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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band.

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an die Carikatur streifend, daß es nicht Wunder nehmen kann, wenn die ganze
Darstellung von vielen als eine unschickliche gebrandmarkt wird.

Das ist ja, so hörten wir oft vor den Bildern ausrufen, derselbe Stil,
die gleiche frivole Auffassung, welche die Wandbilder an der neuen Pinakothek
zu München charakterisirt. Wir geben diese Verwandtschaft bereitwillig zu,
finden darin nur ein erschwerendes Moment sür Steinles Schuld. Er muß doch
die Aufnahme, die diesen Illustrationen zu Theil wurde, kennen, er muß wissen,
daß selbst der Ruhm und die hohe Liebe, die Kaulbach in den weitesten Krei¬
sen genießt, den Künstler nicht vor herben Vorwürfen sicherte. Kaulbach hat
des Gelungenen und Geistreichen sonst so viel geschaffen, daß ihm leicht dieser
eine übermüthige Schritt nachgesehen werden konnte. Diese Nachsicht traf
aber nur des Künstlers Person, nicht die Sache. Darin blieb alle Welt einig,
daß es nicht geduldet werden darf. daß Caricaturen in die monumentale
Kunst sich einmischen und das Andenken würdiger Männer dadurch, daß man
sie ewigem Spotte Preis gibt, erhalten werde. Ebenso gut konnte man die
Helden classischer Tragödien in Narrenjacken auftreten lassen. Steinles Vor¬
gang wird durch nichts entschuldigt, nicht einmal originell ist er in seinen
Frescospüßen. Ihm geben wir den guten Rath, die beiden zuletzt besprochenen
Bilder zurückzuziehen und zu vernichten. Nicht einmal zum Bewahren in der
Mappe sind sie gut genug. Von jenen aber, die über den Museumsbau zu
Köln zu entscheiden haben, verlangen wir. daß sie sich selbst und ihre Stadt
nicht herabwürdigen durch die monumentale Verewigung von Einfällen, die
nicht witzig genug sind, um das Kränkende, was in ihnen liegt, vergessen zu
machen. Langweilige und formell mangelhafte Bilder mögen in Gottes Na¬
men gefertigt werden, dagegen wird die öffentliche Meinung nicht mit Erfolg
ankämpfen können. Hoffentlich ist sie aber noch stark genug, daß ihre Warnung
dort, wo sittliche Interessen verletzt werden, nicht gänzlich überhört wird.




Johannes von Müller und seine Zeit.
n. (Schluß.)

"Ueber Ihrem Geist." schreibt Böttiger 7. Mai 1807. "machtet eine
schwere Wolke, das ahnte ich aus Ihren Briefen ... Es ist nicht Vorwitz,
sondern innigste Theilnahme, wenn ich zuweilen den Schleier zu tupfen wünschte,
der Ihre künftige Bestimmung verhüllt. So viel begreife ich, daß der in die
ausgemergelte Residenz zurückkehrende König sehr schmale Bissen zuschneiden


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an die Carikatur streifend, daß es nicht Wunder nehmen kann, wenn die ganze
Darstellung von vielen als eine unschickliche gebrandmarkt wird.

Das ist ja, so hörten wir oft vor den Bildern ausrufen, derselbe Stil,
die gleiche frivole Auffassung, welche die Wandbilder an der neuen Pinakothek
zu München charakterisirt. Wir geben diese Verwandtschaft bereitwillig zu,
finden darin nur ein erschwerendes Moment sür Steinles Schuld. Er muß doch
die Aufnahme, die diesen Illustrationen zu Theil wurde, kennen, er muß wissen,
daß selbst der Ruhm und die hohe Liebe, die Kaulbach in den weitesten Krei¬
sen genießt, den Künstler nicht vor herben Vorwürfen sicherte. Kaulbach hat
des Gelungenen und Geistreichen sonst so viel geschaffen, daß ihm leicht dieser
eine übermüthige Schritt nachgesehen werden konnte. Diese Nachsicht traf
aber nur des Künstlers Person, nicht die Sache. Darin blieb alle Welt einig,
daß es nicht geduldet werden darf. daß Caricaturen in die monumentale
Kunst sich einmischen und das Andenken würdiger Männer dadurch, daß man
sie ewigem Spotte Preis gibt, erhalten werde. Ebenso gut konnte man die
Helden classischer Tragödien in Narrenjacken auftreten lassen. Steinles Vor¬
gang wird durch nichts entschuldigt, nicht einmal originell ist er in seinen
Frescospüßen. Ihm geben wir den guten Rath, die beiden zuletzt besprochenen
Bilder zurückzuziehen und zu vernichten. Nicht einmal zum Bewahren in der
Mappe sind sie gut genug. Von jenen aber, die über den Museumsbau zu
Köln zu entscheiden haben, verlangen wir. daß sie sich selbst und ihre Stadt
nicht herabwürdigen durch die monumentale Verewigung von Einfällen, die
nicht witzig genug sind, um das Kränkende, was in ihnen liegt, vergessen zu
machen. Langweilige und formell mangelhafte Bilder mögen in Gottes Na¬
men gefertigt werden, dagegen wird die öffentliche Meinung nicht mit Erfolg
ankämpfen können. Hoffentlich ist sie aber noch stark genug, daß ihre Warnung
dort, wo sittliche Interessen verletzt werden, nicht gänzlich überhört wird.




