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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band.

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werden, so sinkt der Lohn, im umgekehrten Falle steigt er, und über das'Zu¬
treffende, die innere Nothwendigkeit dieses in der Natur der Dinge selbst be¬
ruhenden Gesetzes kann nicht füglich jemand in Zweifel sein. Auch hat man
wirklich in neuerer Zeit Versuche, durch Äußeren Zwang in diese natürliche
Lohnregulirung einzugreifen, und durch Staats- "nu Polizeiverordnungen ein
Lohnminimum oder Marimum zu bestimmen, mindestens auf directem Wege
aufgegeben, weil es vollkommen unausführbar ist und zu den unsinnigsten
und verderblichsten Consequenzen führt. Dem Fabrikunternehmer gesetzlich auf¬
erlegen, seineu Arbeitern einen der Summe nach bestimmten Lohn zu zahlen,
führt nothwendig dahin, daß man auch die Preise der von ihm zu beziehenden
Rohstoffe, wie der von ihm abzusetzenden Fabrikate im richtigen Verhältniß
dazu bestimmen muß, weil er sonst leicht in den Fall kommen kann, daß die
Einnahmen aus seinem Geschäft die Unkosten uicht decken, was das Bestehn
desselben unmöglich machen würde. So ineinandergreifend ist hier alles, daß
ein willkürlicher Eingriff hier stets den andern, die zwangsmäßige Regulirung
des einen Punktes stets die aller andern nach sich zieht, weil sie sonst gar nicht
aufrecht zu erhalten ist. Man rufe sich nur die Geschichte des berühmten
Marimum aus der französischen Revolution in Erinnerung. Von dem im
SIpril 1793 decretirten Zwangscours des Staatspapiergeldes, der Assignaten,
sah man sich schon anfangs Mai zur wirklichen , gesetzlichen Festsetzung eines
Marimum, eines höchsten Preises anfangs nur beim Getreide, bald aber auch
bei den übrigen zum unmittelbaren Consum dienenden Artikeln hingedrängt.
Da man damit unmöglich auskam, wenn man nicht die Rohstoffe und Arbeits¬
löhne mit in diese Preisfirirung hereinzog, wurde die Maßregel auch auf diese
ausgedehnt, und als die Detailhändler infolge dessen, weil sie nicht bestehen
konnten, ihre Geschäfte schlossen, wurden sie unter der Androhung: als ver¬
dächtig vor das Revolutionstribunal gestellt zu werden -- was so ziemlich
mit der Todesstrafe auf eins hinauslief -- gezwungen, ihre Läden wieder zu
öffnen und unter dem Einkaufspreis zu verkaufen! Und dennoch, trotz der
furchtbaren revolutionären Energie, womit diese Maßregeln von dem dazu ein¬
gesetzten ApprovistonscvmittZ, namentlich seitens der pariser Commune gehand¬
habt wurden, trotz der 'Haussuchungen, Einkerkerungen, Hinrichtungen, wußte
man sich jenen unsinnigen Decreten auf mannigfache Weise zu entziehen, und
sie dienten nur dazu, die Noth zu steigern und neben dem Ruin von Tausen¬
den einzelner Bürger am Ende den öffentlichen Bankerott herbeizuführen.*)

Daß nun eine Einwirkung auf dauernde Erhöhung der Arbeitslöhne auf
dem allein möglichen natürlichen Wege mittelst der erwähnten Assecuranzen



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treffende, die innere Nothwendigkeit dieses in der Natur der Dinge selbst be¬
ruhenden Gesetzes kann nicht füglich jemand in Zweifel sein. Auch hat man
wirklich in neuerer Zeit Versuche, durch Äußeren Zwang in diese natürliche
Lohnregulirung einzugreifen, und durch Staats- »nu Polizeiverordnungen ein
Lohnminimum oder Marimum zu bestimmen, mindestens auf directem Wege
aufgegeben, weil es vollkommen unausführbar ist und zu den unsinnigsten
und verderblichsten Consequenzen führt. Dem Fabrikunternehmer gesetzlich auf¬
erlegen, seineu Arbeitern einen der Summe nach bestimmten Lohn zu zahlen,
führt nothwendig dahin, daß man auch die Preise der von ihm zu beziehenden
Rohstoffe, wie der von ihm abzusetzenden Fabrikate im richtigen Verhältniß
dazu bestimmen muß, weil er sonst leicht in den Fall kommen kann, daß die
Einnahmen aus seinem Geschäft die Unkosten uicht decken, was das Bestehn
desselben unmöglich machen würde. So ineinandergreifend ist hier alles, daß
ein willkürlicher Eingriff hier stets den andern, die zwangsmäßige Regulirung
des einen Punktes stets die aller andern nach sich zieht, weil sie sonst gar nicht
aufrecht zu erhalten ist. Man rufe sich nur die Geschichte des berühmten
Marimum aus der französischen Revolution in Erinnerung. Von dem im
SIpril 1793 decretirten Zwangscours des Staatspapiergeldes, der Assignaten,
sah man sich schon anfangs Mai zur wirklichen , gesetzlichen Festsetzung eines
Marimum, eines höchsten Preises anfangs nur beim Getreide, bald aber auch
bei den übrigen zum unmittelbaren Consum dienenden Artikeln hingedrängt.
Da man damit unmöglich auskam, wenn man nicht die Rohstoffe und Arbeits¬
löhne mit in diese Preisfirirung hereinzog, wurde die Maßregel auch auf diese
ausgedehnt, und als die Detailhändler infolge dessen, weil sie nicht bestehen
konnten, ihre Geschäfte schlossen, wurden sie unter der Androhung: als ver¬
dächtig vor das Revolutionstribunal gestellt zu werden — was so ziemlich
mit der Todesstrafe auf eins hinauslief — gezwungen, ihre Läden wieder zu
öffnen und unter dem Einkaufspreis zu verkaufen! Und dennoch, trotz der
furchtbaren revolutionären Energie, womit diese Maßregeln von dem dazu ein¬
gesetzten ApprovistonscvmittZ, namentlich seitens der pariser Commune gehand¬
habt wurden, trotz der 'Haussuchungen, Einkerkerungen, Hinrichtungen, wußte
man sich jenen unsinnigen Decreten auf mannigfache Weise zu entziehen, und
sie dienten nur dazu, die Noth zu steigern und neben dem Ruin von Tausen¬
den einzelner Bürger am Ende den öffentlichen Bankerott herbeizuführen.*)

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104200/414>, abgerufen am 29.06.2024.