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Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band.

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Die Bundesreform und die Auswanderung.
i,. .

Der Bundesausschuß zur Begutachtung der Auswanderungsfrage hat
seinen durch die Preußische Korrespondenz bekannt gewordenen Schlußanträgen
einen motivirenden Bericht vorangeschickt, wovon man bis jetzt allerdings blos
die Analyse kennt. Diese Ausführungen gründen sich aus die Mittheilungen von
24 Regierungen des deutschen Bundes über ihre betreffenden Gesetze und Ver¬
ordnungen, so wie auf deren Vorschläge für die zu vereinbarenden allgemeinen
Maßregeln. Die Gesammttendenz des Ausschußantrages geht auf diesen
Grundlagen dahin, die bestehenden gesetzlichen Bestimmungen blos zu codi-
siciren, nicht sie zu reorganisiren. Wenn nun das Gutachten mit seinen Vor¬
schlägen dahin gelangt, das Auswandcruugswescn im Ganzen noch mehr poli¬
zeilich zu bevormunden, als dies in den Einzelstaaten schon bisher geschehen
ist, so mag sich dies vielleicht daraus erklären, daß man auf diesem Wege
desto sicherer dahin zu gelangen glaubt, die einer spätern Zukunft vorbehaltene
Lenkung der Auswandererströme nach bestimmten Punkten ins Werk zu
setzen.

Die vorgeschlagenen Verschärfungen der polizeilichen Ueberwachung be¬
treffen theils die Einrichtungen gegen heimliche Auswanderung, theils die
Ueberwachung des Transports der Auswanderer. Zu den "Vorbedingungen
der Auswanderung" ist kein Antrag gestellt, da in dieser Beziehung "die
entsprechenden Anordnungen meistens vorhanden" seien. Die "Preuß Corr."
hat jedoch in ihrem Auszuge des Materials zu dem bundestägigen Ausschu߬
gutachten eine ganze Reihe sehr verschiedenartiger Bestimmungen der ver¬
schiedenen Staaten aufgezählt. Nur in dem einen Punkte findet sich eine
Gleichartigkeit, daß die erfüllte Militärverpflichtung als conclitiv sine qug, non
angenommen ist. Nur an dieser -- sagt der Ausschußbericht -- habe "der
Bund ein näheres Interesse". Da diesem genügt ist -- erZo kein Vorschlag
zur Vereinbarung wirklich "gemeinsamer Institutionen" hinsichtlich der Vor¬
bedingungen zur Auswanderung? Die bairischen "Ansichten über das deutsche
Gemeinwesen" hatten aber grade gemeint, daß die in Deutschland lauter
werdende Unzufriedenheit "auch ohne politische Reform des Bundes" zu be¬
seitigen sei, indem man die "berechtigten" Wünsche der Nation nach ver¬
heißenen doch unerfüllt gebliebenen gemeinsamen Institutionen auf materiellem
Gebiete erfülle. Gemeinsamkeit hat nun in vorliegendem Falle selbstverständlich
den Sinn, daß nicht blos den "näheren Interessen des Bundes" durch eine
gewisse Gleichartigkeit der verhindernden Gesetzgebung zu genügen sei,


Grenzboten III. 1358. 33
Die Bundesreform und die Auswanderung.
i,. .

Der Bundesausschuß zur Begutachtung der Auswanderungsfrage hat
seinen durch die Preußische Korrespondenz bekannt gewordenen Schlußanträgen
einen motivirenden Bericht vorangeschickt, wovon man bis jetzt allerdings blos
die Analyse kennt. Diese Ausführungen gründen sich aus die Mittheilungen von
24 Regierungen des deutschen Bundes über ihre betreffenden Gesetze und Ver¬
ordnungen, so wie auf deren Vorschläge für die zu vereinbarenden allgemeinen
Maßregeln. Die Gesammttendenz des Ausschußantrages geht auf diesen
Grundlagen dahin, die bestehenden gesetzlichen Bestimmungen blos zu codi-
siciren, nicht sie zu reorganisiren. Wenn nun das Gutachten mit seinen Vor¬
schlägen dahin gelangt, das Auswandcruugswescn im Ganzen noch mehr poli¬
zeilich zu bevormunden, als dies in den Einzelstaaten schon bisher geschehen
ist, so mag sich dies vielleicht daraus erklären, daß man auf diesem Wege
desto sicherer dahin zu gelangen glaubt, die einer spätern Zukunft vorbehaltene
Lenkung der Auswandererströme nach bestimmten Punkten ins Werk zu
setzen.

