Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band.-Es gibt aber noch schlechtere Menschen, die. welche behaupten, es sei "Der Credit-Mobilier durch sich selbst gerichtet", das sollteeigentlich der -Es gibt aber noch schlechtere Menschen, die. welche behaupten, es sei „Der Credit-Mobilier durch sich selbst gerichtet", das sollteeigentlich der <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0346" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/186758"/> <p xml:id="ID_791"> -Es gibt aber noch schlechtere Menschen, die. welche behaupten, es sei<lb/> gar keine Dividende von ? Pet. da; man habe einzelne Papiere im Porte¬<lb/> feuille des Credit-Mobilier nur seit December v, I, derartig künstlich hinauf¬<lb/> geschraubt, daß ihr jetziger Cours ganz unpassend hoch stände. Der ganze<lb/> angebliche Gewinn sei also nichts als eine große Seifenblase. Französische<lb/> Blätter dursten freilich solche Vermuthungen gar nicht ausstellen, aber in deut¬<lb/> schen Zeitungen hat man sich Lust gemacht. Die Verwaltung des Credit-<lb/> Mobilier ist jedoch nicht verpflichtet, deutsche Zeitungen zu lesen, und hat es<lb/> wol nur darum unterlassen, diese Annahme als unbegründet, Mißtrauen ein¬<lb/> flößend und allgemein landesvcrdcrblich zu schildern und also auch natürlich<lb/> zu widerlegen.^</p><lb/> <p xml:id="ID_792" next="#ID_793"> „Der Credit-Mobilier durch sich selbst gerichtet", das sollteeigentlich der<lb/> Titel des diesjährigen Berichtes sein; denn wer erst durch ihn um eine Täu¬<lb/> schung reicher geworden ist, der wird sicher nicht die letzte in seinem Leben<lb/> durchgemacht haben. All diese Wendungen, alle diese Entschuldigungen, diese<lb/> Drohungen, diese Versprechen Pflichtgefühl, Unternehmungsgeist, die ganze<lb/> Olla Potrida von abgedroschenen Phrasen und unsinnigen Voraussetzungen dieses<lb/> Berichts, es ist das Stammeln des abgefangenen Sünders, ehe er sich zu einem<lb/> aufrichtigen Bekenntniß entschließen mag. Wenn nur nicht die Thatsachen so<lb/> sehr gegen ihn sprächen, die schrecklichen Thatsachen, die Zahlen, der Mangel<lb/> eines Ergebnisses, o wie wollte er »och flunkern, daß er stets ein braver<lb/> Mann gewesen sei, der zu den schönsten Hoffnungen für die Zukunft berech¬<lb/> tige. Er gesteht freilich nicht unumwunden ein, er hat noch immer schöne<lb/> Hoffnungen; aber du lieber Gott, wie matt ist die Sprechweise, wie tonlos<lb/> die Stimme. Ueber ein Kleines und er wird noch mehr zugestehen, und thut<lb/> ers nicht, die Thatsachen werden gegen ihn reden. Es hat von jeher Leute<lb/> gegeben, welche die leichtgläubige Thorheit, die jagende Gewinnsucht ihrer<lb/> Zeitgenossen im eignen Interesse ausgebeutet haben; auch hat sich keiner von<lb/> ihnen dabei gescheut, patriotische und andere anständige Motive scheinbar<lb/> voranzustellen; aber dagewesen ists bisher noch nicht, daß in einem neuen<lb/> derartigen Institut aller menschliche Fortschritt in Gesellschaft, Handel und Ge¬<lb/> werbe verkörpert und dabei die Gesetze der alltäglichen Moral ganz und gar<lb/> verschoben werden sollten. Chre ohne Auszeichnung, Gewinn ohne Arbeit,<lb/> Genuß ohne Anstrengung, nirgend Verantwortlichkeit, alles Zufall oder Ueber-<lb/> rumpelung durch den schlauem, durch dergleichen in eine Art System gebracht<lb/> sollte die Welt reorganisirt werden. Auf dem politischen und dem religiösen<lb/> Gebiete können ähnliche Täuschungen länger anhalten, weil das menschliche<lb/> Gemüth und der menschliche Geist nicht einfachen und nicht immer denselben<lb/> Impulsen folgen, um desto schneller rächen sie sich aber auf dem wirthschaft¬<lb/> lichen. Möge der Credit-Mobilier auch noch einige Zeit sein Dasein fristen.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0346]
