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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band.

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der Presse um so besser vertreten sein, je schneller es die "Preußische Zeitung" frei
läßt. Die Politik der Anspielungen, der dunklen Winke, der Bemerkungen über be¬
schränkten Unterthanenverstand u, s, w, ist vorüber, und auf dergleichen Winke ist
die officiöse Presse beschränkt. Will das Ministerium im Volke sprechen, so hat es
die Kammern und die officielle Presse. Es ist nicht blos würdiger und schicklicher,
sondern auch wirksamer und erfolgreicher, wenn man unmittelbar die Negierung
vernimmt und nicht Mittelspersonen, die doch nicht im Brennpunkt der Ereignisse
sitzen. Die Principien aber zu vertreten, das überlasse man demjenigen Theil d'er
Presse, der nicht jeden Augenblick befürchten darf, durch das Aussprechen seiner
-s !' Ueberzeugungen das Cabinet zu binden oder zu compromittiren.*)




Der Proceß Montalembert.

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Es ist ein erfreuliches Zeichen, daß die deutsche Presse sehr sorgfältig die Rechts.
Widrigkeiten registrirt, die jenseit des Rheins vorfallen, und keinen Anstand nimmt,
sie moralisch zu brandmarken. Indessen wäre es zweckmäßig, dabei von Zeit zu
Zeit in Erinnerung zu bringen, daß es bei uns an verwandten Erscheinungen nicht
gefehlt hat, ja daß man sie hin und wieder noch antreffen kann. Wenn ein deut-
scher Schriftsteller zwischen den politischen Einrichtungen des Landes, dem er ange¬
hört, und denen eines rivalisircndcn Staats eine boshafte Parallele ziclit, wenn er
von seinem Lande behauptet, es sei darin keine Freiheit zu finden, so ist leicht mög¬
lich, daß man ihn auch bei uns vor Gericht stellt, daß man die oxoextio vern^dis
nicht gelten läßt und daß irgend ein dienstwilliger Gerichtshof ihn zu sechsmonat¬
lichen Gefängniß verurtheilt. Das Aufsehn, welches dieser Proceß in Frankreich
gemacht, gilt in der That weniger der Sache als der Person. Die Franzosen sind
ein Volk der Autorität, es gibt bei ihnen eine mit einem bestimmten Gepräge ver¬
sehene Classe berühmter Männer, die ungefähr, wenn auch nicht ganz, mit den vierzig
Unsterblichen der Akademie zusammenfallen, deren Handlungsweise das Publicum
nach einem andern Maßstab mißt als die der übrigen Sterblichen, und bei denen
es erwartet, auch die Staatsgewalt werde ein Einsehen haben. Es macht keinen
Unterschied, welcher Partei diese Männer angehören; sie gehören zum Stammcapital



') Da bei dem erhöhten Interesse der preußischen Entwicklung jedem Zeitungsleser
daran gelegen sein muß, sich 'auch über die Details der gesejzlichen Zustände dieses Landes
zu unterrichten, empfehlen wir zwei sehr brauchbare Handbücher von Max von Oesfeld.
"Preußen in staatsrechtlicher Beziehung. Das innere Stnatorecht mit besonderer Bezugnahme
auf die preußische Verfnssnngsurkunde vom 31. Januar 18ö0", und: "Preußen in tamcra-
listischer und staatswirthschaftlicher Beziehung. Die FinaiMüssenschaft, die Polizeiwissenschaft
und die Landwirthschaftslehre." (Breslau, Urban Kern.)

der Presse um so besser vertreten sein, je schneller es die „Preußische Zeitung" frei
läßt. Die Politik der Anspielungen, der dunklen Winke, der Bemerkungen über be¬
schränkten Unterthanenverstand u, s, w, ist vorüber, und auf dergleichen Winke ist
die officiöse Presse beschränkt. Will das Ministerium im Volke sprechen, so hat es
die Kammern und die officielle Presse. Es ist nicht blos würdiger und schicklicher,
sondern auch wirksamer und erfolgreicher, wenn man unmittelbar die Negierung
vernimmt und nicht Mittelspersonen, die doch nicht im Brennpunkt der Ereignisse
sitzen. Die Principien aber zu vertreten, das überlasse man demjenigen Theil d'er
Presse, der nicht jeden Augenblick befürchten darf, durch das Aussprechen seiner
-s !' Ueberzeugungen das Cabinet zu binden oder zu compromittiren.*)




Der Proceß Montalembert.

