Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band.Die Verstandeskräfte und Intelligenz der Bewohner an der Haardt sind Die Rtibenzuckerstener. Der Zollvcrcinsvcrtrag über die Erhöhung der Rübcnzuckersteucr ist nach langen Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß der Zucker als ein allgemein ver¬ Die Verstandeskräfte und Intelligenz der Bewohner an der Haardt sind Die Rtibenzuckerstener. Der Zollvcrcinsvcrtrag über die Erhöhung der Rübcnzuckersteucr ist nach langen Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß der Zucker als ein allgemein ver¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0166" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/186578"/> <p xml:id="ID_369"> Die Verstandeskräfte und Intelligenz der Bewohner an der Haardt sind<lb/> aber auch von dem Westrich sowol als von der Ebene anerkannt, und man<lb/> könnte lauter „Notare" aus den Bauern an der Haardt machen, sagte mir<lb/> einmal ein Jude aus dem Gau. Jedoch spöttelt man auch über die „Krischer",<lb/> über die auf ihre Gescheitheit stolzen Haardtbewohncr mit ihrem „großen<lb/> Maul" und ihren „Einbildungen". Da wird erzählt, bei einer großen Volks¬<lb/> versammlung sei einmal gesagt worden, daß der Gescheidteste seinen Kopf<lb/> verlieren müsse; da liefen alle Neustädter eilends davon, denn jeder hielt sich<lb/> sür diesen Unglücklichen. —</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Die Rtibenzuckerstener.</head><lb/> <p xml:id="ID_370"> Der Zollvcrcinsvcrtrag über die Erhöhung der Rübcnzuckersteucr ist nach langen<lb/> Debatten und nach Annahme des Ncichcnspergcrschen Vcrbcsserungsantragcs, daß die<lb/> erzielte Mehreinnahme für die Verbesserung der Lage der Beamten verwendet werde,<lb/> vom preußischen Abgeordnetenhause mit 80 Stimmen Mehrheit genehmigt. Die Re¬<lb/> gierung hat nach langem Kampf gesiegt, einem Kampfe, der um so eigenthümlicher<lb/> war, als er das Kalcidoscop der bisherigen Partcistcllungcn plötzlich verrückt zu<lb/> haben schien, man sah die sonst stets verschwisterten finanziellen Größen der Linken<lb/> Kühne und Patow einander gegenüberstehen, Herr Diergardt, der Tabaksmonopolist<lb/> sprach gegen Schutzzölle und ein Theil der Rechten vergaß diesmal ihr „dennoch"<lb/> und stimmte gegen die Regierung. Der Grund hiervon scheint uns darin zu liegen,<lb/> daß aus der einen Seite Interessen und juristisch-moralische Motive gegen die Erhöhung<lb/> sprachen, daß auf der andern volkswirtschaftliche und namentlich finanzielle Erwägungen<lb/> dieselbe zu rechtfertigen schienen, vor allem aber, daß die Entscheidung den wesent¬<lb/> lichsten Einfluß aus die Stellung Preußens im Zollverein haben mußte. Wir<lb/> glauben, daß man bei einer finanziellen Frage auch stets den finanziellen Charakter<lb/> voranstellen muß und wollen deshalb damit unsre Erörterung beginnen.</p><lb/> <p xml:id="ID_371" next="#ID_372"> Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß der Zucker als ein allgemein ver¬<lb/> breitetes und doch nicht nothwendiges Genußmittel ein sehr geeigneter Gegenstand<lb/> der Bcsteurung ist. Bis vor etwa 20 Jahren hatte man in Deutschland hauptsächlich<lb/> nur Colonialzuckcr, der bei einem Zoll von 5 Thlr. p. Ein., einen Hauptposten der<lb/> Zollvcrcinseinkünftc lieferte; in den dreißiger Jahren begann die Rübcnzuckcrindustric<lb/> und hob sich rasch zu Bedeutung, sic hatte zuerst mit den Unvollkommenheiten eines<lb/> beginnenden Gewcrbszwciges zu kämpfen, aber sie hatte dem indischen Zucker gegen¬<lb/> über die Steuerfreiheit voraus. 1840 ward zuerst eine Cvntrolabgabe von drei Pfennigen<lb/> auf den Centner Rüben gelegt, 1844 ward daraus eine ordentliche Abgabe von<lb/> 1 Sgr. 6 Pf., die 1850 auf 3. 1856 auf K Sgr. stieg. Dessen ungeachtet hat<lb/> der Rübenzucker immer noch einen großen Stcucrvorsprung vor dem auslän¬<lb/> dischen Fabrikat, denn wenn nach der Denkschrift der Regierung 12^ Ce. Rüben<lb/> 1 Ce. Zucker geben, so ist die Steuer für letztern 2 Thlr. 2» Sgr., mithin 2 Thlr. 10 Sgr.<lb/> weniger als der Zollsatz auf eingeführtes Fabrikat. Infolge dieses Schutzzolles hat<lb/> sich denn auch die Rübcnzuckcrindustric, obwol sie bei jeder Steuerhöhung ihren</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0166]
Die Verstandeskräfte und Intelligenz der Bewohner an der Haardt sind
aber auch von dem Westrich sowol als von der Ebene anerkannt, und man
könnte lauter „Notare" aus den Bauern an der Haardt machen, sagte mir
einmal ein Jude aus dem Gau. Jedoch spöttelt man auch über die „Krischer",
über die auf ihre Gescheitheit stolzen Haardtbewohncr mit ihrem „großen
Maul" und ihren „Einbildungen". Da wird erzählt, bei einer großen Volks¬
versammlung sei einmal gesagt worden, daß der Gescheidteste seinen Kopf
verlieren müsse; da liefen alle Neustädter eilends davon, denn jeder hielt sich
sür diesen Unglücklichen. —
Die Rtibenzuckerstener.
