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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band.

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reichen Besuch auswärtiger Universitäten und älterer CommMonen verstärkt
waren; dazu die vielfältige Aufregung und Veranlassung zum Trinken während
dieser Tage, die ja auch auf das reifere Alter nicht ohne Einfluß bleibt, und
wenn man dann erwägt, daß nicht ein einziger Ton des Uebermuthes hörbar,
nicht eine einzige Unart sichtbar geworden, so kann man unmöglich der Selbst¬
beherrschung und dem Takt der jungen Männer die höchste Anerkennung ver¬
sagen. Die Universität Jena hat alle Ursache, wie des ganzen Festes, so
besonders dieser letzteren Seite desselben mit freudigem Stolze zu gedenken.
Sie hat in dem Benehmen ihrer Studentenschaft den schönsten Theil ihres
Lebens und Wirkens gezeigt.

Die jenaischen Festtage sind vorüber, und die Zeitungen haben seitdem
längst wieder von einem andern Fest berichtet, von dem Auszug der tausend¬
sten Locomotive aus der Borsigschen Fabrik in Berlin. Welche andere Dimen¬
sionen zeigt ein solches Fest! Und auch hier zeigt sich in der Haltung großer
Massen die edle Anlage des deutschen Volkes neben dem segensreichen Ein¬
fluß dieser neuen Macht des Zeitgeistes, der großen Industrie, welche aus der
Anwendung der Wissenschaft auf das Leben entsprungen ist. Es gibt ja Leute
genug, welche meinen, vor diesen wahren Festen des Zeitgeistes trete alles
Treiben der Universitäten als veraltet und überholt in den Hintergrund. Wer
aber von den jenaischen Festen kommt, hat hoffentlich die Ueberzeugung be¬
stärkt, daß das deutsche Geistesleben diese Stätten nimmer entbehren darf,
um seine Vornehmheit und seine Schlichtheit, so wie die reine Begeisterung
zu bewahren, durch deren Antheil auch allein die Industrie geistige Macht
und sittliche Würde gewinnt.




Bilder aus Griechenland.
5.
Die heutigen Athener. -- Die deutsche Niederlassung in Erakli.
Pfingsten am Pentelikon.

Sehr selten sieht man auf den Straßen von Athen Bettler, und ebenso selten
Betrunkene. An Schenken mangelt es keineswegs, aber der Grieche ist mäßig
und sparsam, und wenn man die Gäste in den Wirthshäusern beobachtet, wie
sie stundenlang bei einem kleinen Glase sitzen, begreift man nicht, wovon die


reichen Besuch auswärtiger Universitäten und älterer CommMonen verstärkt
waren; dazu die vielfältige Aufregung und Veranlassung zum Trinken während
dieser Tage, die ja auch auf das reifere Alter nicht ohne Einfluß bleibt, und
wenn man dann erwägt, daß nicht ein einziger Ton des Uebermuthes hörbar,
nicht eine einzige Unart sichtbar geworden, so kann man unmöglich der Selbst¬
beherrschung und dem Takt der jungen Männer die höchste Anerkennung ver¬
sagen. Die Universität Jena hat alle Ursache, wie des ganzen Festes, so
besonders dieser letzteren Seite desselben mit freudigem Stolze zu gedenken.
Sie hat in dem Benehmen ihrer Studentenschaft den schönsten Theil ihres
Lebens und Wirkens gezeigt.

Die jenaischen Festtage sind vorüber, und die Zeitungen haben seitdem
längst wieder von einem andern Fest berichtet, von dem Auszug der tausend¬
sten Locomotive aus der Borsigschen Fabrik in Berlin. Welche andere Dimen¬
sionen zeigt ein solches Fest! Und auch hier zeigt sich in der Haltung großer
Massen die edle Anlage des deutschen Volkes neben dem segensreichen Ein¬
fluß dieser neuen Macht des Zeitgeistes, der großen Industrie, welche aus der
Anwendung der Wissenschaft auf das Leben entsprungen ist. Es gibt ja Leute
genug, welche meinen, vor diesen wahren Festen des Zeitgeistes trete alles
Treiben der Universitäten als veraltet und überholt in den Hintergrund. Wer
aber von den jenaischen Festen kommt, hat hoffentlich die Ueberzeugung be¬
stärkt, daß das deutsche Geistesleben diese Stätten nimmer entbehren darf,
um seine Vornehmheit und seine Schlichtheit, so wie die reine Begeisterung
zu bewahren, durch deren Antheil auch allein die Industrie geistige Macht
und sittliche Würde gewinnt.




Bilder aus Griechenland.
5.
Die heutigen Athener. — Die deutsche Niederlassung in Erakli.
Pfingsten am Pentelikon.

Sehr selten sieht man auf den Straßen von Athen Bettler, und ebenso selten
Betrunkene. An Schenken mangelt es keineswegs, aber der Grieche ist mäßig
und sparsam, und wenn man die Gäste in den Wirthshäusern beobachtet, wie
sie stundenlang bei einem kleinen Glase sitzen, begreift man nicht, wovon die


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[0389] reichen Besuch auswärtiger Universitäten und älterer CommMonen verstärkt waren; dazu die vielfältige Aufregung und Veranlassung zum Trinken während dieser Tage, die ja auch auf das reifere Alter nicht ohne Einfluß bleibt, und wenn man dann erwägt, daß nicht ein einziger Ton des Uebermuthes hörbar, nicht eine einzige Unart sichtbar geworden, so kann man unmöglich der Selbst¬ beherrschung und dem Takt der jungen Männer die höchste Anerkennung ver¬ sagen. Die Universität Jena hat alle Ursache, wie des ganzen Festes, so besonders dieser letzteren Seite desselben mit freudigem Stolze zu gedenken. Sie hat in dem Benehmen ihrer Studentenschaft den schönsten Theil ihres Lebens und Wirkens gezeigt. Die jenaischen Festtage sind vorüber, und die Zeitungen haben seitdem längst wieder von einem andern Fest berichtet, von dem Auszug der tausend¬ sten Locomotive aus der Borsigschen Fabrik in Berlin. Welche andere Dimen¬ sionen zeigt ein solches Fest! Und auch hier zeigt sich in der Haltung großer Massen die edle Anlage des deutschen Volkes neben dem segensreichen Ein¬ fluß dieser neuen Macht des Zeitgeistes, der großen Industrie, welche aus der Anwendung der Wissenschaft auf das Leben entsprungen ist. Es gibt ja Leute genug, welche meinen, vor diesen wahren Festen des Zeitgeistes trete alles Treiben der Universitäten als veraltet und überholt in den Hintergrund. Wer aber von den jenaischen Festen kommt, hat hoffentlich die Ueberzeugung be¬ stärkt, daß das deutsche Geistesleben diese Stätten nimmer entbehren darf, um seine Vornehmheit und seine Schlichtheit, so wie die reine Begeisterung zu bewahren, durch deren Antheil auch allein die Industrie geistige Macht und sittliche Würde gewinnt. Bilder aus Griechenland. 5. Die heutigen Athener. — Die deutsche Niederlassung in Erakli. Pfingsten am Pentelikon. Sehr selten sieht man auf den Straßen von Athen Bettler, und ebenso selten Betrunkene. An Schenken mangelt es keineswegs, aber der Grieche ist mäßig und sparsam, und wenn man die Gäste in den Wirthshäusern beobachtet, wie sie stundenlang bei einem kleinen Glase sitzen, begreift man nicht, wovon die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105810/389>, abgerufen am 03.07.2024.