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Es ist ein erfreuliches Zeichen, daß die deutsche Presse sehr sorgfältig die Rechts.
Widrigkeiten registrirt, die jenseit des Rheins vorfallen, und keinen Anstand nimmt,
sie moralisch zu brandmarken. Indessen wäre es zweckmäßig, dabei von Zeit zu
Zeit in Erinnerung zu bringen, daß es bei uns an verwandten Erscheinungen nicht
gefehlt hat, ja daß man sie hin und wieder noch antreffen kann. Wenn ein deut-
scher Schriftsteller zwischen den politischen Einrichtungen des Landes, dem er ange¬
hört, und denen eines rivalisircndcn Staats eine boshafte Parallele ziclit, wenn er
von seinem Lande behauptet, es sei darin keine Freiheit zu finden, so ist leicht mög¬
lich, daß man ihn auch bei uns vor Gericht stellt, daß man die oxoextio vern^dis
nicht gelten läßt und daß irgend ein dienstwilliger Gerichtshof ihn zu sechsmonat¬
lichen Gefängniß verurtheilt. Das Aufsehn, welches dieser Proceß in Frankreich
gemacht, gilt in der That weniger der Sache als der Person. Die Franzosen sind
ein Volk der Autorität, es gibt bei ihnen eine mit einem bestimmten Gepräge ver¬
sehene Classe berühmter Männer, die ungefähr, wenn auch nicht ganz, mit den vierzig
Unsterblichen der Akademie zusammenfallen, deren Handlungsweise das Publicum
nach einem andern Maßstab mißt als die der übrigen Sterblichen, und bei denen
es erwartet, auch die Staatsgewalt werde ein Einsehen haben. Es macht keinen
Unterschied, welcher Partei diese Männer angehören; sie gehören zum Stammcapital



') Da bei dem erhöhten Interesse der preußischen Entwicklung jedem Zeitungsleser
daran gelegen sein muß, sich 'auch über die Details der gesejzlichen Zustände dieses Landes
zu unterrichten, empfehlen wir zwei sehr brauchbare Handbücher von Max von Oesfeld.
„Preußen in staatsrechtlicher Beziehung. Das innere Stnatorecht mit besonderer Bezugnahme
auf die preußische Verfnssnngsurkunde vom 31. Januar 18ö0", und: „Preußen in tamcra-
listischer und staatswirthschaftlicher Beziehung. Die FinaiMüssenschaft, die Polizeiwissenschaft
und die Landwirthschaftslehre." (Breslau, Urban Kern.)
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[0404] der Presse um so besser vertreten sein, je schneller es die „Preußische Zeitung" frei läßt. Die Politik der Anspielungen, der dunklen Winke, der Bemerkungen über be¬ schränkten Unterthanenverstand u, s, w, ist vorüber, und auf dergleichen Winke ist die officiöse Presse beschränkt. Will das Ministerium im Volke sprechen, so hat es die Kammern und die officielle Presse. Es ist nicht blos würdiger und schicklicher, sondern auch wirksamer und erfolgreicher, wenn man unmittelbar die Negierung vernimmt und nicht Mittelspersonen, die doch nicht im Brennpunkt der Ereignisse sitzen. Die Principien aber zu vertreten, das überlasse man demjenigen Theil d'er Presse, der nicht jeden Augenblick befürchten darf, durch das Aussprechen seiner -s !' Ueberzeugungen das Cabinet zu binden oder zu compromittiren.*) Der Proceß Montalembert. nzvmnmirst!!i''»del>>'.n>'Ui-V,nspitt,,litt Es ist ein erfreuliches Zeichen, daß die deutsche Presse sehr sorgfältig die Rechts. Widrigkeiten registrirt, die jenseit des Rheins vorfallen, und keinen Anstand nimmt, sie moralisch zu brandmarken. Indessen wäre es zweckmäßig, dabei von Zeit zu Zeit in Erinnerung zu bringen, daß es bei uns an verwandten Erscheinungen nicht gefehlt hat, ja daß man sie hin und wieder noch antreffen kann. Wenn ein deut- scher Schriftsteller zwischen den politischen Einrichtungen des Landes, dem er ange¬ hört, und denen eines rivalisircndcn Staats eine boshafte Parallele ziclit, wenn er von seinem Lande behauptet, es sei darin keine Freiheit zu finden, so ist leicht mög¬ lich, daß man ihn auch bei uns vor Gericht stellt, daß man die oxoextio vern^dis nicht gelten läßt und daß irgend ein dienstwilliger Gerichtshof ihn zu sechsmonat¬ lichen Gefängniß verurtheilt. Das Aufsehn, welches dieser Proceß in Frankreich gemacht, gilt in der That weniger der Sache als der Person. Die Franzosen sind ein Volk der Autorität, es gibt bei ihnen eine mit einem bestimmten Gepräge ver¬ sehene Classe berühmter Männer, die ungefähr, wenn auch nicht ganz, mit den vierzig Unsterblichen der Akademie zusammenfallen, deren Handlungsweise das Publicum nach einem andern Maßstab mißt als die der übrigen Sterblichen, und bei denen es erwartet, auch die Staatsgewalt werde ein Einsehen haben. Es macht keinen Unterschied, welcher Partei diese Männer angehören; sie gehören zum Stammcapital ') Da bei dem erhöhten Interesse der preußischen Entwicklung jedem Zeitungsleser daran gelegen sein muß, sich 'auch über die Details der gesejzlichen Zustände dieses Landes zu unterrichten, empfehlen wir zwei sehr brauchbare Handbücher von Max von Oesfeld. „Preußen in staatsrechtlicher Beziehung. Das innere Stnatorecht mit besonderer Bezugnahme auf die preußische Verfnssnngsurkunde vom 31. Januar 18ö0", und: „Preußen in tamcra- listischer und staatswirthschaftlicher Beziehung. Die FinaiMüssenschaft, die Polizeiwissenschaft und die Landwirthschaftslehre." (Breslau, Urban Kern.)

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_266356/404>, abgerufen am 28.06.2024.