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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band.

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Bilder aus Griechenland.
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Ein Morgen auf der Akropolis.

Am nächsten Morgen weckte uns, aus dem Garten heraufschmetternd,
Gezwitscher von Vögeln, Eine Viertelstunde nachher waren wir bereits auf
dem Wege nach der Akropolis. Der Himmel war wolkenlos, die Luft von
jener Durchsichtigkeit, bei der man an die schöne Schilderung des Eunpides
von den Erechtheussöhnen erinnert wurde, "den Kindern sel'ger Götter,
.die stets in dem heitersten Licht des Aethers sanft hinwandelten." Ueber die
Stadt war Stille ausgebreitet, bei welcher die Burg- und Tempeltrümmer
des heiligen Hügels, jetzt mit rosenfarbnem Morgenroth Übergossen, doppelt
majestätisch, doppelt mächtig zur Andacht stimmend, in die Tiefe der menschen¬
leeren Aeolusstraße herabschauten. Beinahe achtlos gingen wir am Tempel
der Winde vorüber. War er doch nur eines der geringern Kleinode am Ge¬
wand der Königin der griechischen Städte, während uns droben die Krone
winkte, strahlend von Juwelen der hehrsten Erinnerung. In erwartungsvollen
Schweigen stiegen wir, über die letzten Häuser der Stadt hinausgelangt, den
steilen Fußpfad hinauf, der unter den Felsen um die Flanken der Erd- und
Schutthügel führt, welche die Basis der Klippenwände des Heiligthums bilden.
Mit jedem Schritt steigerte sich die andächtige Stimmung. Man hätte den
Hut abnehmen mögen wie in einer Kirche. Und wir waren wirklich wie in
einer Kirche. In der Tiefe zeigte sich einer der Nebenaltäre, das Thcseivn,
rechts ein andrer älterer. der Areopag. noch höher die Kanzel, das Bema der
Pnyx. Noch einige Schritte, und in der Facade der Propyläen erhob sich vor
unsern Blicken über grauen Mauern der Hochaltar. Daneben stand zart und
fein wie ein Sacramentshäuschen der Tempel der Nike Apteros, und darüber
ragten, rothdurchschimmert von der ewigen Lampe der Sonne, die Säulen
und der Fries des Allerheiligsten. neben dem einst das Bild der göttlichen
Jungfrau Athene herniederschaute.

Das Bild ist verschwunden, aber die Phantasie läßt es wieder aufsteigen
über dem zerstörten Giebel mit dem helmgcschmückten Haupt und der blitzen¬
den Lanze. Die Tempel sind Trümmerstätten, aber unsichtbare Hände bauen
sie wieder auf in alter Schöne. Die Propyläen sind durch einen plumpen
Thurm verunstaltet, den mittelalterliche Ritter daneben stellten, aber andere
Unsichtbare reinigen das hehre Portal von der schnöden Zuthat, und der wunder¬
thätige Traumgeist unsrer Stimmung läßt in einem Festzuge, gleich dem der Pan-


Bilder aus Griechenland.
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Ein Morgen auf der Akropolis.

Am nächsten Morgen weckte uns, aus dem Garten heraufschmetternd,
Gezwitscher von Vögeln, Eine Viertelstunde nachher waren wir bereits auf
dem Wege nach der Akropolis. Der Himmel war wolkenlos, die Luft von
jener Durchsichtigkeit, bei der man an die schöne Schilderung des Eunpides
von den Erechtheussöhnen erinnert wurde, „den Kindern sel'ger Götter,
.die stets in dem heitersten Licht des Aethers sanft hinwandelten." Ueber die
Stadt war Stille ausgebreitet, bei welcher die Burg- und Tempeltrümmer
des heiligen Hügels, jetzt mit rosenfarbnem Morgenroth Übergossen, doppelt
majestätisch, doppelt mächtig zur Andacht stimmend, in die Tiefe der menschen¬
leeren Aeolusstraße herabschauten. Beinahe achtlos gingen wir am Tempel
der Winde vorüber. War er doch nur eines der geringern Kleinode am Ge¬
wand der Königin der griechischen Städte, während uns droben die Krone
winkte, strahlend von Juwelen der hehrsten Erinnerung. In erwartungsvollen
Schweigen stiegen wir, über die letzten Häuser der Stadt hinausgelangt, den
steilen Fußpfad hinauf, der unter den Felsen um die Flanken der Erd- und
Schutthügel führt, welche die Basis der Klippenwände des Heiligthums bilden.
Mit jedem Schritt steigerte sich die andächtige Stimmung. Man hätte den
Hut abnehmen mögen wie in einer Kirche. Und wir waren wirklich wie in
einer Kirche. In der Tiefe zeigte sich einer der Nebenaltäre, das Thcseivn,
rechts ein andrer älterer. der Areopag. noch höher die Kanzel, das Bema der
Pnyx. Noch einige Schritte, und in der Facade der Propyläen erhob sich vor
unsern Blicken über grauen Mauern der Hochaltar. Daneben stand zart und
fein wie ein Sacramentshäuschen der Tempel der Nike Apteros, und darüber
ragten, rothdurchschimmert von der ewigen Lampe der Sonne, die Säulen
und der Fries des Allerheiligsten. neben dem einst das Bild der göttlichen
Jungfrau Athene herniederschaute.

