Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band.mehr Liberalität geöffnet ist, wie bei den vorjährigen Feierlichkeiten. Leider ist das Literatur. An G. H. Lewes. Eine Epistel von Heinrich Siegfried. Berlin, G. Rei. mehr Liberalität geöffnet ist, wie bei den vorjährigen Feierlichkeiten. Leider ist das Literatur. An G. H. Lewes. Eine Epistel von Heinrich Siegfried. Berlin, G. Rei. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0527" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/186940"/> <p xml:id="ID_1193" prev="#ID_1192"> mehr Liberalität geöffnet ist, wie bei den vorjährigen Feierlichkeiten. Leider ist das<lb/> Aedrän,ge daselbst außerordentlich groß, und gestattet den dort Promenircnden nur<lb/> in. cinzeu.rei Momenten einer freie Umsicht. Europäische Damen hörte ich darüber<lb/> klagen, daß sie von den türkischen Frauen in dem Gewühl in sehr schmerzlicher<lb/> Weise gekniffen würden. Dieses Kreisen des weiblichen Theils der fränkischen Be¬<lb/> völkerung durch die muselmännische ist stark an der Tagesordnung, und ist an die<lb/> Stelle der Beschimpfungen getreten, die man sich früher erlaubte; indeß ist es nicht<lb/> der Ausdruck besonderer Bosheit, und will, nach einer Erklärung, die man mir<lb/> darüber gab, nur als ein Erinnerungszeichen aufgefaßt sein, daß es neben der abend¬<lb/> ländischen Bevölkerung auch noch eine morgenländische hier gibt.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Literatur.</head><lb/> <p xml:id="ID_1194" next="#ID_1195"> An G. H. Lewes. Eine Epistel von Heinrich Siegfried. Berlin, G. Rei.<lb/> mer. — Wir wollen von der ungeschickten Art und Weise, mit welcher der Ver¬<lb/> fasser polemisirt, ganz absehen, und uns nur an den Gegenstand halten. Es<lb/> handelt sich darum, ob Bettinens Briefe als eine historische Urkunde zu betrachten<lb/> sind, oder nur als ein Roman, d. h. als ein geistvolles Bild, in dem sich Wahrheit<lb/> und Dichtung auf eine wunderliche Weise vermischen. Zunächst irrt Hr. Siegfried,<lb/> wenn er glaubt, die letztere Meinung werde nur von Riemer und Lewes gehegt! sie<lb/> ist im Gegentheil die Ansicht der unendlichen Mehrheit derjenigen, die sich ernstlich<lb/> mit Goethes Leben beschäftigt haben. Um nur ein Beispiel anzuführen! der ver¬<lb/> storbene Mcusebach. vielleicht der feinste Kenner der dahin einschlagenden Verhält¬<lb/> nisse, hat sie gleich nach dem Erscheinen der Briefe so unumwunden, als es sich<lb/> mit seiner humoristischen Weise vertrug, ausgesprochen. Es führt auch nicht zum<lb/> Zweck, Riemer den „Bedienten Goethes" zu nennen; er war freilich nur Goethes<lb/> Secretär, aber als solcher verdient er in denjenigen Fällen, die in sein Ressort ge¬<lb/> hören, die Aufmerksamkeit des Publicums, und seine Aussagen über die berufenen<lb/> Sonette sind zu positiv, um nicht volle Glaubwürdigkeit zu erwerben, namentlich<lb/> da er nicht das geringste Interesse hatte, die Frau Professorin Walch aus Kosten<lb/> der Frau v. Arnim zu protegiren. — Daß Bettina eine geistvolle, hochpoetische Frau<lb/> ist, weiß jeder, der Augen hat zu sehen; das nachzuweisen, hätte sich Hr. Siegfried<lb/> ersparen können. Aber daß sich ihr, wie ihrem Bruder, wie ihrem Mann, bei der<lb/> großen Kraft ihrer Phantasie zuweilen Traum und Wirklichkeit durcheinander<lb/> wirrt — das erzählt sie ja selbst. Die Frage ist nun, ob sie in den Briefen dieser<lb/> Neigung nachgegeben, d, h. ob sie sie nachträglich umgearbeitet hat. — ES ist höchst</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0527]
mehr Liberalität geöffnet ist, wie bei den vorjährigen Feierlichkeiten. Leider ist das
Aedrän,ge daselbst außerordentlich groß, und gestattet den dort Promenircnden nur
in. cinzeu.rei Momenten einer freie Umsicht. Europäische Damen hörte ich darüber
klagen, daß sie von den türkischen Frauen in dem Gewühl in sehr schmerzlicher
Weise gekniffen würden. Dieses Kreisen des weiblichen Theils der fränkischen Be¬
völkerung durch die muselmännische ist stark an der Tagesordnung, und ist an die
Stelle der Beschimpfungen getreten, die man sich früher erlaubte; indeß ist es nicht
der Ausdruck besonderer Bosheit, und will, nach einer Erklärung, die man mir
darüber gab, nur als ein Erinnerungszeichen aufgefaßt sein, daß es neben der abend¬
ländischen Bevölkerung auch noch eine morgenländische hier gibt.
Literatur.
An G. H. Lewes. Eine Epistel von Heinrich Siegfried. Berlin, G. Rei.
mer. — Wir wollen von der ungeschickten Art und Weise, mit welcher der Ver¬
fasser polemisirt, ganz absehen, und uns nur an den Gegenstand halten. Es
handelt sich darum, ob Bettinens Briefe als eine historische Urkunde zu betrachten
sind, oder nur als ein Roman, d. h. als ein geistvolles Bild, in dem sich Wahrheit
und Dichtung auf eine wunderliche Weise vermischen. Zunächst irrt Hr. Siegfried,
wenn er glaubt, die letztere Meinung werde nur von Riemer und Lewes gehegt! sie
ist im Gegentheil die Ansicht der unendlichen Mehrheit derjenigen, die sich ernstlich
mit Goethes Leben beschäftigt haben. Um nur ein Beispiel anzuführen! der ver¬
storbene Mcusebach. vielleicht der feinste Kenner der dahin einschlagenden Verhält¬
nisse, hat sie gleich nach dem Erscheinen der Briefe so unumwunden, als es sich
mit seiner humoristischen Weise vertrug, ausgesprochen. Es führt auch nicht zum
Zweck, Riemer den „Bedienten Goethes" zu nennen; er war freilich nur Goethes
Secretär, aber als solcher verdient er in denjenigen Fällen, die in sein Ressort ge¬
hören, die Aufmerksamkeit des Publicums, und seine Aussagen über die berufenen
Sonette sind zu positiv, um nicht volle Glaubwürdigkeit zu erwerben, namentlich
da er nicht das geringste Interesse hatte, die Frau Professorin Walch aus Kosten
der Frau v. Arnim zu protegiren. — Daß Bettina eine geistvolle, hochpoetische Frau
ist, weiß jeder, der Augen hat zu sehen; das nachzuweisen, hätte sich Hr. Siegfried
ersparen können. Aber daß sich ihr, wie ihrem Bruder, wie ihrem Mann, bei der
großen Kraft ihrer Phantasie zuweilen Traum und Wirklichkeit durcheinander
wirrt — das erzählt sie ja selbst. Die Frage ist nun, ob sie in den Briefen dieser
Neigung nachgegeben, d, h. ob sie sie nachträglich umgearbeitet hat. — ES ist höchst
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