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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band.

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und fort. Ganze Scharen von Kriegsleuten benutzten dieselben, den bestehen¬
den Verordnungen entgegen, zur Weiterbeförderung. Die christliche Geistlich¬
keit that das Gleiche und hätte sich ohne dieses Hilfsmittel kaum so oft, als
damals geschah, in Synoden und Concilien vereinigen können. Der kostbare
Unterhalt der kaiserlichen Rasten, der Mutationen wie der Mansionen, sammt
der großen Zahl der daselbst in Bereitschaft gehaltenen Thiere, blieb den Pro¬
vinzen aufgebürdet, und wo diese nicht ausreichten, da hatten Gemeinden und
Grundbesitzer die Verpflichtung zur Vorspann, welche mit den Namen der
Bereden und Paravercden bezeichnet ward. Darunter begriff man die gewalt¬
same Verwendung der vorhandenen Perte für den öffentlichen Dienst, wie
man sie auch in den persischen Ländern vorfand; die Willkürlichkeit des Ver¬
fahrens, die dort aus den Zeiten des Kyros stammte, hatte sich mit den rö¬
mischen Einrichtungen auf das beste verschmolzen und sich zu dem Grundsatze
des fortdauernden Beschlages kunstvoll ausgebildet.

In keinem Zweige der Verwaltung zeigt sich die öde Unfruchtbarkeit des
damaligen Staatswesens mehr, als in der Anwendung der Postanstnlten.
Hier drängte sich der ganze Unsegen des ungefügigen Räderwerks in der ab¬
schreckendsten Weise zusammen. Man verbrauchte "die Kräfte der Städte und
Gemeinden; man zernichtete das Mark des Lebens bis in die entferntesten
Landschaften, und statt dafür eine schaffende Thätigkeit zurückzugeben, ertödtete
man zugleich die Productivität des gesammten Landes.




Der Bluimwollenverbrlmch in Europa.

Die Baumwollenindustrie ist unendlich viel jünger als die des Flachses, der
Wolle, der Seide, und ist doch mächtiger in unserm Jahrhundert geworden als ihre
altern Schwestern, ja sie muß als diejenige bezeichnet werden, welche das Signal
zu dem gewaltigen gewerblichen Aufschwung unsers Jahrhunderts gegeben hat; sie
ist so zu sagen die industriellste der modernen Industrien. Das Bedürfniß einer
größern Masse von Waaren für den offnen Absatz der Kolonien führte zuerst in
England auf Ersetzung der Handarbeit durch Maschinen. Dies eröffnete der Baum¬
wollenfabrikation eine Bahn unerwarteten Fortschritts, in ihr feierte die Mechanik
ihre zahlreichsten und glänzendsten Triumphe. Die meisten der Erfindungen, welche
heute überall in andern Industrien eingeführt sind, haben ihren Ursprung in den
Werkstätten der Banmwollenfabrikation gefunden und dort die Proben ihrer Nutz¬
barkeit abgelegt. Die leichte Flocke der Staude, die noch im Anfang vorigen Jahr¬
hunderts in Amerika nur eine Zierpflanze war. ist der Stoff geworden, der nach
dem Getreide zu dem größten Transport veranlaßt und den Verkehr zwischen den Ver-


und fort. Ganze Scharen von Kriegsleuten benutzten dieselben, den bestehen¬
den Verordnungen entgegen, zur Weiterbeförderung. Die christliche Geistlich¬
keit that das Gleiche und hätte sich ohne dieses Hilfsmittel kaum so oft, als
damals geschah, in Synoden und Concilien vereinigen können. Der kostbare
Unterhalt der kaiserlichen Rasten, der Mutationen wie der Mansionen, sammt
der großen Zahl der daselbst in Bereitschaft gehaltenen Thiere, blieb den Pro¬
vinzen aufgebürdet, und wo diese nicht ausreichten, da hatten Gemeinden und
Grundbesitzer die Verpflichtung zur Vorspann, welche mit den Namen der
Bereden und Paravercden bezeichnet ward. Darunter begriff man die gewalt¬
same Verwendung der vorhandenen Perte für den öffentlichen Dienst, wie
man sie auch in den persischen Ländern vorfand; die Willkürlichkeit des Ver¬
fahrens, die dort aus den Zeiten des Kyros stammte, hatte sich mit den rö¬
mischen Einrichtungen auf das beste verschmolzen und sich zu dem Grundsatze
des fortdauernden Beschlages kunstvoll ausgebildet.

In keinem Zweige der Verwaltung zeigt sich die öde Unfruchtbarkeit des
damaligen Staatswesens mehr, als in der Anwendung der Postanstnlten.
Hier drängte sich der ganze Unsegen des ungefügigen Räderwerks in der ab¬
schreckendsten Weise zusammen. Man verbrauchte "die Kräfte der Städte und
Gemeinden; man zernichtete das Mark des Lebens bis in die entferntesten
Landschaften, und statt dafür eine schaffende Thätigkeit zurückzugeben, ertödtete
man zugleich die Productivität des gesammten Landes.




