Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

sein Glanz ist hin, seine Dividenden sind vorbei, er selbst ist verurtheilt. Und
nicht die Schadenfreude, daß deur so geworden, ists, die wir hier aussprechen,
sondern die Genugthuung darüber, daß Ehrlichfeit doch "am längsten währt/' - -


G. C.


Zohmmes von Müller und seine Zeit.
7.
Bis zur Schlacht bei Jena.

Als Müller sich in Berlin niederließ, geschah es mit dem festen Vorhaben,
ausschließlich seinen wissenschaftlichen Arbeiten zu leben, indeß hatte ihm der
consequente Haß gegen die Universalmonarchie in all seinen Schriften bei
der antifranzösischen Partei ein nicht geringes Ansehen verschafft, und man
glaubte um so sicherer auf ihn zählen zu dürfen, je drohender von Westen
her der Sturm sich näherte. Seine Gesinnung und sein Ruhm hatte ihm
1799 die Freundschaft des jungen Erzherzog Johann erworben, der unter
allen Gliedern der kaiserlichen Familie am entschiedensten die Ueberzeugung
hegte, daß Oestreich nur als Träger der deutschen Sache groß werden könne.
Mit seinem Cabinet ziemlich zerfallen, verdachte er Müller seine Entfernung
aus Oestreich nicht, er sprach sich vielmehr Sept. 1804 billigend darüber
aus: Müller sollte der Vermittler zwischen der nationalen Partei in Preußen
und Oestreich sein. Der Träger dieser Gesinnung, der das damalige preußische
Eabinet ebenso fern stand wie das östreichische, war der jüngere Theil der
Armee; hauptsächlich aber Prinz Louis Ferdinand, der und seinem genial¬
excentrischen Wesen gegen die knappen Formen des preußischen Staatslebens
einen viel schrofferen Gegensatz bildete als Erzherzog Johann gegen seine
schwerfälligen Landsleute. An diesen Prinzen schloß sich Müller an, und da
ihm nichts so sehr imponirte, als das was er am wenigsten besaß, ein
jugendlich übersprudelnder, womöglich durch aristokratische Formen getragener
Uebermuth, so stimmte er sehr bald in den herausfordernden Ton dieser
Kreise mit einem Eifer ein, für den sich seine Persönlichkeit nicht schickte. Die
Anhänger der französischen Parder, die Buchhholz. Bülow. Massenbach
u. f. w. versäumten nicht diese Lächerlichkeit nach Kräften auszubeuten, und
das Schlimmste war, daß seine gutmüthige vielseitige Empfänglichkeit und seine
krankhafte Bcifallsliebe ihn verleiteten, auch dieser Partei nicht ganz fern zu
bleiben. Namentlich mit Woltmann ließ er sich in nähere Verbindung ein,


43 *

sein Glanz ist hin, seine Dividenden sind vorbei, er selbst ist verurtheilt. Und
nicht die Schadenfreude, daß deur so geworden, ists, die wir hier aussprechen,
sondern die Genugthuung darüber, daß Ehrlichfeit doch „am längsten währt/' - -


G. C.


Zohmmes von Müller und seine Zeit.
7.
Bis zur Schlacht bei Jena.

