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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band.

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wird, worauf er die Uebersinnlichkeit des Wesens der Religion, sammt der Form
erkennt. Er sagt sich deswegen los von einem solchen, das Wesen und sich
selbst verunreinigenden Cultus." Die angeblichen Mängel in der Form des
Protestantismus sind also grade seine Vorzüge. Dagegen tritt Marheineke
entschieden auf die Seite Schlegels, wenn es sich um diejenigen handelt, die
im Sinn des letzteren Protestanten sind. Freilich habe die Reflexionstheologie
ein gewisses Verdienst, "ist sie doch, um bildlich zu reden, das alte Testament
der neuern Zeit, der Judaismus im Christenthum. Hat sie sich nicht durch eine
dürre Wüste geschleppt, bis sie endlich in ihrem gelobten Lande, in dem engen
Raum des Begriffs sich ansiedelte? Hat sie nicht hier die Herrschaft, nicht des
dreieinigen Gottes, sondern des Einigen aufgerichtet, und alles unterworfen
dem kategorischen Imperativ?" Dagegen hat Marheineke eine innige Freude
empfunden, als Schlegel die heilige Dreieinigkeit als ein Geheimniß der ewi¬
gen Liebe abschildert. "Wir glauben keck behaupten zu dürfen, daß dies der
echt religiöse und christliche Standpunkt ist, welcher die schöne Aussicht in die
nahe Zukunft gewährt, daß man bald und allgemein das Höchste der Religion
auch als das Fruchtbarste für die praktische Theologie erkennen und bearbeiten
wird." -- In diesem Sinn ist auch die christliche Symbolik gehalten,
mit welcher Marheineke (1810--1814) seine erste doctrinäre Periode beschloß;
seine spätere Bekehrung zu Hegel, seine populäre Geschichte der deutschen Re¬
formation (1818--1834) und seine segensreiche Wirksamkeit in Berlin sind
bekannt.




Schön über Stein.

Wir haben in einem der vorigen Hefte Arndts Bild von Stein gebracht.
2in Folgenden geben wir ein Urtheil v. Schöns über den Reichsfreiherrn nebst
einem nach der Meinung des Einsenders aus Schöns Charakteristik bezüglichen
Briefe Alexanders von Humboldt. Beide Documente sind noch unveröffent¬
licht; den Namen der hochgestellten Persönlichkeit, sür welche Schön die Be¬
urtheilung Steins aufsetzte, müssen wir nach dem Wunsch des Einsenders
verschweigen. Endlich haben wir uns gegen die Annahme zu verwahren,
als machten wir die hier ausgesprochenen Ansichten Schöns durch den Ab¬
druck zu den unsern. Wir geben sie einfach als Material, und zwar mehr
als Material zur Beurtheilung Schöns, als Steins.


Grenzboten III. 18S3. 53

wird, worauf er die Uebersinnlichkeit des Wesens der Religion, sammt der Form
erkennt. Er sagt sich deswegen los von einem solchen, das Wesen und sich
selbst verunreinigenden Cultus." Die angeblichen Mängel in der Form des
Protestantismus sind also grade seine Vorzüge. Dagegen tritt Marheineke
entschieden auf die Seite Schlegels, wenn es sich um diejenigen handelt, die
im Sinn des letzteren Protestanten sind. Freilich habe die Reflexionstheologie
ein gewisses Verdienst, „ist sie doch, um bildlich zu reden, das alte Testament
der neuern Zeit, der Judaismus im Christenthum. Hat sie sich nicht durch eine
dürre Wüste geschleppt, bis sie endlich in ihrem gelobten Lande, in dem engen
Raum des Begriffs sich ansiedelte? Hat sie nicht hier die Herrschaft, nicht des
dreieinigen Gottes, sondern des Einigen aufgerichtet, und alles unterworfen
dem kategorischen Imperativ?" Dagegen hat Marheineke eine innige Freude
empfunden, als Schlegel die heilige Dreieinigkeit als ein Geheimniß der ewi¬
gen Liebe abschildert. „Wir glauben keck behaupten zu dürfen, daß dies der
echt religiöse und christliche Standpunkt ist, welcher die schöne Aussicht in die
nahe Zukunft gewährt, daß man bald und allgemein das Höchste der Religion
auch als das Fruchtbarste für die praktische Theologie erkennen und bearbeiten
wird." — In diesem Sinn ist auch die christliche Symbolik gehalten,
mit welcher Marheineke (1810—1814) seine erste doctrinäre Periode beschloß;
seine spätere Bekehrung zu Hegel, seine populäre Geschichte der deutschen Re¬
formation (1818—1834) und seine segensreiche Wirksamkeit in Berlin sind
bekannt.




Schön über Stein.

Wir haben in einem der vorigen Hefte Arndts Bild von Stein gebracht.
2in Folgenden geben wir ein Urtheil v. Schöns über den Reichsfreiherrn nebst
einem nach der Meinung des Einsenders aus Schöns Charakteristik bezüglichen
Briefe Alexanders von Humboldt. Beide Documente sind noch unveröffent¬
licht; den Namen der hochgestellten Persönlichkeit, sür welche Schön die Be¬
urtheilung Steins aufsetzte, müssen wir nach dem Wunsch des Einsenders
verschweigen. Endlich haben wir uns gegen die Annahme zu verwahren,
als machten wir die hier ausgesprochenen Ansichten Schöns durch den Ab¬
druck zu den unsern. Wir geben sie einfach als Material, und zwar mehr
als Material zur Beurtheilung Schöns, als Steins.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105810/425>, abgerufen am 03.07.2024.