Der Bluimwollenverbrlmch in Europa.

Die Baumwollenindustrie ist unendlich viel jünger als die des Flachses, der
Wolle, der Seide, und ist doch mächtiger in unserm Jahrhundert geworden als ihre
altern Schwestern, ja sie muß als diejenige bezeichnet werden, welche das Signal
zu dem gewaltigen gewerblichen Aufschwung unsers Jahrhunderts gegeben hat; sie
ist so zu sagen die industriellste der modernen Industrien. Das Bedürfniß einer
größern Masse von Waaren für den offnen Absatz der Kolonien führte zuerst in
England auf Ersetzung der Handarbeit durch Maschinen. Dies eröffnete der Baum¬
wollenfabrikation eine Bahn unerwarteten Fortschritts, in ihr feierte die Mechanik
ihre zahlreichsten und glänzendsten Triumphe. Die meisten der Erfindungen, welche
heute überall in andern Industrien eingeführt sind, haben ihren Ursprung in den
Werkstätten der Banmwollenfabrikation gefunden und dort die Proben ihrer Nutz¬
barkeit abgelegt. Die leichte Flocke der Staude, die noch im Anfang vorigen Jahr¬
hunderts in Amerika nur eine Zierpflanze war. ist der Stoff geworden, der nach
dem Getreide zu dem größten Transport veranlaßt und den Verkehr zwischen den Ver-


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[0044] und fort. Ganze Scharen von Kriegsleuten benutzten dieselben, den bestehen¬ den Verordnungen entgegen, zur Weiterbeförderung. Die christliche Geistlich¬ keit that das Gleiche und hätte sich ohne dieses Hilfsmittel kaum so oft, als damals geschah, in Synoden und Concilien vereinigen können. Der kostbare Unterhalt der kaiserlichen Rasten, der Mutationen wie der Mansionen, sammt der großen Zahl der daselbst in Bereitschaft gehaltenen Thiere, blieb den Pro¬ vinzen aufgebürdet, und wo diese nicht ausreichten, da hatten Gemeinden und Grundbesitzer die Verpflichtung zur Vorspann, welche mit den Namen der Bereden und Paravercden bezeichnet ward. Darunter begriff man die gewalt¬ same Verwendung der vorhandenen Perte für den öffentlichen Dienst, wie man sie auch in den persischen Ländern vorfand; die Willkürlichkeit des Ver¬ fahrens, die dort aus den Zeiten des Kyros stammte, hatte sich mit den rö¬ mischen Einrichtungen auf das beste verschmolzen und sich zu dem Grundsatze des fortdauernden Beschlages kunstvoll ausgebildet. In keinem Zweige der Verwaltung zeigt sich die öde Unfruchtbarkeit des damaligen Staatswesens mehr, als in der Anwendung der Postanstnlten. Hier drängte sich der ganze Unsegen des ungefügigen Räderwerks in der ab¬ schreckendsten Weise zusammen. Man verbrauchte "die Kräfte der Städte und Gemeinden; man zernichtete das Mark des Lebens bis in die entferntesten Landschaften, und statt dafür eine schaffende Thätigkeit zurückzugeben, ertödtete man zugleich die Productivität des gesammten Landes. Der Bluimwollenverbrlmch in Europa. Die Baumwollenindustrie ist unendlich viel jünger als die des Flachses, der Wolle, der Seide, und ist doch mächtiger in unserm Jahrhundert geworden als ihre altern Schwestern, ja sie muß als diejenige bezeichnet werden, welche das Signal zu dem gewaltigen gewerblichen Aufschwung unsers Jahrhunderts gegeben hat; sie ist so zu sagen die industriellste der modernen Industrien. Das Bedürfniß einer größern Masse von Waaren für den offnen Absatz der Kolonien führte zuerst in England auf Ersetzung der Handarbeit durch Maschinen. Dies eröffnete der Baum¬ wollenfabrikation eine Bahn unerwarteten Fortschritts, in ihr feierte die Mechanik ihre zahlreichsten und glänzendsten Triumphe. Die meisten der Erfindungen, welche heute überall in andern Industrien eingeführt sind, haben ihren Ursprung in den Werkstätten der Banmwollenfabrikation gefunden und dort die Proben ihrer Nutz¬ barkeit abgelegt. Die leichte Flocke der Staude, die noch im Anfang vorigen Jahr¬ hunderts in Amerika nur eine Zierpflanze war. ist der Stoff geworden, der nach dem Getreide zu dem größten Transport veranlaßt und den Verkehr zwischen den Ver-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_266356/44>, abgerufen am 05.07.2024.