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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band.

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Merkzeichen einer Uebergangsperiodie und die ungetheilte Anerkennung der
neuen Grundsätze wird nicht lange auf sich warten lassen.

Wenn man in solcher Beziehung die kommenden Veränderungen ziemlich
klar übersehen kann, mag man nichtsdestoweniger über einen Punkt in
Ungewißheit sein, es ist daS die Entwicklung, welche auf Grundlage eines
durchaus neuen Materials an Schiffen und Geschützen die Seetaktik neh¬
men wird. Die Hauptentscheidung liegt in der Frage, ob die lineare Ordnung
als Basis einer jeden Gefechtsstellung beibehalten werden wird oder nicht.
Mit andern Worten: ob das Bedürfniß der gemeinsam fechtenden Kriegsfahr¬
zeuge, sich Bug und Spiegel^gegenseitig zu decken fortbestehen wird, oder nicht?
Wenn hierauf bejahend geantwortet werden müßte, wäre damit zugleich darüber
entschieden, daß die modernen amerikanischen Fregatten durchaus an die Stelle
der Linienschiffe treten und in Zukunft thatsächlich als solche zählen würden-
Waö mich angeht, so erachte ich dies letztere für unwahrscheinlich und halte
dafür, daß die neuere Seetaktik ähnlich wie die zu Lande sich mehr'aus dem
Banne der Einheit befreien wird, in den sie die regelrechte Einordnung aller
Streitmächte in eine einzige Linie seither gethan, und daß die Schlachten der
kommenden Zeiten von einzelnen Abtheilungen, deren Verbindung zu einem
Ganzen durch ihre Theilung nicht behindert wird, geschlagen werden.




Die Chinesen der indischen Inseln.
(Nach Mittheilungen eines Deutschen aus Ostindien.)

Die neuesten Ereignisse im fernen Osten habe" abermals die Aufmerk¬
samkeit auf eine höchst eigenthümliche und für die Culturgeschichte unerme߬
licher und reich gesegneter Gebiete der Erdoberfläche folgenreiche Erscheinung,
die Verbreitung der Chinesen über die Inselwelt des indischen Oceans, hin¬
gelenkt. ES zeigt sich mehr und mehr, baß diese ostasiatische Emigration eine
für die Ausbreitung der europäischen Kolonisation und Herrschaft auf der
südlichen Hemisphäre keineswegs gleichgiltige Thatsache ist, daß die Chinesen
in der Diaspora, wie sie wichtige Träger der Landwirthschaft, des Bergbaues,
der Industrie und der Handelsthätigkeit in diesen Gegenden sind, mit ihrer
steigenden Vermehrung auch die Besorgnis; steigern, daß daS europäische Ele¬
ment, der asiatischen Starrheit gegenüber das einzige Element deS wahrhaften
und allseitigen Culturfortschritts, von ihnen verschlungen oder wenigstens in
den Hintergrund gedrängt werde. Es ist daher nicht bloße Redensart, wenn
die englischen Blätter die chinesische Frage als eine Frage von allgemeiner


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Merkzeichen einer Uebergangsperiodie und die ungetheilte Anerkennung der
neuen Grundsätze wird nicht lange auf sich warten lassen.

Wenn man in solcher Beziehung die kommenden Veränderungen ziemlich
klar übersehen kann, mag man nichtsdestoweniger über einen Punkt in
Ungewißheit sein, es ist daS die Entwicklung, welche auf Grundlage eines
durchaus neuen Materials an Schiffen und Geschützen die Seetaktik neh¬
men wird. Die Hauptentscheidung liegt in der Frage, ob die lineare Ordnung
als Basis einer jeden Gefechtsstellung beibehalten werden wird oder nicht.
Mit andern Worten: ob das Bedürfniß der gemeinsam fechtenden Kriegsfahr¬
zeuge, sich Bug und Spiegel^gegenseitig zu decken fortbestehen wird, oder nicht?
Wenn hierauf bejahend geantwortet werden müßte, wäre damit zugleich darüber
entschieden, daß die modernen amerikanischen Fregatten durchaus an die Stelle
der Linienschiffe treten und in Zukunft thatsächlich als solche zählen würden-
Waö mich angeht, so erachte ich dies letztere für unwahrscheinlich und halte
dafür, daß die neuere Seetaktik ähnlich wie die zu Lande sich mehr'aus dem
Banne der Einheit befreien wird, in den sie die regelrechte Einordnung aller
Streitmächte in eine einzige Linie seither gethan, und daß die Schlachten der
kommenden Zeiten von einzelnen Abtheilungen, deren Verbindung zu einem
Ganzen durch ihre Theilung nicht behindert wird, geschlagen werden.




