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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band.

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von 633 sollte die Ausbreitung des Islam und der Araberherrschaft ange¬
kündigt haben, der von 1003, welcher dreizehn Tage lang zu sehen war und
von Hevel, dem bekannten danziger Bürgermeister und Astronomen in seinem
Werke mit einem Schlangenköpfe mit blauen Füßen abgebildet wurde, die
Vertreibung der Sarazenen aus Italien. Der von 837 veranlaßte Ludwig
den Frommen, zu Besänftigung des himmlischen Zornes zahlreiche Kirchen und
Klöster zu erbauen. Der Komet von -1436 (jetzt nach Halley benannt) sollte
den Untergang des oströmischen Reichs durch die Türken verkündet haben. Der
von 1336 (derselbe, welcher jetzt erwartet wird) trieb Karl V. an, die Krone
niederzulegen und ins Kloster zu gehen. Der große tychosche von 1377 hat
nach Weigel "dem türkischen Mustaphae seinen Untergang, so mit 70,000
Menschen umgekommen, mitgebracht. Ungleichen ist Sebastians, Könige in
Portugal!, der Zug in Afrikam sehr übel gelungen, sintemal er mit dem besten
Adel und Kriegsvolk daselbst ist erschlagen worden." Der von 1618 endlich
hatte den Beginn des dreißigjährigen Kriegs angesagt.

Dieser Aberglaube war noch im siebzehnten Jahrhundert, wie die beiden
zuletzt angeführten Schriftsteller zeigen, selbst unter Gelehrten verbreitet, und sogar
später, als man gelernt, daß die Kometen Weltkörper seien, vermochte man sich
nicht ganz von seinem unheimlichen Zauber loszumachen. Newton, welcher die
noch heute in manchen Kreisen verbreitete Ansicht hegte, daß die Stoffe, aus
denen die Schweife der Kometen bestehen, durch ihre eigne Schwere in die. At¬
mosphäre der Planeten fallen und sich dort verdichten, glaubte in ihnen die Ursache
zu allen möglichen chemischen Reactionen zu finden, aus denen dann Seuchen
sich entwickelten. Noch im Jahre 1829 schloß der englische Arzt Forster sein
voluminöses Buch über die atmosphärischen Ursachen der Epidemien mit der
Behauptung, es sei "ganz gewiß, daß seit dem Anfange unserer Zeitrechnung
die ungesundesten Zeiten auch immer die an Kometen reichsten gewesen sind."

Wir haben nicht erst daran zu erinnern, daß die 300 Kometenerscheinungen,
welche Förster als Beispiele anführt, nur in einigen Gegenden der Erde von
Krankheiten begleitet waren, daß er bei den meisten nichts Anderes beizubringen
weiß, als etwa: Großer Komet und Pest in London oder: Großer Komet
und Sterben der Katzen in Westphalen u. s. w., daß grade zwei der glän-
zencsten Kamelen, der von 1K80 und der von 18i3 keine Epidemien mit sich
brachten und daß der von 1351 sogar zu Ende der furchtoaren Seuche des
schwarzen Todes erschien, also, wenn überhaupt von Bedeutung für die Ge-
sundheilöverhältiusse auf der Erde, von heilsamer war.

Man lächelt j.tzt über solchen und ähnlichen Aberglauben und bemitleidet
die, welche sich von ihm schrecken ließen. Man kennt die Natur der Kometen
ziemlich genau. Aber grade die Kenntniß ihrer Bewegungen hat eine andere
Furcht geboren, die nämlich vor einem möglichen Zusammenstoß unserer Erde


von 633 sollte die Ausbreitung des Islam und der Araberherrschaft ange¬
kündigt haben, der von 1003, welcher dreizehn Tage lang zu sehen war und
von Hevel, dem bekannten danziger Bürgermeister und Astronomen in seinem
Werke mit einem Schlangenköpfe mit blauen Füßen abgebildet wurde, die
Vertreibung der Sarazenen aus Italien. Der von 837 veranlaßte Ludwig
den Frommen, zu Besänftigung des himmlischen Zornes zahlreiche Kirchen und
Klöster zu erbauen. Der Komet von -1436 (jetzt nach Halley benannt) sollte
den Untergang des oströmischen Reichs durch die Türken verkündet haben. Der
von 1336 (derselbe, welcher jetzt erwartet wird) trieb Karl V. an, die Krone
niederzulegen und ins Kloster zu gehen. Der große tychosche von 1377 hat
nach Weigel „dem türkischen Mustaphae seinen Untergang, so mit 70,000
Menschen umgekommen, mitgebracht. Ungleichen ist Sebastians, Könige in
Portugal!, der Zug in Afrikam sehr übel gelungen, sintemal er mit dem besten
Adel und Kriegsvolk daselbst ist erschlagen worden." Der von 1618 endlich
hatte den Beginn des dreißigjährigen Kriegs angesagt.

