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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band.

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ers thut und denkt, ists sicherlich am besten gethan und gedacht. Die
Schwaben und Baiern halt er sür gleich gescheidt d. h. er halt wenig auf den
Verstand der Ueberrhciner und lacht sie gern aus, aber er "utzt" auch den
gutmüthigen, stillen Westlicher und singt ihm spöttisch seinen Dialekt nach, und
der Oberländer erreicht in seiner Meinung auch noch lange die Bildungshöhe
nicht, auf der er selbst steht. Es wohnt wirklich viel praktische Weis¬
heit in der Pfalz, vor andern an der Haardt und sicherlich in Neustadt ein
ganz besonderer Theil; aber die Neustädter glauben doch, alle Weisheit allein
gepachtet zu haben und jeder für sich meint, er Hütte den besten Theil davon.
"Es gibt viele gescheidte Pfälzer, in Neustadt sind sie alle gescheidt und ich,
(der Jean, Georges oder Jacques) bin doch eigentlich der Gescheidteste!"

Diese Gescheidtheit richtet sich jedoch nicht etwa ans Historie, Philologie,
Poesie und so weiter, sondern aus viel praktischere Dinge. Das "rentirt"
und "verinteressirt sich nicht", und wer etwas treibt, das sich nicht rentirt, ja,
das ist beinahe ein "Lump". Wenn sichs aber rentirt, nun, dann ists ein
sehr tüchtiger und hochgeachteter Mann. Und haben die Pfälzer und Neu¬
städter nicht in vieler Hinsicht Recht? Die Zeit will, daß wir praktische Leute
werden und die Pfälzer sinds in vollem Maße. Hängt ihr Sinn auch zu sehr
am Materiellen, so sind daran manche Verhältnisse Schuld, die theilweise
politischer Natur sind. Ohnedies hat ja die Pfalz tüchtige, berühmte Männer
hervorgebracht, auch in neuester Zeit, es waren Juristen und Mediciner, frei¬
lich Jünger der Wissenschaften fürs praktische Leben, und wen" es einmal ein
Künstler oder etwa ein Historiker "zu etwas gebracht hat" d. h. daß ihm
sollte Bücher und Bilder in der Welt draußen abgekauft wenden, dann sind
die Pfälzer sogar stolz auf ihren Landsmann; -- mag er darum draußen
zusehen, daß ers zu etwas bringt.

Der Pfälzer glaubt steif und fest, daß er das reinste Deutsch spreche, und
der pfälzer Bauer sagt, um dies zu beweisen, daß er die Schwaben nicht ver¬
stehe, aber von ihnen verstanden werde; die Schwaben sollen nämlich sagen,
"so (pfälzisch) redt der Pfarrer uff de Kanzel!" Freilich macht der Pfälzer auf
diesen seinen Stolz selbst Satiren, indem er erzählt, daß die "pfälzisch Sprooch"
-die "Ursprooch" sei, denn als der Wallfisch den Propheten ans Land spie"
gingen zwei pfälzische Matrosen vorbei, wovon der eine sagtei "der isch awer
naß!" "Der isch jo naß!" versetzte der andere, und davon behielt der Prophet
den Namen Jonas. -- Daß die Pfalz das ursprüngliche Paradies war, geht
schon ans diesem Beispiel hervor, noch mehr aber daraus, daß der Teufel den
Herrn Christus aufs hambacher Schloß führte und ihm die Herrlichkeit des
Landes zeigte; als er es ihm anbot, wenn er ihn anbetete, sagte der Herr
"B'halt's!" d. i. Behält es! und seitdem heißes Pfalz oder wie die Pfälzer
sagen "Palz"! -


ers thut und denkt, ists sicherlich am besten gethan und gedacht. Die
Schwaben und Baiern halt er sür gleich gescheidt d. h. er halt wenig auf den
Verstand der Ueberrhciner und lacht sie gern aus, aber er „utzt" auch den
gutmüthigen, stillen Westlicher und singt ihm spöttisch seinen Dialekt nach, und
der Oberländer erreicht in seiner Meinung auch noch lange die Bildungshöhe
nicht, auf der er selbst steht. Es wohnt wirklich viel praktische Weis¬
heit in der Pfalz, vor andern an der Haardt und sicherlich in Neustadt ein
ganz besonderer Theil; aber die Neustädter glauben doch, alle Weisheit allein
gepachtet zu haben und jeder für sich meint, er Hütte den besten Theil davon.
„Es gibt viele gescheidte Pfälzer, in Neustadt sind sie alle gescheidt und ich,
(der Jean, Georges oder Jacques) bin doch eigentlich der Gescheidteste!"

Diese Gescheidtheit richtet sich jedoch nicht etwa ans Historie, Philologie,
Poesie und so weiter, sondern aus viel praktischere Dinge. Das „rentirt"
und „verinteressirt sich nicht", und wer etwas treibt, das sich nicht rentirt, ja,
das ist beinahe ein „Lump". Wenn sichs aber rentirt, nun, dann ists ein
sehr tüchtiger und hochgeachteter Mann. Und haben die Pfälzer und Neu¬
städter nicht in vieler Hinsicht Recht? Die Zeit will, daß wir praktische Leute
werden und die Pfälzer sinds in vollem Maße. Hängt ihr Sinn auch zu sehr
am Materiellen, so sind daran manche Verhältnisse Schuld, die theilweise
politischer Natur sind. Ohnedies hat ja die Pfalz tüchtige, berühmte Männer
hervorgebracht, auch in neuester Zeit, es waren Juristen und Mediciner, frei¬
lich Jünger der Wissenschaften fürs praktische Leben, und wen» es einmal ein
Künstler oder etwa ein Historiker „zu etwas gebracht hat" d. h. daß ihm
sollte Bücher und Bilder in der Welt draußen abgekauft wenden, dann sind
die Pfälzer sogar stolz auf ihren Landsmann; — mag er darum draußen
zusehen, daß ers zu etwas bringt.

Der Pfälzer glaubt steif und fest, daß er das reinste Deutsch spreche, und
der pfälzer Bauer sagt, um dies zu beweisen, daß er die Schwaben nicht ver¬
stehe, aber von ihnen verstanden werde; die Schwaben sollen nämlich sagen,
„so (pfälzisch) redt der Pfarrer uff de Kanzel!" Freilich macht der Pfälzer auf
diesen seinen Stolz selbst Satiren, indem er erzählt, daß die „pfälzisch Sprooch"
-die „Ursprooch" sei, denn als der Wallfisch den Propheten ans Land spie»
gingen zwei pfälzische Matrosen vorbei, wovon der eine sagtei „der isch awer
naß!" „Der isch jo naß!" versetzte der andere, und davon behielt der Prophet
den Namen Jonas. — Daß die Pfalz das ursprüngliche Paradies war, geht
schon ans diesem Beispiel hervor, noch mehr aber daraus, daß der Teufel den
Herrn Christus aufs hambacher Schloß führte und ihm die Herrlichkeit des
Landes zeigte; als er es ihm anbot, wenn er ihn anbetete, sagte der Herr
„B'halt's!" d. i. Behält es! und seitdem heißes Pfalz oder wie die Pfälzer
sagen „Palz"! -


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_186412/165>, abgerufen am 21.12.2024.