Johannes von Müller und seine Zeit.
n. (Schluß.)

„Ueber Ihrem Geist." schreibt Böttiger 7. Mai 1807. „machtet eine
schwere Wolke, das ahnte ich aus Ihren Briefen ... Es ist nicht Vorwitz,
sondern innigste Theilnahme, wenn ich zuweilen den Schleier zu tupfen wünschte,
der Ihre künftige Bestimmung verhüllt. So viel begreife ich, daß der in die
ausgemergelte Residenz zurückkehrende König sehr schmale Bissen zuschneiden


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[0459] an die Carikatur streifend, daß es nicht Wunder nehmen kann, wenn die ganze Darstellung von vielen als eine unschickliche gebrandmarkt wird. Das ist ja, so hörten wir oft vor den Bildern ausrufen, derselbe Stil, die gleiche frivole Auffassung, welche die Wandbilder an der neuen Pinakothek zu München charakterisirt. Wir geben diese Verwandtschaft bereitwillig zu, finden darin nur ein erschwerendes Moment sür Steinles Schuld. Er muß doch die Aufnahme, die diesen Illustrationen zu Theil wurde, kennen, er muß wissen, daß selbst der Ruhm und die hohe Liebe, die Kaulbach in den weitesten Krei¬ sen genießt, den Künstler nicht vor herben Vorwürfen sicherte. Kaulbach hat des Gelungenen und Geistreichen sonst so viel geschaffen, daß ihm leicht dieser eine übermüthige Schritt nachgesehen werden konnte. Diese Nachsicht traf aber nur des Künstlers Person, nicht die Sache. Darin blieb alle Welt einig, daß es nicht geduldet werden darf. daß Caricaturen in die monumentale Kunst sich einmischen und das Andenken würdiger Männer dadurch, daß man sie ewigem Spotte Preis gibt, erhalten werde. Ebenso gut konnte man die Helden classischer Tragödien in Narrenjacken auftreten lassen. Steinles Vor¬ gang wird durch nichts entschuldigt, nicht einmal originell ist er in seinen Frescospüßen. Ihm geben wir den guten Rath, die beiden zuletzt besprochenen Bilder zurückzuziehen und zu vernichten. Nicht einmal zum Bewahren in der Mappe sind sie gut genug. Von jenen aber, die über den Museumsbau zu Köln zu entscheiden haben, verlangen wir. daß sie sich selbst und ihre Stadt nicht herabwürdigen durch die monumentale Verewigung von Einfällen, die nicht witzig genug sind, um das Kränkende, was in ihnen liegt, vergessen zu machen. Langweilige und formell mangelhafte Bilder mögen in Gottes Na¬ men gefertigt werden, dagegen wird die öffentliche Meinung nicht mit Erfolg ankämpfen können. Hoffentlich ist sie aber noch stark genug, daß ihre Warnung dort, wo sittliche Interessen verletzt werden, nicht gänzlich überhört wird. Johannes von Müller und seine Zeit. n. (Schluß.) „Ueber Ihrem Geist." schreibt Böttiger 7. Mai 1807. „machtet eine schwere Wolke, das ahnte ich aus Ihren Briefen ... Es ist nicht Vorwitz, sondern innigste Theilnahme, wenn ich zuweilen den Schleier zu tupfen wünschte, der Ihre künftige Bestimmung verhüllt. So viel begreife ich, daß der in die ausgemergelte Residenz zurückkehrende König sehr schmale Bissen zuschneiden 57*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_186412/459>, abgerufen am 21.12.2024.