Dieser Aberglaube war noch im siebzehnten Jahrhundert, wie die beiden
zuletzt angeführten Schriftsteller zeigen, selbst unter Gelehrten verbreitet, und sogar
später, als man gelernt, daß die Kometen Weltkörper seien, vermochte man sich
nicht ganz von seinem unheimlichen Zauber loszumachen. Newton, welcher die
noch heute in manchen Kreisen verbreitete Ansicht hegte, daß die Stoffe, aus
denen die Schweife der Kometen bestehen, durch ihre eigne Schwere in die. At¬
mosphäre der Planeten fallen und sich dort verdichten, glaubte in ihnen die Ursache
zu allen möglichen chemischen Reactionen zu finden, aus denen dann Seuchen
sich entwickelten. Noch im Jahre 1829 schloß der englische Arzt Forster sein
voluminöses Buch über die atmosphärischen Ursachen der Epidemien mit der
Behauptung, es sei „ganz gewiß, daß seit dem Anfange unserer Zeitrechnung
die ungesundesten Zeiten auch immer die an Kometen reichsten gewesen sind."

Wir haben nicht erst daran zu erinnern, daß die 300 Kometenerscheinungen,
welche Förster als Beispiele anführt, nur in einigen Gegenden der Erde von
Krankheiten begleitet waren, daß er bei den meisten nichts Anderes beizubringen
weiß, als etwa: Großer Komet und Pest in London oder: Großer Komet
und Sterben der Katzen in Westphalen u. s. w., daß grade zwei der glän-
zencsten Kamelen, der von 1K80 und der von 18i3 keine Epidemien mit sich
brachten und daß der von 1351 sogar zu Ende der furchtoaren Seuche des
schwarzen Todes erschien, also, wenn überhaupt von Bedeutung für die Ge-
sundheilöverhältiusse auf der Erde, von heilsamer war.

Man lächelt j.tzt über solchen und ähnlichen Aberglauben und bemitleidet
die, welche sich von ihm schrecken ließen. Man kennt die Natur der Kometen
ziemlich genau. Aber grade die Kenntniß ihrer Bewegungen hat eine andere
Furcht geboren, die nämlich vor einem möglichen Zusammenstoß unserer Erde


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[0276] von 633 sollte die Ausbreitung des Islam und der Araberherrschaft ange¬ kündigt haben, der von 1003, welcher dreizehn Tage lang zu sehen war und von Hevel, dem bekannten danziger Bürgermeister und Astronomen in seinem Werke mit einem Schlangenköpfe mit blauen Füßen abgebildet wurde, die Vertreibung der Sarazenen aus Italien. Der von 837 veranlaßte Ludwig den Frommen, zu Besänftigung des himmlischen Zornes zahlreiche Kirchen und Klöster zu erbauen. Der Komet von -1436 (jetzt nach Halley benannt) sollte den Untergang des oströmischen Reichs durch die Türken verkündet haben. Der von 1336 (derselbe, welcher jetzt erwartet wird) trieb Karl V. an, die Krone niederzulegen und ins Kloster zu gehen. Der große tychosche von 1377 hat nach Weigel „dem türkischen Mustaphae seinen Untergang, so mit 70,000 Menschen umgekommen, mitgebracht. Ungleichen ist Sebastians, Könige in Portugal!, der Zug in Afrikam sehr übel gelungen, sintemal er mit dem besten Adel und Kriegsvolk daselbst ist erschlagen worden." Der von 1618 endlich hatte den Beginn des dreißigjährigen Kriegs angesagt. Dieser Aberglaube war noch im siebzehnten Jahrhundert, wie die beiden zuletzt angeführten Schriftsteller zeigen, selbst unter Gelehrten verbreitet, und sogar später, als man gelernt, daß die Kometen Weltkörper seien, vermochte man sich nicht ganz von seinem unheimlichen Zauber loszumachen. Newton, welcher die noch heute in manchen Kreisen verbreitete Ansicht hegte, daß die Stoffe, aus denen die Schweife der Kometen bestehen, durch ihre eigne Schwere in die. At¬ mosphäre der Planeten fallen und sich dort verdichten, glaubte in ihnen die Ursache zu allen möglichen chemischen Reactionen zu finden, aus denen dann Seuchen sich entwickelten. Noch im Jahre 1829 schloß der englische Arzt Forster sein voluminöses Buch über die atmosphärischen Ursachen der Epidemien mit der Behauptung, es sei „ganz gewiß, daß seit dem Anfange unserer Zeitrechnung die ungesundesten Zeiten auch immer die an Kometen reichsten gewesen sind." Wir haben nicht erst daran zu erinnern, daß die 300 Kometenerscheinungen, welche Förster als Beispiele anführt, nur in einigen Gegenden der Erde von Krankheiten begleitet waren, daß er bei den meisten nichts Anderes beizubringen weiß, als etwa: Großer Komet und Pest in London oder: Großer Komet und Sterben der Katzen in Westphalen u. s. w., daß grade zwei der glän- zencsten Kamelen, der von 1K80 und der von 18i3 keine Epidemien mit sich brachten und daß der von 1351 sogar zu Ende der furchtoaren Seuche des schwarzen Todes erschien, also, wenn überhaupt von Bedeutung für die Ge- sundheilöverhältiusse auf der Erde, von heilsamer war. Man lächelt j.tzt über solchen und ähnlichen Aberglauben und bemitleidet die, welche sich von ihm schrecken ließen. Man kennt die Natur der Kometen ziemlich genau. Aber grade die Kenntniß ihrer Bewegungen hat eine andere Furcht geboren, die nämlich vor einem möglichen Zusammenstoß unserer Erde

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104200/276>, abgerufen am 12.12.2024.