Als Müller sich in Berlin niederließ, geschah es mit dem festen Vorhaben,
ausschließlich seinen wissenschaftlichen Arbeiten zu leben, indeß hatte ihm der
consequente Haß gegen die Universalmonarchie in all seinen Schriften bei
der antifranzösischen Partei ein nicht geringes Ansehen verschafft, und man
glaubte um so sicherer auf ihn zählen zu dürfen, je drohender von Westen
her der Sturm sich näherte. Seine Gesinnung und sein Ruhm hatte ihm
1799 die Freundschaft des jungen Erzherzog Johann erworben, der unter
allen Gliedern der kaiserlichen Familie am entschiedensten die Ueberzeugung
hegte, daß Oestreich nur als Träger der deutschen Sache groß werden könne.
Mit seinem Cabinet ziemlich zerfallen, verdachte er Müller seine Entfernung
aus Oestreich nicht, er sprach sich vielmehr Sept. 1804 billigend darüber
aus: Müller sollte der Vermittler zwischen der nationalen Partei in Preußen
und Oestreich sein. Der Träger dieser Gesinnung, der das damalige preußische
Eabinet ebenso fern stand wie das östreichische, war der jüngere Theil der
Armee; hauptsächlich aber Prinz Louis Ferdinand, der und seinem genial¬
excentrischen Wesen gegen die knappen Formen des preußischen Staatslebens
einen viel schrofferen Gegensatz bildete als Erzherzog Johann gegen seine
schwerfälligen Landsleute. An diesen Prinzen schloß sich Müller an, und da
ihm nichts so sehr imponirte, als das was er am wenigsten besaß, ein
jugendlich übersprudelnder, womöglich durch aristokratische Formen getragener
Uebermuth, so stimmte er sehr bald in den herausfordernden Ton dieser
Kreise mit einem Eifer ein, für den sich seine Persönlichkeit nicht schickte. Die
Anhänger der französischen Parder, die Buchhholz. Bülow. Massenbach
u. f. w. versäumten nicht diese Lächerlichkeit nach Kräften auszubeuten, und
das Schlimmste war, daß seine gutmüthige vielseitige Empfänglichkeit und seine
krankhafte Bcifallsliebe ihn verleiteten, auch dieser Partei nicht ganz fern zu
bleiben. Namentlich mit Woltmann ließ er sich in nähere Verbindung ein,