-Es gibt aber noch schlechtere Menschen, die. welche behaupten, es sei
gar keine Dividende von ? Pet. da; man habe einzelne Papiere im Porte¬
feuille des Credit-Mobilier nur seit December v, I, derartig künstlich hinauf¬
geschraubt, daß ihr jetziger Cours ganz unpassend hoch stände. Der ganze
angebliche Gewinn sei also nichts als eine große Seifenblase. Französische
Blätter dursten freilich solche Vermuthungen gar nicht ausstellen, aber in deut¬
schen Zeitungen hat man sich Lust gemacht. Die Verwaltung des Credit-
Mobilier ist jedoch nicht verpflichtet, deutsche Zeitungen zu lesen, und hat es
wol nur darum unterlassen, diese Annahme als unbegründet, Mißtrauen ein¬
flößend und allgemein landesvcrdcrblich zu schildern und also auch natürlich
zu widerlegen.^
„Der Credit-Mobilier durch sich selbst gerichtet", das sollteeigentlich der
Titel des diesjährigen Berichtes sein; denn wer erst durch ihn um eine Täu¬
schung reicher geworden ist, der wird sicher nicht die letzte in seinem Leben
durchgemacht haben. All diese Wendungen, alle diese Entschuldigungen, diese
Drohungen, diese Versprechen Pflichtgefühl, Unternehmungsgeist, die ganze
Olla Potrida von abgedroschenen Phrasen und unsinnigen Voraussetzungen dieses
Berichts, es ist das Stammeln des abgefangenen Sünders, ehe er sich zu einem
aufrichtigen Bekenntniß entschließen mag. Wenn nur nicht die Thatsachen so
sehr gegen ihn sprächen, die schrecklichen Thatsachen, die Zahlen, der Mangel
eines Ergebnisses, o wie wollte er »och flunkern, daß er stets ein braver
Mann gewesen sei, der zu den schönsten Hoffnungen für die Zukunft berech¬
tige. Er gesteht freilich nicht unumwunden ein, er hat noch immer schöne
Hoffnungen; aber du lieber Gott, wie matt ist die Sprechweise, wie tonlos
die Stimme. Ueber ein Kleines und er wird noch mehr zugestehen, und thut
ers nicht, die Thatsachen werden gegen ihn reden. Es hat von jeher Leute
gegeben, welche die leichtgläubige Thorheit, die jagende Gewinnsucht ihrer
Zeitgenossen im eignen Interesse ausgebeutet haben; auch hat sich keiner von
ihnen dabei gescheut, patriotische und andere anständige Motive scheinbar
voranzustellen; aber dagewesen ists bisher noch nicht, daß in einem neuen
derartigen Institut aller menschliche Fortschritt in Gesellschaft, Handel und Ge¬
werbe verkörpert und dabei die Gesetze der alltäglichen Moral ganz und gar
verschoben werden sollten. Chre ohne Auszeichnung, Gewinn ohne Arbeit,
Genuß ohne Anstrengung, nirgend Verantwortlichkeit, alles Zufall oder Ueber-
rumpelung durch den schlauem, durch dergleichen in eine Art System gebracht
sollte die Welt reorganisirt werden. Auf dem politischen und dem religiösen
Gebiete können ähnliche Täuschungen länger anhalten, weil das menschliche
Gemüth und der menschliche Geist nicht einfachen und nicht immer denselben
Impulsen folgen, um desto schneller rächen sie sich aber auf dem wirthschaft¬
lichen. Möge der Credit-Mobilier auch noch einige Zeit sein Dasein fristen.
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