Der Zollvcrcinsvcrtrag über die Erhöhung der Rübcnzuckersteucr ist nach langen
Debatten und nach Annahme des Ncichcnspergcrschen Vcrbcsserungsantragcs, daß die
erzielte Mehreinnahme für die Verbesserung der Lage der Beamten verwendet werde,
vom preußischen Abgeordnetenhause mit 80 Stimmen Mehrheit genehmigt. Die Re¬
gierung hat nach langem Kampf gesiegt, einem Kampfe, der um so eigenthümlicher
war, als er das Kalcidoscop der bisherigen Partcistcllungcn plötzlich verrückt zu
haben schien, man sah die sonst stets verschwisterten finanziellen Größen der Linken
Kühne und Patow einander gegenüberstehen, Herr Diergardt, der Tabaksmonopolist
sprach gegen Schutzzölle und ein Theil der Rechten vergaß diesmal ihr „dennoch"
und stimmte gegen die Regierung. Der Grund hiervon scheint uns darin zu liegen,
daß aus der einen Seite Interessen und juristisch-moralische Motive gegen die Erhöhung
sprachen, daß auf der andern volkswirtschaftliche und namentlich finanzielle Erwägungen
dieselbe zu rechtfertigen schienen, vor allem aber, daß die Entscheidung den wesent¬
lichsten Einfluß aus die Stellung Preußens im Zollverein haben mußte. Wir
glauben, daß man bei einer finanziellen Frage auch stets den finanziellen Charakter
voranstellen muß und wollen deshalb damit unsre Erörterung beginnen.
Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß der Zucker als ein allgemein ver¬
breitetes und doch nicht nothwendiges Genußmittel ein sehr geeigneter Gegenstand
der Bcsteurung ist. Bis vor etwa 20 Jahren hatte man in Deutschland hauptsächlich
nur Colonialzuckcr, der bei einem Zoll von 5 Thlr. p. Ein., einen Hauptposten der
Zollvcrcinseinkünftc lieferte; in den dreißiger Jahren begann die Rübcnzuckcrindustric
und hob sich rasch zu Bedeutung, sic hatte zuerst mit den Unvollkommenheiten eines
beginnenden Gewcrbszwciges zu kämpfen, aber sie hatte dem indischen Zucker gegen¬
über die Steuerfreiheit voraus. 1840 ward zuerst eine Cvntrolabgabe von drei Pfennigen
auf den Centner Rüben gelegt, 1844 ward daraus eine ordentliche Abgabe von
1 Sgr. 6 Pf., die 1850 auf 3. 1856 auf K Sgr. stieg. Dessen ungeachtet hat
der Rübenzucker immer noch einen großen Stcucrvorsprung vor dem auslän¬
dischen Fabrikat, denn wenn nach der Denkschrift der Regierung 12^ Ce. Rüben
1 Ce. Zucker geben, so ist die Steuer für letztern 2 Thlr. 2» Sgr., mithin 2 Thlr. 10 Sgr.
weniger als der Zollsatz auf eingeführtes Fabrikat. Infolge dieses Schutzzolles hat
sich denn auch die Rübcnzuckcrindustric, obwol sie bei jeder Steuerhöhung ihren
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |