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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band.

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Land und Leute in der neuen Welt wu Löhr.

Land und Leute in der alten und neuen Welt. Reiseskizzen von Franz Löser.
Z, Bd. Göttingen, Wigand.*) --

Zu den kräftigsten wilden Stämmen gehören die Indianer im Gebiet der Ver¬
einigten Staaten. In den vorder" U"lo"sgcbicte" stößt man nur noch lehr selten
auf ein Häuflein Indianer, welches mitten unter den Weißen sitzen geblieben ist,
etwas von ihrer Cultur angenommen hat, unter deren Wucht aber verkümmert.
Gleich wie ihre Hütten halb ans Lehm und Bretern, halb aus Baumrinde, Matten
und Thierfellen bestehen, so ist auch ihre Bildung ein ärmliches Flickwerk ans müh¬
sam angelernten Sitten und Einrichtungen der Weißen und aus wildem, ungezähn-
ten Natursinn. Sie verzehre" sich in dumpfem Sehnen nach Freiheit, und nach
wenigen Jahrzehnten wird auch der letzte verschwunden sein. Selbst im Westen der
Vereinigten Staaten muß man erst viele Tage lang den Missouri oder obern Missi-
sippi hinnnfsahrcn, um in die Nähe der freien Indianer zu gelangen. Noch er¬
innern überall diese wild flutenden Riesenstrome und ihre Ufcrlandschaften an die
Wilden. Erst vor einem Menschenalter wurden ihnen diese weiten Strecken abge-
kauft. Noch liegt der Schimmer und die Frische der jungen Natur über der Ge¬
gend ausgebreitet. Doch wie selten zeigt sich das Dach eines Wigwam am hohen
Uferrande oder fleht man dort in der Abenddämmerung einen Indianer stehen, der
stumm in seine Decke gehüllt auf das flutende Gewässer und das vvrüberbrauscnde
Dampfschiff hinstarrt. Einzelne armselige Familien sind zurückgeblieben, die Stämme,
zu denen sie gehörten, sind schon tiefer im Westen, weit weg von den Ufern der
großen Ströme. ,

Auf dem Wege zu diesen Stämmen nimmt der Reisende die ersten Nachtlager
in den Blockhütten der Hinterwäldler und Jäger, die oft stundenweit voneinander
wohnen. Ihre schweigsame Natur bereitet vor auf die Einöde, wo alle Cultur
schweigt. Halbindianer, ebenso häßliche als verachtete Menschen, durchtriebene Händ¬
ler, welche den Indianern Branntwein, Fuhrleute, welche den Forts Lebensmittel
zuführen, hin und wieder kleine Jagdzüge von Offizieren ans den Forts, oder
einzelne streifende Jäger, -- das sind die Figuren, welche die weiten Prairien des
Grenzgebietes sparsam beleben. Hinter dem Grenzgebiete, namentlich um Flußübcr-
gängcn und längs den großen Handelsstraßen nach Kalifornien und. Mexico hat die
Regierung an einzelnen Punkten kleine Forts errichtet, große feste Blockhäuser mit
einer Umzäunung von hohen Palissaden, in welchen ein paar Schwadronen Dra¬
goner in Garnison liegen, um die Indianer im Zaume zu halten. In diesen Forts
wohnen die Intendanten, -- Regierungsbeamte, welche den Handel mit den India¬
nern leiten und überwachen, und ihnen zu bestimmten Zeiten im Jahre die Gelder,



') Wir glauben dies schöne, stofflich wie stilistisch gleich ausgezeichnete Wert. unsern
Lesern am besten durch den obigen Auszug aus einem Capitel zu empfehlen. Ter weitere
Inhalt ist: Handelsvölker der Gegenwart; Neuyork; Boston, Philadelphia; auf den Grenze"
der Anstcdlungen. Culturpionire, junge Städte im Westen Nordamerikas; auf dem Michi-
gan-, Huron- und Eriesee. Ein Tag wieder in Europa.
Land und Leute in der neuen Welt wu Löhr.

