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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band.

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Zeitepoche bestehn will, der muß ihr vor allem gerecht werden, und eS gilt
daher, sein Thun und Lassen, also auch seinen Gewerbebetrieb, den Forderungen
der Gegenwart anzubequemen. Die Zeit steht niemals still, und wer es thut,
der kommt neben der unaufhaltsam fortschreitenden nothwendig zurück. Freilich
hat es seine großen Schwierigkeiten, besonders für ältere und unbemittelte
Arbeiter, zu einer neuen Betriebsweise überzugehn, und es ist nicht zu leugnen,
daß, ehe sich ein solcher Uebergang ausgleicht, mannigfache Noth und Elend
die Arbeiter bedrohen. Allein so lange die Welt steht, so lange wir einen
Fortschritt in der Geschichte beobachten, ist es niemals anders gewesen, auch
vollziehen sich solche Uebergänge selten so plötzlich, daß nicht den Betheiligten
hinreichende Frist zum Einlenken bliebe. Die unvermeidlichen Uebel einer
solchen Uebergangsperiode, welche das hartnäckige Beharren beim Alten nur
verlängert, müssen daher, der unendlichen Vortheile willen, welche für
das allgemeine Wohl daraus hervorgehn, überwunden werden. Welcher
Lärm entstand nicht seiner Zeit bei Erfindung der Buchdruckerkunst. Ganze
Scharen von Abschreibern, die sich bis dahin sehr gut von der Vervielfälti¬
gung der schriftstellerischen Producte genährt hatten, wurden brotlos, und die
neue Kunst sollte absolut ein Werk des Teufels sein. Unleugbar geriethen
viele dieser Leute durch das Stocken der Beschäftigung, für welche sie sich aus¬
schließlich vorgebildet hatten, in bittre Noth. Aber wie, wenn man nun des¬
S. D. halb das Drucken der Bücher hätte verbieten wollen?




Kometensurcht.

Die Kometen und ihre Bedeutung als Weltkörper. Nach den Resultaten der neue¬
sten wissenschaftlichen Forschungen dargestellt von G. v. Voguslawski.
Stettin, 1837. --

Die aus den Urzeiten der Menschheit stammende Vorstellung, daß alle
außergewöhnlichen Erscheinungen in der Natur, namentlich aber die am Him¬
mel, mit dem Gange des Schicksals der Menschen in unmittelbarem Zusammen¬
hange und thätiger Wechselbeziehung stehen, macht es begreiflich, daß die
Kometen mit ihrem plötzlichen Auftauchen, ihrem unheimlichen Lichte und ihrer
seltsamen Gestalt in den Jahrhunderten, wo die Fackel der Wissenschaft noch
nicht hell genug leuchtete, Gegenstände der Furcht und Angst waren. Man
sah in ihnen Schwerter, Lanzen, göttliche Zuchtruthen, grauenhaft gestaltete
Ungethüme, Vorboten von allerlei Noth, als Seuchen, Mangel, große Dürre,
Krieg, Aufruhr, Erbbeben, Aenderung im Regiment u. s. w. Der Komet


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Zeitepoche bestehn will, der muß ihr vor allem gerecht werden, und eS gilt
daher, sein Thun und Lassen, also auch seinen Gewerbebetrieb, den Forderungen
der Gegenwart anzubequemen. Die Zeit steht niemals still, und wer es thut,
der kommt neben der unaufhaltsam fortschreitenden nothwendig zurück. Freilich
hat es seine großen Schwierigkeiten, besonders für ältere und unbemittelte
Arbeiter, zu einer neuen Betriebsweise überzugehn, und es ist nicht zu leugnen,
daß, ehe sich ein solcher Uebergang ausgleicht, mannigfache Noth und Elend
die Arbeiter bedrohen. Allein so lange die Welt steht, so lange wir einen
Fortschritt in der Geschichte beobachten, ist es niemals anders gewesen, auch
vollziehen sich solche Uebergänge selten so plötzlich, daß nicht den Betheiligten
hinreichende Frist zum Einlenken bliebe. Die unvermeidlichen Uebel einer
solchen Uebergangsperiode, welche das hartnäckige Beharren beim Alten nur
verlängert, müssen daher, der unendlichen Vortheile willen, welche für
das allgemeine Wohl daraus hervorgehn, überwunden werden. Welcher
Lärm entstand nicht seiner Zeit bei Erfindung der Buchdruckerkunst. Ganze
Scharen von Abschreibern, die sich bis dahin sehr gut von der Vervielfälti¬
gung der schriftstellerischen Producte genährt hatten, wurden brotlos, und die
neue Kunst sollte absolut ein Werk des Teufels sein. Unleugbar geriethen
viele dieser Leute durch das Stocken der Beschäftigung, für welche sie sich aus¬
schließlich vorgebildet hatten, in bittre Noth. Aber wie, wenn man nun des¬
S. D. halb das Drucken der Bücher hätte verbieten wollen?




Kometensurcht.

Die Kometen und ihre Bedeutung als Weltkörper. Nach den Resultaten der neue¬
sten wissenschaftlichen Forschungen dargestellt von G. v. Voguslawski.
Stettin, 1837. —

Die aus den Urzeiten der Menschheit stammende Vorstellung, daß alle
außergewöhnlichen Erscheinungen in der Natur, namentlich aber die am Him¬
mel, mit dem Gange des Schicksals der Menschen in unmittelbarem Zusammen¬
hange und thätiger Wechselbeziehung stehen, macht es begreiflich, daß die
Kometen mit ihrem plötzlichen Auftauchen, ihrem unheimlichen Lichte und ihrer
seltsamen Gestalt in den Jahrhunderten, wo die Fackel der Wissenschaft noch
nicht hell genug leuchtete, Gegenstände der Furcht und Angst waren. Man
sah in ihnen Schwerter, Lanzen, göttliche Zuchtruthen, grauenhaft gestaltete
Ungethüme, Vorboten von allerlei Noth, als Seuchen, Mangel, große Dürre,
Krieg, Aufruhr, Erbbeben, Aenderung im Regiment u. s. w. Der Komet


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104200/275>, abgerufen am 29.06.2024.