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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band.

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Schiller und der Idealismus.
Schillers Leben für den weitern Kreis seiner Leser, von Karl Hofsmeisier,
Ergänzt und herausgegeben von Heinrich Viehosf. Dritte. Ausgabe,
3 Bd. Stuttgart, Becher. --
Schillers Briefe. Mit geschichtlichen Erläuterungen. Ein Beitrag zur Cha¬
rakteristik Schillers als Mensch, Dichter und Denker und ein nothwendiges
Supplement zu dessen Werken. 2. Bd. Berlin, Allg. deutsche Verlags¬
anstalt. --
Schiller als Philosoph. Vortrag gehalten in der Rose zu Jena, 10. März
1858, von Dr. Kuno Fischer. Frankfurt a. M., Suchsland. --
Die griechischen Elemente in Schillers Braut von Messina. Von Dr. Baptist
Gcrlingcr, eingeleitet durch Fr. Dingelstedt. Neue Ausgabe. Augs¬
burg, Kollmann. -- Fatum und Nemesis in der dramatischen Dichtung.
Acsthctischc Studien von B. Gerlinger. Neuburg, Prechter. --
Grundriß der Geschichte der deutschen Nationallitcratnr, entworfen von A. Ko ber¬
ste in. Vierte Ausgabe. 2. Bd., 2. Abthl. Leipzig, Vogel. --

So unauslöschlich die Züge sind, mit denen der Name Schiller in die
deutsche Ruhmeshalle eingegraben ist, so hat doch auch er in der öffentlichen
Stimmung manche Schwankungen erfahren. Seit der Vollendung des Wallen¬
stein galt er der Menge als der größte Dichter Deutschlands. Diese Vereh¬
rung steigerte sich durch das Mitgefühl über seinen frühzeitigen Tod, sie wurde
genährt durch die jüngern Theaterdichter, die, so weit sie im Uebrigen vonein¬
ander abwichen, sämmtlich Schillers Schule durchgemacht hatten; sie steigerte
sich zum Enthusiasmus durch die patriotischen Lyriker, die in der Periode der
Freiheitskriege nach dem Vorbild des Wallensteinschen Reitcrliedes die deutsche
Jugend gegen die fremden Eroberer in die Waffen riefen.

Aber schon war im Stillen gegen diese Stimmung eine Reaction vorbe¬
reitet, die, zuerst von der romantischen Schule hervorgerufen, sich im Anfang
auf die ästhetischen Theezirkel der sogenannten seinen Welt beschränkte, dann
aber, als die Restauration alle freieren Regungen des Volksgeistes unterdrückte,
zur Signatur der Zeit wurde. Dieser Richtung war Schiller nicht vornehm,
nicht aristokratisch genug, er ging ihr zu unbesonnen, zu rücksichtslos auf die


Grenzboten IV. 1853. 51
Schiller und der Idealismus.
Schillers Leben für den weitern Kreis seiner Leser, von Karl Hofsmeisier,
Ergänzt und herausgegeben von Heinrich Viehosf. Dritte. Ausgabe,
3 Bd. Stuttgart, Becher. —
Schillers Briefe. Mit geschichtlichen Erläuterungen. Ein Beitrag zur Cha¬
rakteristik Schillers als Mensch, Dichter und Denker und ein nothwendiges
Supplement zu dessen Werken. 2. Bd. Berlin, Allg. deutsche Verlags¬
anstalt. —
Schiller als Philosoph. Vortrag gehalten in der Rose zu Jena, 10. März
1858, von Dr. Kuno Fischer. Frankfurt a. M., Suchsland. —
Die griechischen Elemente in Schillers Braut von Messina. Von Dr. Baptist
Gcrlingcr, eingeleitet durch Fr. Dingelstedt. Neue Ausgabe. Augs¬
burg, Kollmann. — Fatum und Nemesis in der dramatischen Dichtung.
Acsthctischc Studien von B. Gerlinger. Neuburg, Prechter. —
Grundriß der Geschichte der deutschen Nationallitcratnr, entworfen von A. Ko ber¬
ste in. Vierte Ausgabe. 2. Bd., 2. Abthl. Leipzig, Vogel. —