Land und Leute in der alten und neuen Welt. Reiseskizzen von Franz Löser.
Z, Bd. Göttingen, Wigand.*) —

Zu den kräftigsten wilden Stämmen gehören die Indianer im Gebiet der Ver¬
einigten Staaten. In den vorder» U»lo»sgcbicte» stößt man nur noch lehr selten
auf ein Häuflein Indianer, welches mitten unter den Weißen sitzen geblieben ist,
etwas von ihrer Cultur angenommen hat, unter deren Wucht aber verkümmert.
Gleich wie ihre Hütten halb ans Lehm und Bretern, halb aus Baumrinde, Matten
und Thierfellen bestehen, so ist auch ihre Bildung ein ärmliches Flickwerk ans müh¬
sam angelernten Sitten und Einrichtungen der Weißen und aus wildem, ungezähn-
ten Natursinn. Sie verzehre» sich in dumpfem Sehnen nach Freiheit, und nach
wenigen Jahrzehnten wird auch der letzte verschwunden sein. Selbst im Westen der
Vereinigten Staaten muß man erst viele Tage lang den Missouri oder obern Missi-
sippi hinnnfsahrcn, um in die Nähe der freien Indianer zu gelangen. Noch er¬
innern überall diese wild flutenden Riesenstrome und ihre Ufcrlandschaften an die
Wilden. Erst vor einem Menschenalter wurden ihnen diese weiten Strecken abge-
kauft. Noch liegt der Schimmer und die Frische der jungen Natur über der Ge¬
gend ausgebreitet. Doch wie selten zeigt sich das Dach eines Wigwam am hohen
Uferrande oder fleht man dort in der Abenddämmerung einen Indianer stehen, der
stumm in seine Decke gehüllt auf das flutende Gewässer und das vvrüberbrauscnde
Dampfschiff hinstarrt. Einzelne armselige Familien sind zurückgeblieben, die Stämme,
zu denen sie gehörten, sind schon tiefer im Westen, weit weg von den Ufern der
großen Ströme. ,

Auf dem Wege zu diesen Stämmen nimmt der Reisende die ersten Nachtlager
in den Blockhütten der Hinterwäldler und Jäger, die oft stundenweit voneinander
wohnen. Ihre schweigsame Natur bereitet vor auf die Einöde, wo alle Cultur
schweigt. Halbindianer, ebenso häßliche als verachtete Menschen, durchtriebene Händ¬
ler, welche den Indianern Branntwein, Fuhrleute, welche den Forts Lebensmittel
zuführen, hin und wieder kleine Jagdzüge von Offizieren ans den Forts, oder
einzelne streifende Jäger, — das sind die Figuren, welche die weiten Prairien des
Grenzgebietes sparsam beleben. Hinter dem Grenzgebiete, namentlich um Flußübcr-
gängcn und längs den großen Handelsstraßen nach Kalifornien und. Mexico hat die
Regierung an einzelnen Punkten kleine Forts errichtet, große feste Blockhäuser mit
einer Umzäunung von hohen Palissaden, in welchen ein paar Schwadronen Dra¬
goner in Garnison liegen, um die Indianer im Zaume zu halten. In diesen Forts
wohnen die Intendanten, — Regierungsbeamte, welche den Handel mit den India¬
nern leiten und überwachen, und ihnen zu bestimmten Zeiten im Jahre die Gelder,



