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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band.

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westlichen; dagegen wird eine eigene Auflage von 14,000 Exemplaren mit
etwas verändertem Inhalt für die Schweiz gedruckt. Ein ähnliches Blatt,
das "Jllustrirte Familienjvurnal". noch billiger im Preise, setzt 70,000 Exem¬
plare ab, steht aber der Gartenlaube darin nach, daß es wenig Original¬
artikel, meistens übersetzte Novellen und Reiseerzählungen, mit Benutzung
alter Holzstöcke, enthält. Zu den verbreitetsten Zeitschriften gehören ferner
die in Stuttgart erscheinende "Musterzeitung" mit 40,000, die "Jllustrirte
Zeitung" mit 12,500, die "Fliegenden Blätter" mit 12,000 Exemplaren.




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Noch immer scheint uns die Situation von der Art, daß wir uns vor nichts
so sehr zu hüten haben, als vor einem verfrühten Enthusiasmus; je kühler und
geschäftsmäßiger wir die Dinge auffassen, desto sicherer können wir sein, in keine
neuen Illusionen zu versallen. Freilich sind wir in den letzten Tagen wieder um
einen bedeutenden Schritt vorgerückt. Durch die vollständige Veröffentlichung der
Rede, in welcher der Prinzregent dem Ministerium seine Absichten auseinandergesetzt,
sind wir überführt worden, wie grundlos die Befürchtungen waren, welche die Ver¬
öffentlichung einiger Fragmente daraus von Seiten der reactionären Presse bei allen
Gutgesinnten hervorgerufen hatte. Die Rede enthält nicht blos die besten und edel¬
sten Ideen, die wir bei einem Fürsten voraussetzen dürfen, sondern sie athmet zu¬
gleich jenen Ton ruhiger und klarer Sicherheit, die sich durch keine Widersprüche, von
welcher Seite sie auch kommen mögen, irren läßt. Wie wir schon einmal gesagt!
auf der Persönlichkeit des Prinzen beruht das ganze Vertrauen des Volkes, das sich
seine Rathgeber erst werden verdienen müssen. Für ihre Geschicklichkeit spricht es
keineswegs, daß sie ruhig zusahn, wie die Reaction in einer Zeit, wo jeder Augen¬
blick wichtig war, jene schönen Worte heimtückisch ausbeutete, um die Wähler vor
der neuen Regierung zu warnen.

Nachträglich können wir wol mit dieser Nachlässigkeit zufrieden sein, da sich
um so schlagender gezeigt hat, wie tief die liberalen Sympathien im Volke wurzeln.
Eine kleine Fraction des vorigen Landtags hat sich diesmal in eine starke Majorität
verwandelt. Ja um der Regierung uur keinen Anstoß zu geben, hat man mit ängst¬
licher Scheu jeden Namen vermieden, der irgend unbequeme Erinnerungen hervor¬
rufen könnte. Nicht blos die wirkliche" Demokraten haben auf jede Wahl verzichtet,
sondern auch Männer wie Nodbcrtus und andere, die man nur deshalb Demo¬
kraten nennt, weil sie die Auflösung der constituirenden Versammlung für gesetz¬
widrig hielten. Selbst Grab an durchzusetzen hat einige Mühe gekostet, blos weil
er Präsident jener übel berufenen Versammlung war, obgleich er innerhalb derselben


westlichen; dagegen wird eine eigene Auflage von 14,000 Exemplaren mit
etwas verändertem Inhalt für die Schweiz gedruckt. Ein ähnliches Blatt,
das „Jllustrirte Familienjvurnal". noch billiger im Preise, setzt 70,000 Exem¬
plare ab, steht aber der Gartenlaube darin nach, daß es wenig Original¬
artikel, meistens übersetzte Novellen und Reiseerzählungen, mit Benutzung
alter Holzstöcke, enthält. Zu den verbreitetsten Zeitschriften gehören ferner
die in Stuttgart erscheinende „Musterzeitung" mit 40,000, die „Jllustrirte
Zeitung" mit 12,500, die „Fliegenden Blätter" mit 12,000 Exemplaren.




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Noch immer scheint uns die Situation von der Art, daß wir uns vor nichts
so sehr zu hüten haben, als vor einem verfrühten Enthusiasmus; je kühler und
geschäftsmäßiger wir die Dinge auffassen, desto sicherer können wir sein, in keine
neuen Illusionen zu versallen. Freilich sind wir in den letzten Tagen wieder um
einen bedeutenden Schritt vorgerückt. Durch die vollständige Veröffentlichung der
Rede, in welcher der Prinzregent dem Ministerium seine Absichten auseinandergesetzt,
sind wir überführt worden, wie grundlos die Befürchtungen waren, welche die Ver¬
öffentlichung einiger Fragmente daraus von Seiten der reactionären Presse bei allen
Gutgesinnten hervorgerufen hatte. Die Rede enthält nicht blos die besten und edel¬
sten Ideen, die wir bei einem Fürsten voraussetzen dürfen, sondern sie athmet zu¬
gleich jenen Ton ruhiger und klarer Sicherheit, die sich durch keine Widersprüche, von
welcher Seite sie auch kommen mögen, irren läßt. Wie wir schon einmal gesagt!
auf der Persönlichkeit des Prinzen beruht das ganze Vertrauen des Volkes, das sich
seine Rathgeber erst werden verdienen müssen. Für ihre Geschicklichkeit spricht es
keineswegs, daß sie ruhig zusahn, wie die Reaction in einer Zeit, wo jeder Augen¬
blick wichtig war, jene schönen Worte heimtückisch ausbeutete, um die Wähler vor
der neuen Regierung zu warnen.

Nachträglich können wir wol mit dieser Nachlässigkeit zufrieden sein, da sich
um so schlagender gezeigt hat, wie tief die liberalen Sympathien im Volke wurzeln.
Eine kleine Fraction des vorigen Landtags hat sich diesmal in eine starke Majorität
verwandelt. Ja um der Regierung uur keinen Anstoß zu geben, hat man mit ängst¬
licher Scheu jeden Namen vermieden, der irgend unbequeme Erinnerungen hervor¬
rufen könnte. Nicht blos die wirkliche» Demokraten haben auf jede Wahl verzichtet,
sondern auch Männer wie Nodbcrtus und andere, die man nur deshalb Demo¬
kraten nennt, weil sie die Auflösung der constituirenden Versammlung für gesetz¬
widrig hielten. Selbst Grab an durchzusetzen hat einige Mühe gekostet, blos weil
er Präsident jener übel berufenen Versammlung war, obgleich er innerhalb derselben


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_266356/400>, abgerufen am 28.06.2024.