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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band.

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Wichtigkeit für'die Civilisationsgeschichtc, den in einigen Hafenplätzen Chinas
anögebrochnen Kampf als einen Kampf der europäischen Civilisation gegen
asiatische Barbarei darstellen, von welchem nicht blos das Geschick des Kaiser-
thums China, sondern der europäischen Cultur auf der südasiatischen Inselwelt
überhaupt abhänge. Eine genaue Kenntniß der Zustände auf den ostindischen
Inseln führt zu der Ueberzeugung, daß die Angriffe, welche hier und da gegen
die Europäer unternommen wurden, sich nicht zufällig in der letzte" Zeit gehäuft
haben, sondern eine Rückwirkung der Ereignisse in China selbst sind. Die
nachfolgenden, von einem im niederländischen Ostindien wohnenden Deutschen
mitgetheilten Notizen lassen lehrreiche Blicke in die einschlagenden Verhält¬
nisse thun.

Die Chinesen treiben alle Beschäftigungen, wie die Europäer in ihrer
Heimath. In den Städten des niederländischen Ostindien sind sie theils Hand¬
werker: Schuhmacher, Schneider, Wagenmacher, Schlosser u. f. w. und zeich¬
nen sich durch ihre soliden und zugleich zierlichen Arbeiten, wie durch Fleiß
und Betriebsamkeit vor den trägen und plumpe" Javaner? aus, theils und
vorzugsweise Kleinhändler. In Batavia sind alle Handwerker Chinesen. Sie
haben bei den holländischen Handlungshäusern guten Credit, weil sie als pünkt¬
liche Zahler bekannt sind und sich vor dem Bankerotte ebensosehr, vielleicht noch
mehr fürchten als die Europäer. Jeder kauft hier bei den Chinesen, weil sie
sich mit dem kleinsten Gewinn begnügen und die Waare um die Hälfte oder
zwei Drittheile billiger liefern, als die europäischen Kaufhäuser. Trotzdem er¬
werben sie nicht Seite" ein bedeutendes Vermögen. Die Chinesen auf den
Inseln Bank" und Billilon, wo sie die Hälfte der Einwohner ausmachen, arbei¬
ten fast ausschließlich als Bergleute in den Zinnminen, ebenso auf Pinang oder
Prince Walesinsel. Chinesische Ackerbauer gibt es nur in den Provinzen Baiitam
und Batavia, doch sind diese ein besonderer und roherer Zweig, der nicht einmal
dieselbe Sprache spricht, und im Gegensatz zu den übrigen oder Küstenchinesen
als Bergchinesen bezeichnet wird. Die letztern sind durch die unter ihnen häufig
vorkommenvcn Mordthaten berüchtigt. Uebrigens betreiben die chinesischen Händler
auch einen bedeutenden Handel mit den Javanen des Innern durch Hausirer, die
sie im Laube umherschicken. Da viele von ihnen bedeutendes Vermögen be¬
sitzen, so befassen sie sich ferner auch mit dem Großhandel, indem sie ganze
Schiffe chartern und mit Reis oder Häute" nach Siam, Singapore oder China
schicken. Die reichen Chinesen sind aber meist selbst Rheder und besitzen bis
zu zehn eignen Schiffen, die sie mit Gütern nach den verschiedenen Küsten¬
plätzen der Sundainseln, Molukken u. s. w. senden. In Bezug auf geistige
Bildung haben die Chinesen in den Seeplätzen den Charakter ihrer Heimath
bewahrt. A" Höflichkeit und seinem Takt im geselligen und geschäftlichen
Umgange übertreffen sie den derben Holländer bei weitem, und zeichnen sich


Wichtigkeit für'die Civilisationsgeschichtc, den in einigen Hafenplätzen Chinas
anögebrochnen Kampf als einen Kampf der europäischen Civilisation gegen
asiatische Barbarei darstellen, von welchem nicht blos das Geschick des Kaiser-
thums China, sondern der europäischen Cultur auf der südasiatischen Inselwelt
überhaupt abhänge. Eine genaue Kenntniß der Zustände auf den ostindischen
Inseln führt zu der Ueberzeugung, daß die Angriffe, welche hier und da gegen
die Europäer unternommen wurden, sich nicht zufällig in der letzte» Zeit gehäuft
haben, sondern eine Rückwirkung der Ereignisse in China selbst sind. Die
nachfolgenden, von einem im niederländischen Ostindien wohnenden Deutschen
mitgetheilten Notizen lassen lehrreiche Blicke in die einschlagenden Verhält¬
nisse thun.