') Wir glauben dies schöne, stofflich wie stilistisch gleich ausgezeichnete Wert. unsern
Lesern am besten durch den obigen Auszug aus einem Capitel zu empfehlen. Ter weitere
Inhalt ist: Handelsvölker der Gegenwart; Neuyork; Boston, Philadelphia; auf den Grenze»
der Anstcdlungen. Culturpionire, junge Städte im Westen Nordamerikas; auf dem Michi-
gan-, Huron- und Eriesee. Ein Tag wieder in Europa.
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[0437] Land und Leute in der neuen Welt wu Löhr. Land und Leute in der alten und neuen Welt. Reiseskizzen von Franz Löser. Z, Bd. Göttingen, Wigand.*) — Zu den kräftigsten wilden Stämmen gehören die Indianer im Gebiet der Ver¬ einigten Staaten. In den vorder» U»lo»sgcbicte» stößt man nur noch lehr selten auf ein Häuflein Indianer, welches mitten unter den Weißen sitzen geblieben ist, etwas von ihrer Cultur angenommen hat, unter deren Wucht aber verkümmert. Gleich wie ihre Hütten halb ans Lehm und Bretern, halb aus Baumrinde, Matten und Thierfellen bestehen, so ist auch ihre Bildung ein ärmliches Flickwerk ans müh¬ sam angelernten Sitten und Einrichtungen der Weißen und aus wildem, ungezähn- ten Natursinn. Sie verzehre» sich in dumpfem Sehnen nach Freiheit, und nach wenigen Jahrzehnten wird auch der letzte verschwunden sein. Selbst im Westen der Vereinigten Staaten muß man erst viele Tage lang den Missouri oder obern Missi- sippi hinnnfsahrcn, um in die Nähe der freien Indianer zu gelangen. Noch er¬ innern überall diese wild flutenden Riesenstrome und ihre Ufcrlandschaften an die Wilden. Erst vor einem Menschenalter wurden ihnen diese weiten Strecken abge- kauft. Noch liegt der Schimmer und die Frische der jungen Natur über der Ge¬ gend ausgebreitet. Doch wie selten zeigt sich das Dach eines Wigwam am hohen Uferrande oder fleht man dort in der Abenddämmerung einen Indianer stehen, der stumm in seine Decke gehüllt auf das flutende Gewässer und das vvrüberbrauscnde Dampfschiff hinstarrt. Einzelne armselige Familien sind zurückgeblieben, die Stämme, zu denen sie gehörten, sind schon tiefer im Westen, weit weg von den Ufern der großen Ströme. , Auf dem Wege zu diesen Stämmen nimmt der Reisende die ersten Nachtlager in den Blockhütten der Hinterwäldler und Jäger, die oft stundenweit voneinander wohnen. Ihre schweigsame Natur bereitet vor auf die Einöde, wo alle Cultur schweigt. Halbindianer, ebenso häßliche als verachtete Menschen, durchtriebene Händ¬ ler, welche den Indianern Branntwein, Fuhrleute, welche den Forts Lebensmittel zuführen, hin und wieder kleine Jagdzüge von Offizieren ans den Forts, oder einzelne streifende Jäger, — das sind die Figuren, welche die weiten Prairien des Grenzgebietes sparsam beleben. Hinter dem Grenzgebiete, namentlich um Flußübcr- gängcn und längs den großen Handelsstraßen nach Kalifornien und. Mexico hat die Regierung an einzelnen Punkten kleine Forts errichtet, große feste Blockhäuser mit einer Umzäunung von hohen Palissaden, in welchen ein paar Schwadronen Dra¬ goner in Garnison liegen, um die Indianer im Zaume zu halten. In diesen Forts wohnen die Intendanten, — Regierungsbeamte, welche den Handel mit den India¬ nern leiten und überwachen, und ihnen zu bestimmten Zeiten im Jahre die Gelder, ') Wir glauben dies schöne, stofflich wie stilistisch gleich ausgezeichnete Wert. unsern Lesern am besten durch den obigen Auszug aus einem Capitel zu empfehlen. Ter weitere Inhalt ist: Handelsvölker der Gegenwart; Neuyork; Boston, Philadelphia; auf den Grenze» der Anstcdlungen. Culturpionire, junge Städte im Westen Nordamerikas; auf dem Michi- gan-, Huron- und Eriesee. Ein Tag wieder in Europa.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_186412/437>, abgerufen am 21.12.2024.