Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band.und dieser berief sich fast in jedem Heft seines Journals auf die Autorität Seit dem Ende des Jahres 1803 verweilte Gentz in Wien in der selt¬ und dieser berief sich fast in jedem Heft seines Journals auf die Autorität Seit dem Ende des Jahres 1803 verweilte Gentz in Wien in der selt¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0348" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/186760"/> <p xml:id="ID_795" prev="#ID_794"> und dieser berief sich fast in jedem Heft seines Journals auf die Autorität<lb/> des deutschen Tncitus. In seiner officiellen Haltung dagegen stützte sich<lb/> Müller beständig auf die Manifeste von 1797, und suchte Preußen zum<lb/> Kampf gegen den Tyrannen aufzuregen. Sa auch in seiner Eorrespondenz mit<lb/> dem Erzherzog. Dieser Fürst hat unter den unglücklichen Verwicklungen des<lb/> Jahres 1848 so viel gelitten, daß es eine Pflicht der Gerechtigkeit ist. die<lb/> Nation auf sein Verhalten während der Krisis von 1804 — 1807 aufmerksam<lb/> zu machen. Liest man aufmerksam seine Briefe, so wird man nicht blos<lb/> seiner patriotischen Gesinnung, sondern auch seiner politischen Einsicht auf¬<lb/> richtige Verehrung zollen. Fast aus jedem Moment jeuer Krisis (8. Dec. 1804,<lb/> 20. Fcb. 1805, l. Aug. 1805, 10. Juli 180K) findet sich ein sehr ausführlich<lb/> eingehender Bericht. Der Erzherzog geht von einem Gedanken aus, der da¬<lb/> mals nicht auf der Hand lag: daß die friedliche Entwicklung Europas haupt¬<lb/> sächlich durch die Möglichkeit einer russisch-französischen Allianz bedroht werde.<lb/> Dieser Gefahr zu begegnen sei nur eine feste Vereinigung zwischen Oestreich<lb/> und Preußen im Stande. Der östreichische Prinz spricht sich mit einer seltenen<lb/> Unbefangenheit aus. Das Einverständnis; zwischen den beiden Mächten wird<lb/> nach ihm hauptsächlich dadurch beeinträchtigt, daß Preußen sich an Macht<lb/> seinem Nebenbuhler nicht gleich fühlt und ihn daher mit Eifersucht betrachtet:<lb/> es liege im wohlverstandenen Interesse Oestreichs, die Vergrößerung Preu¬<lb/> ßens zu wünschen, und nach Kräften dazu beizutragen.</p><lb/> <p xml:id="ID_796" next="#ID_797"> Seit dem Ende des Jahres 1803 verweilte Gentz in Wien in der selt¬<lb/> samsten Stellung von der Welt. Er war im östreichischen Staatsdienst<lb/> mit einem ziemlich ansehnlichen Gehalt, aber ohne bestimmtes Geschäft; zu¬<lb/> gleich empfing er von England sehr reiche Unterstützungen und doch war er<lb/> in dem Hauptzweck seines Lebens, eine europäische Evalition gegen die drohende<lb/> Weltmonarchie zu Stande zu bringen, von einer so großen Unabhängigkeit, daß<lb/> er gegen die sanmselige östreichische Negierung eine rücksichtslose leidenschaftliche<lb/> Opposition machte. Er ließ sich fürstlich bezahlen, aber das hatte auf seine<lb/> Gesinnung feinen Einfluß. Auch er setzte für Oestreich seine Hoffnung haupt¬<lb/> sächlich auf den Erzherzog Johann, auch er unterhielt die Verbindungen mit<lb/> dem Prinzen Louis Ferdinand, dem 'er bei seinem frühern Aufenthalt in Ber¬<lb/> lin in wilden Orgien wie in geistvollen Zirkeln begegnet war. Mit Müller,<lb/> dessen Stil er enthusiastisch verehrte und gelegentlich anch wol nachahmte.<lb/> stand er schon seit 17W in literarischer Verbindung; er hatte auch bei seiner<lb/> Ankunft in Wien, obgleich nicht häusig mit ihm verkehrt und hielt jetzt den<lb/> Zeitpunkt für gekommen, wo durch ein gemeinsames Wirken an den Höfen<lb/> die große Sache in Angriff genommen werden müsse. Am et. Sept. 1804<lb/> überreichte er dem Erzherzog eine Denkschrift, in welcher er auf die Gefahr<lb/> einer russisch-französischen Allianz aufmerksam macht. Es sei den deutschen</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0348]