43 *
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0347" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/186759"/>
          <p xml:id="ID_793" prev="#ID_792"> sein Glanz ist hin, seine Dividenden sind vorbei, er selbst ist verurtheilt. Und<lb/>
nicht die Schadenfreude, daß deur so geworden, ists, die wir hier aussprechen,<lb/>
sondern die Genugthuung darüber, daß Ehrlichfeit doch &#x201E;am längsten währt/' - -</p><lb/>
          <note type="byline"> G. C.</note><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Zohmmes von Müller und seine Zeit.</head><lb/>
          <div n="2">
            <head> 7.<lb/>
Bis zur Schlacht bei Jena.</head><lb/>
            <p xml:id="ID_794" next="#ID_795"> Als Müller sich in Berlin niederließ, geschah es mit dem festen Vorhaben,<lb/>
ausschließlich seinen wissenschaftlichen Arbeiten zu leben, indeß hatte ihm der<lb/>
consequente Haß gegen die Universalmonarchie in all seinen Schriften bei<lb/>
der antifranzösischen Partei ein nicht geringes Ansehen verschafft, und man<lb/>
glaubte um so sicherer auf ihn zählen zu dürfen, je drohender von Westen<lb/>
her der Sturm sich näherte. Seine Gesinnung und sein Ruhm hatte ihm<lb/>
1799 die Freundschaft des jungen Erzherzog Johann erworben, der unter<lb/>
allen Gliedern der kaiserlichen Familie am entschiedensten die Ueberzeugung<lb/>
hegte, daß Oestreich nur als Träger der deutschen Sache groß werden könne.<lb/>
Mit seinem Cabinet ziemlich zerfallen, verdachte er Müller seine Entfernung<lb/>
aus Oestreich nicht, er sprach sich vielmehr Sept. 1804 billigend darüber<lb/>
aus: Müller sollte der Vermittler zwischen der nationalen Partei in Preußen<lb/>
und Oestreich sein. Der Träger dieser Gesinnung, der das damalige preußische<lb/>
Eabinet ebenso fern stand wie das östreichische, war der jüngere Theil der<lb/>
Armee; hauptsächlich aber Prinz Louis Ferdinand, der und seinem genial¬<lb/>
excentrischen Wesen gegen die knappen Formen des preußischen Staatslebens<lb/>
einen viel schrofferen Gegensatz bildete als Erzherzog Johann gegen seine<lb/>
schwerfälligen Landsleute. An diesen Prinzen schloß sich Müller an, und da<lb/>
ihm nichts so sehr imponirte, als das was er am wenigsten besaß, ein<lb/>
jugendlich übersprudelnder, womöglich durch aristokratische Formen getragener<lb/>
Uebermuth, so stimmte er sehr bald in den herausfordernden Ton dieser<lb/>
Kreise mit einem Eifer ein, für den sich seine Persönlichkeit nicht schickte. Die<lb/>
Anhänger der französischen Parder, die Buchhholz. Bülow. Massenbach<lb/>
u. f. w. versäumten nicht diese Lächerlichkeit nach Kräften auszubeuten, und<lb/>
das Schlimmste war, daß seine gutmüthige vielseitige Empfänglichkeit und seine<lb/>
krankhafte Bcifallsliebe ihn verleiteten, auch dieser Partei nicht ganz fern zu<lb/>
bleiben.  Namentlich mit Woltmann ließ er sich in nähere Verbindung ein,</p><lb/>
            <fw type="sig" place="bottom"> 43 *</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0347] sein Glanz ist hin, seine Dividenden sind vorbei, er selbst ist verurtheilt. Und nicht die Schadenfreude, daß deur so geworden, ists, die wir hier aussprechen, sondern die Genugthuung darüber, daß Ehrlichfeit doch „am längsten währt/' - - G. C. Zohmmes von Müller und seine Zeit. 7. Bis zur Schlacht bei Jena. Als Müller sich in Berlin niederließ, geschah es mit dem festen Vorhaben, ausschließlich seinen wissenschaftlichen Arbeiten zu leben, indeß hatte ihm der consequente Haß gegen die Universalmonarchie in all seinen Schriften bei der antifranzösischen Partei ein nicht geringes Ansehen verschafft, und man glaubte um so sicherer auf ihn zählen zu dürfen, je drohender von Westen her der Sturm sich näherte. Seine Gesinnung und sein Ruhm hatte ihm 1799 die Freundschaft des jungen Erzherzog Johann erworben, der unter allen Gliedern der kaiserlichen Familie am entschiedensten die Ueberzeugung hegte, daß Oestreich nur als Träger der deutschen Sache groß werden könne. Mit seinem Cabinet ziemlich zerfallen, verdachte er Müller seine Entfernung aus Oestreich nicht, er sprach sich vielmehr Sept. 1804 billigend darüber aus: Müller sollte der Vermittler zwischen der nationalen Partei in Preußen und Oestreich sein. Der Träger dieser Gesinnung, der das damalige preußische Eabinet ebenso fern stand wie das östreichische, war der jüngere Theil der Armee; hauptsächlich aber Prinz Louis Ferdinand, der und seinem genial¬ excentrischen Wesen gegen die knappen Formen des preußischen Staatslebens einen viel schrofferen Gegensatz bildete als Erzherzog Johann gegen seine schwerfälligen Landsleute. An diesen Prinzen schloß sich Müller an, und da ihm nichts so sehr imponirte, als das was er am wenigsten besaß, ein jugendlich übersprudelnder, womöglich durch aristokratische Formen getragener Uebermuth, so stimmte er sehr bald in den herausfordernden Ton dieser Kreise mit einem Eifer ein, für den sich seine Persönlichkeit nicht schickte. Die Anhänger der französischen Parder, die Buchhholz. Bülow. Massenbach u. f. w. versäumten nicht diese Lächerlichkeit nach Kräften auszubeuten, und das Schlimmste war, daß seine gutmüthige vielseitige Empfänglichkeit und seine krankhafte Bcifallsliebe ihn verleiteten, auch dieser Partei nicht ganz fern zu bleiben. Namentlich mit Woltmann ließ er sich in nähere Verbindung ein, 43 *

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_186412
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_186412/347
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_186412/347>, abgerufen am 30.12.2024.