So unauslöschlich die Züge sind, mit denen der Name Schiller in die
deutsche Ruhmeshalle eingegraben ist, so hat doch auch er in der öffentlichen
Stimmung manche Schwankungen erfahren. Seit der Vollendung des Wallen¬
stein galt er der Menge als der größte Dichter Deutschlands. Diese Vereh¬
rung steigerte sich durch das Mitgefühl über seinen frühzeitigen Tod, sie wurde
genährt durch die jüngern Theaterdichter, die, so weit sie im Uebrigen vonein¬
ander abwichen, sämmtlich Schillers Schule durchgemacht hatten; sie steigerte
sich zum Enthusiasmus durch die patriotischen Lyriker, die in der Periode der
Freiheitskriege nach dem Vorbild des Wallensteinschen Reitcrliedes die deutsche
Jugend gegen die fremden Eroberer in die Waffen riefen.

Aber schon war im Stillen gegen diese Stimmung eine Reaction vorbe¬
reitet, die, zuerst von der romantischen Schule hervorgerufen, sich im Anfang
auf die ästhetischen Theezirkel der sogenannten seinen Welt beschränkte, dann
aber, als die Restauration alle freieren Regungen des Volksgeistes unterdrückte,
zur Signatur der Zeit wurde. Dieser Richtung war Schiller nicht vornehm,
nicht aristokratisch genug, er ging ihr zu unbesonnen, zu rücksichtslos auf die


Grenzboten IV. 1853. 51
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[0409] Schiller und der Idealismus. Schillers Leben für den weitern Kreis seiner Leser, von Karl Hofsmeisier, Ergänzt und herausgegeben von Heinrich Viehosf. Dritte. Ausgabe, 3 Bd. Stuttgart, Becher. — Schillers Briefe. Mit geschichtlichen Erläuterungen. Ein Beitrag zur Cha¬ rakteristik Schillers als Mensch, Dichter und Denker und ein nothwendiges Supplement zu dessen Werken. 2. Bd. Berlin, Allg. deutsche Verlags¬ anstalt. — Schiller als Philosoph. Vortrag gehalten in der Rose zu Jena, 10. März 1858, von Dr. Kuno Fischer. Frankfurt a. M., Suchsland. — Die griechischen Elemente in Schillers Braut von Messina. Von Dr. Baptist Gcrlingcr, eingeleitet durch Fr. Dingelstedt. Neue Ausgabe. Augs¬ burg, Kollmann. — Fatum und Nemesis in der dramatischen Dichtung. Acsthctischc Studien von B. Gerlinger. Neuburg, Prechter. — Grundriß der Geschichte der deutschen Nationallitcratnr, entworfen von A. Ko ber¬ ste in. Vierte Ausgabe. 2. Bd., 2. Abthl. Leipzig, Vogel. — So unauslöschlich die Züge sind, mit denen der Name Schiller in die deutsche Ruhmeshalle eingegraben ist, so hat doch auch er in der öffentlichen Stimmung manche Schwankungen erfahren. Seit der Vollendung des Wallen¬ stein galt er der Menge als der größte Dichter Deutschlands. Diese Vereh¬ rung steigerte sich durch das Mitgefühl über seinen frühzeitigen Tod, sie wurde genährt durch die jüngern Theaterdichter, die, so weit sie im Uebrigen vonein¬ ander abwichen, sämmtlich Schillers Schule durchgemacht hatten; sie steigerte sich zum Enthusiasmus durch die patriotischen Lyriker, die in der Periode der Freiheitskriege nach dem Vorbild des Wallensteinschen Reitcrliedes die deutsche Jugend gegen die fremden Eroberer in die Waffen riefen. Aber schon war im Stillen gegen diese Stimmung eine Reaction vorbe¬ reitet, die, zuerst von der romantischen Schule hervorgerufen, sich im Anfang auf die ästhetischen Theezirkel der sogenannten seinen Welt beschränkte, dann aber, als die Restauration alle freieren Regungen des Volksgeistes unterdrückte, zur Signatur der Zeit wurde. Dieser Richtung war Schiller nicht vornehm, nicht aristokratisch genug, er ging ihr zu unbesonnen, zu rücksichtslos auf die Grenzboten IV. 1853. 51

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_266356/409>, abgerufen am 28.06.2024.