und dieser berief sich fast in jedem Heft seines Journals auf die Autorität
des deutschen Tncitus. In seiner officiellen Haltung dagegen stützte sich
Müller beständig auf die Manifeste von 1797, und suchte Preußen zum
Kampf gegen den Tyrannen aufzuregen. Sa auch in seiner Eorrespondenz mit
dem Erzherzog. Dieser Fürst hat unter den unglücklichen Verwicklungen des
Jahres 1848 so viel gelitten, daß es eine Pflicht der Gerechtigkeit ist. die
Nation auf sein Verhalten während der Krisis von 1804 — 1807 aufmerksam
zu machen. Liest man aufmerksam seine Briefe, so wird man nicht blos
seiner patriotischen Gesinnung, sondern auch seiner politischen Einsicht auf¬
richtige Verehrung zollen. Fast aus jedem Moment jeuer Krisis (8. Dec. 1804,
20. Fcb. 1805, l. Aug. 1805, 10. Juli 180K) findet sich ein sehr ausführlich
eingehender Bericht. Der Erzherzog geht von einem Gedanken aus, der da¬
mals nicht auf der Hand lag: daß die friedliche Entwicklung Europas haupt¬
sächlich durch die Möglichkeit einer russisch-französischen Allianz bedroht werde.
Dieser Gefahr zu begegnen sei nur eine feste Vereinigung zwischen Oestreich
und Preußen im Stande. Der östreichische Prinz spricht sich mit einer seltenen
Unbefangenheit aus. Das Einverständnis; zwischen den beiden Mächten wird
nach ihm hauptsächlich dadurch beeinträchtigt, daß Preußen sich an Macht
seinem Nebenbuhler nicht gleich fühlt und ihn daher mit Eifersucht betrachtet:
es liege im wohlverstandenen Interesse Oestreichs, die Vergrößerung Preu¬
ßens zu wünschen, und nach Kräften dazu beizutragen.
Seit dem Ende des Jahres 1803 verweilte Gentz in Wien in der selt¬
samsten Stellung von der Welt. Er war im östreichischen Staatsdienst
mit einem ziemlich ansehnlichen Gehalt, aber ohne bestimmtes Geschäft; zu¬
gleich empfing er von England sehr reiche Unterstützungen und doch war er
in dem Hauptzweck seines Lebens, eine europäische Evalition gegen die drohende
Weltmonarchie zu Stande zu bringen, von einer so großen Unabhängigkeit, daß
er gegen die sanmselige östreichische Negierung eine rücksichtslose leidenschaftliche
Opposition machte. Er ließ sich fürstlich bezahlen, aber das hatte auf seine
Gesinnung feinen Einfluß. Auch er setzte für Oestreich seine Hoffnung haupt¬
sächlich auf den Erzherzog Johann, auch er unterhielt die Verbindungen mit
dem Prinzen Louis Ferdinand, dem 'er bei seinem frühern Aufenthalt in Ber¬
lin in wilden Orgien wie in geistvollen Zirkeln begegnet war. Mit Müller,
dessen Stil er enthusiastisch verehrte und gelegentlich anch wol nachahmte.
stand er schon seit 17W in literarischer Verbindung; er hatte auch bei seiner
Ankunft in Wien, obgleich nicht häusig mit ihm verkehrt und hielt jetzt den
Zeitpunkt für gekommen, wo durch ein gemeinsames Wirken an den Höfen
die große Sache in Angriff genommen werden müsse. Am et. Sept. 1804
überreichte er dem Erzherzog eine Denkschrift, in welcher er auf die Gefahr
einer russisch-französischen Allianz aufmerksam macht. Es sei den deutschen
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