieg, den es nicht mehr vermeiden kann, zu einem günstigen Ausgang zu
führen. Der Krieg ist aber in der That nicht mehr zu vermeiden.

Bisher war das Hauptargumcnt der östreichischen Partei für den Krieg: Frank-
r«es ist es mehr um die Rheingrenzc als um Italien zu thun; bei dem jetzigen
Krieg hat es lediglich die Absicht. Oestreich zu isoliren und zu schwächen, um im
nächsten Feldzug, von Rußland unterstützt und von Oestreich ungehindert, mit allen
Kräften sich auf Preußen zu werfen.



') Bezieht sich wol aus die Vertreibung der Franzosen ans Hannover, falls die. später
dei Austerlitz geschlagenen, Russen siegreich sein würden.
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[0325] nischen vergleichen zu können. Aber wegen meines Freundes und Begleiters H- Ka^-Ivussae habe ich Oestreichischen Boden vermieden. Bei dem Narattonkricg, der jetzt ewig in Europa herrscht, sind die Wissenschaften kein ?g.IIMium mehr! Ein Aufenthalt bei meinem alten Freund Volks, in Oomo hat uns einigerma¬ ßen entschädigt. Aber die Gotthardsstraßc! Mit welchem Regengüsse, Schnee und Hagel haben uns die Alpen empfangen! Wir haben von Imgano bis I^no<zi-n viel gelitten. Selbst ganz Schwaben lag mit Schnee bedeckt, Anfangs Oktober. Und dann nennt man das (wahrscheinlich scherzweise!) die temperirte. Zone! Wir gehen von hier über Heidelberg und Cassel, und da ich mich in Göttingen (falls es die Russen erlauben*) nur wenige Tage aufhalte, so habe ich bald die Freude, in Berlin einzutreffen. Dort werde ich mich dann ganz mit meinen Amerikanischen Arbeiten beschäftigen. So eben ist das zweite Heft unserer ?Iantg,o g,o<Mnoet,. er¬ schienen. Von unsern 2 andern botanischen Werken mit illuminirten Kupfern im Geschmack der Mutes av 1s, Nalmg-ison werden die ersten Hefte in 1 Monath ' fertig. Daß ich Ihnen nicht meine Reise antrug, daran sind bloß frühere Verbin¬ dungen mit Cotta schuld gewesen. Ich schließe da wir morgen früh weg müssen und unsere Versuche über die Wagnetische Inklination noch nicht angefangen haben. Meine innigsten Empfeh¬ lungen an Ihre vortreffliche Familie, den theuren Herrn G. O. B. R. Kersten, ^Mäonov . . . Ihr gehorsamster Al. Humboldt. Ich bin so glücklich, seit Monathen Herrn v. LueK zu besitzen, der sich zwei¬ felsohne zu dem ersten der jetzt lebenden Geognosten erhoben hat. Von der preußischen Grenze. Mit den letzten Verhandlungen in den beiden Häusern des Landtags scheint in der preußischen Politik eine ernste und entscheidende Krisis eingetreten zu sein. Nach den Erklärungen des Ministers und der verschiedenen Parteien scheint uns ein Krieg Preußens gegen Frankreich, ein Krieg in der nächsten Zeit, ein Krieg auf Leben und Tod, nicht mehr zu vermeiden. Wir haben gegen dies Ergebniß nach Kräften angekämpft; diese Opposition geben wir nun auf, weil es nach dem, was geschehn ist, für Preußen die unheil¬ vollste Verblendung wäre, noch zurück oder nach rechts oder nach links die Blicke ?u wenden; die einzige Aufgabe Preußens, auf die es alle Kräfte zu spannen hat. 'se. den Krieg, den es nicht mehr vermeiden kann, zu einem günstigen Ausgang zu führen. Der Krieg ist aber in der That nicht mehr zu vermeiden. Bisher war das Hauptargumcnt der östreichischen Partei für den Krieg: Frank- r«es ist es mehr um die Rheingrenzc als um Italien zu thun; bei dem jetzigen Krieg hat es lediglich die Absicht. Oestreich zu isoliren und zu schwächen, um im nächsten Feldzug, von Rußland unterstützt und von Oestreich ungehindert, mit allen Kräften sich auf Preußen zu werfen. ') Bezieht sich wol aus die Vertreibung der Franzosen ans Hannover, falls die. später dei Austerlitz geschlagenen, Russen siegreich sein würden. 40*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 18, 1859, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341590_107046/325>, abgerufen am 22.12.2024.