Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band.bietet, als ein durchaus abhängiger, völlig besitzloser, jeder Willkür, jedem Die Leibeigenschaft in Rußland. 2. So standen die Leibeigenschaftsverhältnisse noch während der Regierung bietet, als ein durchaus abhängiger, völlig besitzloser, jeder Willkür, jedem Die Leibeigenschaft in Rußland. 2. So standen die Leibeigenschaftsverhältnisse noch während der Regierung <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0055" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/105866"/> <p xml:id="ID_111" prev="#ID_110"> bietet, als ein durchaus abhängiger, völlig besitzloser, jeder Willkür, jedem<lb/> vorübergehenden Unglücksfall Preis gegebener Dienstmann, der nirgend eine<lb/> bleibende Stätte hat, der beim Mangel jeder Aussicht auf Selbstständigkeit.<lb/> jedes Antriebes zu sparsamer Wirthschaft nur dem Bedürfniß, dem Gelüst des<lb/> Augenblicks fröhnt, ist leicht einzusehn. Wiederum also ein Scheingrund<lb/> gegen die freie Theilbarkeit von Grund und Boden, als ob die dadurch ge¬<lb/> botene Möglichkett der Seßhaftmachung zum Arbeitermangel für die größern<lb/> Gutsbesitzer führe, erledigt, indem im Gegentheil das Beispiel Mecklenburgs<lb/> darauf hinweist, daß die'Beschränkung dieser Möglichkeit die tüchtigsten Ele¬<lb/> mente dieser Classe in die Fremde forttreibt und wirklichen Mangel an flei¬<lb/> ßigen Händen in nächste Aussicht stellt. Warum also — so fragen wir auch<lb/> hier - diese Agitation, die ihr Ziel verfehlt, und wo der Grund, der die<lb/> Herren so gegen den eignen Vortheil blind macht? — Welt ihnen, es ist<lb/> täglich zu sagen, ihre Stellung als Feudalherrn im alten Stil, als ange-<lb/> bome Obrigkeiten höher gilt als ihr wahres Interesse, als jene natürlichen<lb/> wohlbegründeten Vorzüge ihrer Stellung. Nicht als Unternehmer und Leiter<lb/> unter freien Arbeitern, hoch angesehn durch Besitz und Bildung, durch den<lb/> großen Einfluß des Arbeitgebers, von dem so viele ihr Brot erwarten —<lb/> nein, um solche Stellung auszufüllen, dazu gehört doch immer eine gewisse<lb/> persönliche Thätigkeit und Tüchtigkeit — vielmehr als geborne gnädige Herrn,<lb/> mit dem alleinigen Recht zu regieren und zu genießen, ohne irgend eine dem<lb/> entsprechende Pflicht gegen die der Scholle angestammten Hörigen: nur darin<lb/> erblicken sie die ihrer würdige Position. So trieben es die Altvordern ins<lb/> etwa gegen das Ende des vorigen Jahrhunderts, und dahin steuern auch<lb/> sie mit vollen Segeln zurück, denn sie haben nichts gelernt und nichts<lb/><note type="byline"> sah.</note> vergessen. </p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Die Leibeigenschaft in Rußland.</head><lb/> <div n="2"> <head> 2.</head><lb/> <p xml:id="ID_112" next="#ID_113"> So standen die Leibeigenschaftsverhältnisse noch während der Regierung<lb/> Katharinas 2. Man erkannte in Petersburg sehr gut das selbstgeschaffene<lb/> Ehcios im Volke, man protegirte bald das nationale Gemeindewesen, bald<lb/> die Erschaffung von Städten, bald die Anlegung ausländischer Colonien, deren<lb/> ^Manuale Einrichtungenden einheimischen zum Vorbilde dienen sollten; man<lb/> S"b wol auch einzelne Verordnungen zur Regelung der Verhältnisse zwischen</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0055]
bietet, als ein durchaus abhängiger, völlig besitzloser, jeder Willkür, jedem
vorübergehenden Unglücksfall Preis gegebener Dienstmann, der nirgend eine
bleibende Stätte hat, der beim Mangel jeder Aussicht auf Selbstständigkeit.
jedes Antriebes zu sparsamer Wirthschaft nur dem Bedürfniß, dem Gelüst des
Augenblicks fröhnt, ist leicht einzusehn. Wiederum also ein Scheingrund
gegen die freie Theilbarkeit von Grund und Boden, als ob die dadurch ge¬
botene Möglichkett der Seßhaftmachung zum Arbeitermangel für die größern
Gutsbesitzer führe, erledigt, indem im Gegentheil das Beispiel Mecklenburgs
darauf hinweist, daß die'Beschränkung dieser Möglichkeit die tüchtigsten Ele¬
mente dieser Classe in die Fremde forttreibt und wirklichen Mangel an flei¬
ßigen Händen in nächste Aussicht stellt. Warum also — so fragen wir auch
hier - diese Agitation, die ihr Ziel verfehlt, und wo der Grund, der die
Herren so gegen den eignen Vortheil blind macht? — Welt ihnen, es ist
täglich zu sagen, ihre Stellung als Feudalherrn im alten Stil, als ange-
bome Obrigkeiten höher gilt als ihr wahres Interesse, als jene natürlichen
wohlbegründeten Vorzüge ihrer Stellung. Nicht als Unternehmer und Leiter
unter freien Arbeitern, hoch angesehn durch Besitz und Bildung, durch den
großen Einfluß des Arbeitgebers, von dem so viele ihr Brot erwarten —
nein, um solche Stellung auszufüllen, dazu gehört doch immer eine gewisse
persönliche Thätigkeit und Tüchtigkeit — vielmehr als geborne gnädige Herrn,
mit dem alleinigen Recht zu regieren und zu genießen, ohne irgend eine dem
entsprechende Pflicht gegen die der Scholle angestammten Hörigen: nur darin
erblicken sie die ihrer würdige Position. So trieben es die Altvordern ins
etwa gegen das Ende des vorigen Jahrhunderts, und dahin steuern auch
sie mit vollen Segeln zurück, denn sie haben nichts gelernt und nichts
sah. vergessen.
Die Leibeigenschaft in Rußland.
2.
So standen die Leibeigenschaftsverhältnisse noch während der Regierung
Katharinas 2. Man erkannte in Petersburg sehr gut das selbstgeschaffene
Ehcios im Volke, man protegirte bald das nationale Gemeindewesen, bald
die Erschaffung von Städten, bald die Anlegung ausländischer Colonien, deren
^Manuale Einrichtungenden einheimischen zum Vorbilde dienen sollten; man
S"b wol auch einzelne Verordnungen zur Regelung der Verhältnisse zwischen
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