Die Chinesen der indischen Inseln.
(Nach Mittheilungen eines Deutschen aus Ostindien.)

Die neuesten Ereignisse im fernen Osten habe» abermals die Aufmerk¬
samkeit auf eine höchst eigenthümliche und für die Culturgeschichte unerme߬
licher und reich gesegneter Gebiete der Erdoberfläche folgenreiche Erscheinung,
die Verbreitung der Chinesen über die Inselwelt des indischen Oceans, hin¬
gelenkt. ES zeigt sich mehr und mehr, baß diese ostasiatische Emigration eine
für die Ausbreitung der europäischen Kolonisation und Herrschaft auf der
südlichen Hemisphäre keineswegs gleichgiltige Thatsache ist, daß die Chinesen
in der Diaspora, wie sie wichtige Träger der Landwirthschaft, des Bergbaues,
der Industrie und der Handelsthätigkeit in diesen Gegenden sind, mit ihrer
steigenden Vermehrung auch die Besorgnis; steigern, daß daS europäische Ele¬
ment, der asiatischen Starrheit gegenüber das einzige Element deS wahrhaften
und allseitigen Culturfortschritts, von ihnen verschlungen oder wenigstens in
den Hintergrund gedrängt werde. Es ist daher nicht bloße Redensart, wenn
die englischen Blätter die chinesische Frage als eine Frage von allgemeiner


Grenzboten. III. <8ö7. 29
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[0233] Merkzeichen einer Uebergangsperiodie und die ungetheilte Anerkennung der neuen Grundsätze wird nicht lange auf sich warten lassen. Wenn man in solcher Beziehung die kommenden Veränderungen ziemlich klar übersehen kann, mag man nichtsdestoweniger über einen Punkt in Ungewißheit sein, es ist daS die Entwicklung, welche auf Grundlage eines durchaus neuen Materials an Schiffen und Geschützen die Seetaktik neh¬ men wird. Die Hauptentscheidung liegt in der Frage, ob die lineare Ordnung als Basis einer jeden Gefechtsstellung beibehalten werden wird oder nicht. Mit andern Worten: ob das Bedürfniß der gemeinsam fechtenden Kriegsfahr¬ zeuge, sich Bug und Spiegel^gegenseitig zu decken fortbestehen wird, oder nicht? Wenn hierauf bejahend geantwortet werden müßte, wäre damit zugleich darüber entschieden, daß die modernen amerikanischen Fregatten durchaus an die Stelle der Linienschiffe treten und in Zukunft thatsächlich als solche zählen würden- Waö mich angeht, so erachte ich dies letztere für unwahrscheinlich und halte dafür, daß die neuere Seetaktik ähnlich wie die zu Lande sich mehr'aus dem Banne der Einheit befreien wird, in den sie die regelrechte Einordnung aller Streitmächte in eine einzige Linie seither gethan, und daß die Schlachten der kommenden Zeiten von einzelnen Abtheilungen, deren Verbindung zu einem Ganzen durch ihre Theilung nicht behindert wird, geschlagen werden. Die Chinesen der indischen Inseln. (Nach Mittheilungen eines Deutschen aus Ostindien.) Die neuesten Ereignisse im fernen Osten habe» abermals die Aufmerk¬ samkeit auf eine höchst eigenthümliche und für die Culturgeschichte unerme߬ licher und reich gesegneter Gebiete der Erdoberfläche folgenreiche Erscheinung, die Verbreitung der Chinesen über die Inselwelt des indischen Oceans, hin¬ gelenkt. ES zeigt sich mehr und mehr, baß diese ostasiatische Emigration eine für die Ausbreitung der europäischen Kolonisation und Herrschaft auf der südlichen Hemisphäre keineswegs gleichgiltige Thatsache ist, daß die Chinesen in der Diaspora, wie sie wichtige Träger der Landwirthschaft, des Bergbaues, der Industrie und der Handelsthätigkeit in diesen Gegenden sind, mit ihrer steigenden Vermehrung auch die Besorgnis; steigern, daß daS europäische Ele¬ ment, der asiatischen Starrheit gegenüber das einzige Element deS wahrhaften und allseitigen Culturfortschritts, von ihnen verschlungen oder wenigstens in den Hintergrund gedrängt werde. Es ist daher nicht bloße Redensart, wenn die englischen Blätter die chinesische Frage als eine Frage von allgemeiner Grenzboten. III. <8ö7. 29

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104200/233>, abgerufen am 29.06.2024.