Die Chinesen treiben alle Beschäftigungen, wie die Europäer in ihrer
Heimath. In den Städten des niederländischen Ostindien sind sie theils Hand¬
werker: Schuhmacher, Schneider, Wagenmacher, Schlosser u. f. w. und zeich¬
nen sich durch ihre soliden und zugleich zierlichen Arbeiten, wie durch Fleiß
und Betriebsamkeit vor den trägen und plumpe» Javaner? aus, theils und
vorzugsweise Kleinhändler. In Batavia sind alle Handwerker Chinesen. Sie
haben bei den holländischen Handlungshäusern guten Credit, weil sie als pünkt¬
liche Zahler bekannt sind und sich vor dem Bankerotte ebensosehr, vielleicht noch
mehr fürchten als die Europäer. Jeder kauft hier bei den Chinesen, weil sie
sich mit dem kleinsten Gewinn begnügen und die Waare um die Hälfte oder
zwei Drittheile billiger liefern, als die europäischen Kaufhäuser. Trotzdem er¬
werben sie nicht Seite» ein bedeutendes Vermögen. Die Chinesen auf den
Inseln Bank« und Billilon, wo sie die Hälfte der Einwohner ausmachen, arbei¬
ten fast ausschließlich als Bergleute in den Zinnminen, ebenso auf Pinang oder
Prince Walesinsel. Chinesische Ackerbauer gibt es nur in den Provinzen Baiitam
und Batavia, doch sind diese ein besonderer und roherer Zweig, der nicht einmal
dieselbe Sprache spricht, und im Gegensatz zu den übrigen oder Küstenchinesen
als Bergchinesen bezeichnet wird. Die letztern sind durch die unter ihnen häufig
vorkommenvcn Mordthaten berüchtigt. Uebrigens betreiben die chinesischen Händler
auch einen bedeutenden Handel mit den Javanen des Innern durch Hausirer, die
sie im Laube umherschicken. Da viele von ihnen bedeutendes Vermögen be¬
sitzen, so befassen sie sich ferner auch mit dem Großhandel, indem sie ganze
Schiffe chartern und mit Reis oder Häute» nach Siam, Singapore oder China
schicken. Die reichen Chinesen sind aber meist selbst Rheder und besitzen bis
zu zehn eignen Schiffen, die sie mit Gütern nach den verschiedenen Küsten¬
plätzen der Sundainseln, Molukken u. s. w. senden. In Bezug auf geistige
Bildung haben die Chinesen in den Seeplätzen den Charakter ihrer Heimath
bewahrt. A» Höflichkeit und seinem Takt im geselligen und geschäftlichen
Umgange übertreffen sie den derben Holländer bei weitem, und zeichnen sich


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[0234] Wichtigkeit für'die Civilisationsgeschichtc, den in einigen Hafenplätzen Chinas anögebrochnen Kampf als einen Kampf der europäischen Civilisation gegen asiatische Barbarei darstellen, von welchem nicht blos das Geschick des Kaiser- thums China, sondern der europäischen Cultur auf der südasiatischen Inselwelt überhaupt abhänge. Eine genaue Kenntniß der Zustände auf den ostindischen Inseln führt zu der Ueberzeugung, daß die Angriffe, welche hier und da gegen die Europäer unternommen wurden, sich nicht zufällig in der letzte» Zeit gehäuft haben, sondern eine Rückwirkung der Ereignisse in China selbst sind. Die nachfolgenden, von einem im niederländischen Ostindien wohnenden Deutschen mitgetheilten Notizen lassen lehrreiche Blicke in die einschlagenden Verhält¬ nisse thun. Die Chinesen treiben alle Beschäftigungen, wie die Europäer in ihrer Heimath. In den Städten des niederländischen Ostindien sind sie theils Hand¬ werker: Schuhmacher, Schneider, Wagenmacher, Schlosser u. f. w. und zeich¬ nen sich durch ihre soliden und zugleich zierlichen Arbeiten, wie durch Fleiß und Betriebsamkeit vor den trägen und plumpe» Javaner? aus, theils und vorzugsweise Kleinhändler. In Batavia sind alle Handwerker Chinesen. Sie haben bei den holländischen Handlungshäusern guten Credit, weil sie als pünkt¬ liche Zahler bekannt sind und sich vor dem Bankerotte ebensosehr, vielleicht noch mehr fürchten als die Europäer. Jeder kauft hier bei den Chinesen, weil sie sich mit dem kleinsten Gewinn begnügen und die Waare um die Hälfte oder zwei Drittheile billiger liefern, als die europäischen Kaufhäuser. Trotzdem er¬ werben sie nicht Seite» ein bedeutendes Vermögen. Die Chinesen auf den Inseln Bank« und Billilon, wo sie die Hälfte der Einwohner ausmachen, arbei¬ ten fast ausschließlich als Bergleute in den Zinnminen, ebenso auf Pinang oder Prince Walesinsel. Chinesische Ackerbauer gibt es nur in den Provinzen Baiitam und Batavia, doch sind diese ein besonderer und roherer Zweig, der nicht einmal dieselbe Sprache spricht, und im Gegensatz zu den übrigen oder Küstenchinesen als Bergchinesen bezeichnet wird. Die letztern sind durch die unter ihnen häufig vorkommenvcn Mordthaten berüchtigt. Uebrigens betreiben die chinesischen Händler auch einen bedeutenden Handel mit den Javanen des Innern durch Hausirer, die sie im Laube umherschicken. Da viele von ihnen bedeutendes Vermögen be¬ sitzen, so befassen sie sich ferner auch mit dem Großhandel, indem sie ganze Schiffe chartern und mit Reis oder Häute» nach Siam, Singapore oder China schicken. Die reichen Chinesen sind aber meist selbst Rheder und besitzen bis zu zehn eignen Schiffen, die sie mit Gütern nach den verschiedenen Küsten¬ plätzen der Sundainseln, Molukken u. s. w. senden. In Bezug auf geistige Bildung haben die Chinesen in den Seeplätzen den Charakter ihrer Heimath bewahrt. A» Höflichkeit und seinem Takt im geselligen und geschäftlichen Umgange übertreffen sie den derben Holländer bei weitem, und zeichnen sich

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104200/234>, abgerufen am 01.07.2024.