Die vorgeschlagenen Verschärfungen der polizeilichen Ueberwachung be¬
treffen theils die Einrichtungen gegen heimliche Auswanderung, theils die
Ueberwachung des Transports der Auswanderer. Zu den „Vorbedingungen
der Auswanderung" ist kein Antrag gestellt, da in dieser Beziehung „die
entsprechenden Anordnungen meistens vorhanden" seien. Die „Preuß Corr."
hat jedoch in ihrem Auszuge des Materials zu dem bundestägigen Ausschu߬
gutachten eine ganze Reihe sehr verschiedenartiger Bestimmungen der ver¬
schiedenen Staaten aufgezählt. Nur in dem einen Punkte findet sich eine
Gleichartigkeit, daß die erfüllte Militärverpflichtung als conclitiv sine qug, non
angenommen ist. Nur an dieser — sagt der Ausschußbericht — habe „der
Bund ein näheres Interesse". Da diesem genügt ist — erZo kein Vorschlag
zur Vereinbarung wirklich „gemeinsamer Institutionen" hinsichtlich der Vor¬
bedingungen zur Auswanderung? Die bairischen „Ansichten über das deutsche
Gemeinwesen" hatten aber grade gemeint, daß die in Deutschland lauter
werdende Unzufriedenheit „auch ohne politische Reform des Bundes" zu be¬
seitigen sei, indem man die „berechtigten" Wünsche der Nation nach ver¬
heißenen doch unerfüllt gebliebenen gemeinsamen Institutionen auf materiellem
Gebiete erfülle. Gemeinsamkeit hat nun in vorliegendem Falle selbstverständlich
den Sinn, daß nicht blos den „näheren Interessen des Bundes" durch eine
gewisse Gleichartigkeit der verhindernden Gesetzgebung zu genügen sei,


Grenzboten III. 1358. 33
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[0265] Die Bundesreform und die Auswanderung. i,. . Der Bundesausschuß zur Begutachtung der Auswanderungsfrage hat seinen durch die Preußische Korrespondenz bekannt gewordenen Schlußanträgen einen motivirenden Bericht vorangeschickt, wovon man bis jetzt allerdings blos die Analyse kennt. Diese Ausführungen gründen sich aus die Mittheilungen von 24 Regierungen des deutschen Bundes über ihre betreffenden Gesetze und Ver¬ ordnungen, so wie auf deren Vorschläge für die zu vereinbarenden allgemeinen Maßregeln. Die Gesammttendenz des Ausschußantrages geht auf diesen Grundlagen dahin, die bestehenden gesetzlichen Bestimmungen blos zu codi- siciren, nicht sie zu reorganisiren. Wenn nun das Gutachten mit seinen Vor¬ schlägen dahin gelangt, das Auswandcruugswescn im Ganzen noch mehr poli¬ zeilich zu bevormunden, als dies in den Einzelstaaten schon bisher geschehen ist, so mag sich dies vielleicht daraus erklären, daß man auf diesem Wege desto sicherer dahin zu gelangen glaubt, die einer spätern Zukunft vorbehaltene Lenkung der Auswandererströme nach bestimmten Punkten ins Werk zu setzen. Die vorgeschlagenen Verschärfungen der polizeilichen Ueberwachung be¬ treffen theils die Einrichtungen gegen heimliche Auswanderung, theils die Ueberwachung des Transports der Auswanderer. Zu den „Vorbedingungen der Auswanderung" ist kein Antrag gestellt, da in dieser Beziehung „die entsprechenden Anordnungen meistens vorhanden" seien. Die „Preuß Corr." hat jedoch in ihrem Auszuge des Materials zu dem bundestägigen Ausschu߬ gutachten eine ganze Reihe sehr verschiedenartiger Bestimmungen der ver¬ schiedenen Staaten aufgezählt. Nur in dem einen Punkte findet sich eine Gleichartigkeit, daß die erfüllte Militärverpflichtung als conclitiv sine qug, non angenommen ist. Nur an dieser — sagt der Ausschußbericht — habe „der Bund ein näheres Interesse". Da diesem genügt ist — erZo kein Vorschlag zur Vereinbarung wirklich „gemeinsamer Institutionen" hinsichtlich der Vor¬ bedingungen zur Auswanderung? Die bairischen „Ansichten über das deutsche Gemeinwesen" hatten aber grade gemeint, daß die in Deutschland lauter werdende Unzufriedenheit „auch ohne politische Reform des Bundes" zu be¬ seitigen sei, indem man die „berechtigten" Wünsche der Nation nach ver¬ heißenen doch unerfüllt gebliebenen gemeinsamen Institutionen auf materiellem Gebiete erfülle. Gemeinsamkeit hat nun in vorliegendem Falle selbstverständlich den Sinn, daß nicht blos den „näheren Interessen des Bundes" durch eine gewisse Gleichartigkeit der verhindernden Gesetzgebung zu genügen sei, Grenzboten III. 1358. 33

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 17, 1858, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341588_105810/265>, abgerufen am 03.07.2024.