Das Bild ist verschwunden, aber die Phantasie läßt es wieder aufsteigen
über dem zerstörten Giebel mit dem helmgcschmückten Haupt und der blitzen¬
den Lanze. Die Tempel sind Trümmerstätten, aber unsichtbare Hände bauen
sie wieder auf in alter Schöne. Die Propyläen sind durch einen plumpen
Thurm verunstaltet, den mittelalterliche Ritter daneben stellten, aber andere
Unsichtbare reinigen das hehre Portal von der schnöden Zuthat, und der wunder¬
thätige Traumgeist unsrer Stimmung läßt in einem Festzuge, gleich dem der Pan-


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[0277] Bilder aus Griechenland. tUHncjM'wM^^WW'AZ'c'M-i^kH^ Ein Morgen auf der Akropolis. Am nächsten Morgen weckte uns, aus dem Garten heraufschmetternd, Gezwitscher von Vögeln, Eine Viertelstunde nachher waren wir bereits auf dem Wege nach der Akropolis. Der Himmel war wolkenlos, die Luft von jener Durchsichtigkeit, bei der man an die schöne Schilderung des Eunpides von den Erechtheussöhnen erinnert wurde, „den Kindern sel'ger Götter, .die stets in dem heitersten Licht des Aethers sanft hinwandelten." Ueber die Stadt war Stille ausgebreitet, bei welcher die Burg- und Tempeltrümmer des heiligen Hügels, jetzt mit rosenfarbnem Morgenroth Übergossen, doppelt majestätisch, doppelt mächtig zur Andacht stimmend, in die Tiefe der menschen¬ leeren Aeolusstraße herabschauten. Beinahe achtlos gingen wir am Tempel der Winde vorüber. War er doch nur eines der geringern Kleinode am Ge¬ wand der Königin der griechischen Städte, während uns droben die Krone winkte, strahlend von Juwelen der hehrsten Erinnerung. In erwartungsvollen Schweigen stiegen wir, über die letzten Häuser der Stadt hinausgelangt, den steilen Fußpfad hinauf, der unter den Felsen um die Flanken der Erd- und Schutthügel führt, welche die Basis der Klippenwände des Heiligthums bilden. Mit jedem Schritt steigerte sich die andächtige Stimmung. Man hätte den Hut abnehmen mögen wie in einer Kirche. Und wir waren wirklich wie in einer Kirche. In der Tiefe zeigte sich einer der Nebenaltäre, das Thcseivn, rechts ein andrer älterer. der Areopag. noch höher die Kanzel, das Bema der Pnyx. Noch einige Schritte, und in der Facade der Propyläen erhob sich vor unsern Blicken über grauen Mauern der Hochaltar. Daneben stand zart und fein wie ein Sacramentshäuschen der Tempel der Nike Apteros, und darüber ragten, rothdurchschimmert von der ewigen Lampe der Sonne, die Säulen und der Fries des Allerheiligsten. neben dem einst das Bild der göttlichen Jungfrau Athene herniederschaute. Das Bild ist verschwunden, aber die Phantasie läßt es wieder aufsteigen über dem zerstörten Giebel mit dem helmgcschmückten Haupt und der blitzen¬ den Lanze. Die Tempel sind Trümmerstätten, aber unsichtbare Hände bauen sie wieder auf in alter Schöne. Die Propyläen sind durch einen plumpen Thurm verunstaltet, den mittelalterliche Ritter daneben stellten, aber andere Unsichtbare reinigen das hehre Portal von der schnöden Zuthat, und der wunder¬ thätige Traumgeist unsrer Stimmung läßt in einem Festzuge, gleich dem der Pan-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105810/277>, abgerufen am 22.07.2024.