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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band.

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Wir übergehen die zahlreichen polnischen, griechischen und armenischen
Gutspächter, und berühren zum Schluß noch eine letzte Kategorie von Aus¬
ländern: die der Aerzte und Apotheker. Wenn unter letzteren sich noch ein
und der andere unwissende eingeschlichen hat, was bei den jetzigen Sanitäts¬
vorschriften schon sehr schwierig ist, so gereichen die ersteren, die fast sämmtlich
seit kürzerer oder längerer Zeit aus Deutschland eingewandert sind, ihrer Hei¬
math zur Ehre. Die Reorganisation der Fürstentümer wird in Betreff der
Sanitätsmaßregeln am wenigsten zu thun haben. Nur möchten wir keinem
jungen deutschen Mediciner rathen, sich durch diese anerkennenden Aeuße¬
rungen zu einer Reise in die Moldau verlocken zu lassen; daS Land hat gegen¬
wärtig mehr als genug Aerzte, und wenn einzelne Celebritäten in glänzenden
pecuniären Verhältnissen leben, so wird eS doch den Anfängern äußerst schwer,
sich eine Bahn zu brechen.

Bei der Besprechung der Fremden in der Moldau fällt uns schließlich
noch ein Umstand ein, der nicht allen Lesern bekannt sein möchte: die Türken
sind die wenigst begünstigten Fremden im Lande, und dürfen nicht einmal
eine Moschee bauen auf moldauischen Grund und Boden. Die allgemeine
Zeitung, welche die Verhältnisse doch gewiß genau studirt hat, gebrauchte
trotzdem monatelang den Ausdruck "Souveränetät", wenn sie von dem Ver¬
hältniß deS Sultans zu den Fürstenthümern sprach; erst seit kurzem hat sie
wieder angefangen "Suzeränetät" zu sagen.




Literatur.
Schleswig-holsteinische Literaten.

-- Die Kreuzzeitung jubelte nach der vor¬
letzten dänischen Note und ihrer Beantwortung durch Preußen hoch auf, daß es den
Dänen nicht gelingen solle, Lauenburg "todtzuschweigen." Aber von Schleswig
kein Wort! aber Schleswig wird todtgeschwiegen! und doch ist drei Jahre Krieg
geführt um Schleswig, und doch liegen wegen Schleswigs AKöO Deutsche ver¬
scharrt aus den Schlachtfeldern und mehr als SivO Deutsche krüppeln als Invaliden
umher -- wer die Namenliste der fruchtlosen Opfer sich ins Gedächtniß prägen
will, lese den Schleswig-holsteinischen Geschichtskalender. der in diesen
Tagen in Braunschweig erschienen ist -- und doch verheißen die deutschen Noten
von und die dänischen Zusagen aus jener Zeit, daß auch die schleswigschen
Stände über die Gesannutversafsung gehört werden sollen. Umsonst, die Diplomatie
hat das Talent, ein ganzes Land todtzuschweigen, und Stahl und Genossen haben
mit glänzendem Erfolg Schleswig zu Grabe getragen! Wo soll da die Achtung
vor den Cavineten bleiben, bei solchem Frevel an Zusagen, Verheißungen und Ge¬
löbnissen? Ist Schleswig nicht ein überwiegend deutsches Land? und ist der natio¬
nale Körper gesund, der nicht für die Erhaltung selner Theile das ganze Leben ein-


Wir übergehen die zahlreichen polnischen, griechischen und armenischen
Gutspächter, und berühren zum Schluß noch eine letzte Kategorie von Aus¬
ländern: die der Aerzte und Apotheker. Wenn unter letzteren sich noch ein
und der andere unwissende eingeschlichen hat, was bei den jetzigen Sanitäts¬
vorschriften schon sehr schwierig ist, so gereichen die ersteren, die fast sämmtlich
seit kürzerer oder längerer Zeit aus Deutschland eingewandert sind, ihrer Hei¬
math zur Ehre. Die Reorganisation der Fürstentümer wird in Betreff der
Sanitätsmaßregeln am wenigsten zu thun haben. Nur möchten wir keinem
jungen deutschen Mediciner rathen, sich durch diese anerkennenden Aeuße¬
rungen zu einer Reise in die Moldau verlocken zu lassen; daS Land hat gegen¬
wärtig mehr als genug Aerzte, und wenn einzelne Celebritäten in glänzenden
pecuniären Verhältnissen leben, so wird eS doch den Anfängern äußerst schwer,
sich eine Bahn zu brechen.

Bei der Besprechung der Fremden in der Moldau fällt uns schließlich
noch ein Umstand ein, der nicht allen Lesern bekannt sein möchte: die Türken
sind die wenigst begünstigten Fremden im Lande, und dürfen nicht einmal
eine Moschee bauen auf moldauischen Grund und Boden. Die allgemeine
Zeitung, welche die Verhältnisse doch gewiß genau studirt hat, gebrauchte
trotzdem monatelang den Ausdruck „Souveränetät", wenn sie von dem Ver¬
hältniß deS Sultans zu den Fürstenthümern sprach; erst seit kurzem hat sie
wieder angefangen „Suzeränetät" zu sagen.




Literatur.
Schleswig-holsteinische Literaten.

— Die Kreuzzeitung jubelte nach der vor¬
letzten dänischen Note und ihrer Beantwortung durch Preußen hoch auf, daß es den
Dänen nicht gelingen solle, Lauenburg „todtzuschweigen." Aber von Schleswig
kein Wort! aber Schleswig wird todtgeschwiegen! und doch ist drei Jahre Krieg
geführt um Schleswig, und doch liegen wegen Schleswigs AKöO Deutsche ver¬
scharrt aus den Schlachtfeldern und mehr als SivO Deutsche krüppeln als Invaliden
umher — wer die Namenliste der fruchtlosen Opfer sich ins Gedächtniß prägen
will, lese den Schleswig-holsteinischen Geschichtskalender. der in diesen
Tagen in Braunschweig erschienen ist — und doch verheißen die deutschen Noten
von und die dänischen Zusagen aus jener Zeit, daß auch die schleswigschen
Stände über die Gesannutversafsung gehört werden sollen. Umsonst, die Diplomatie
hat das Talent, ein ganzes Land todtzuschweigen, und Stahl und Genossen haben
mit glänzendem Erfolg Schleswig zu Grabe getragen! Wo soll da die Achtung
vor den Cavineten bleiben, bei solchem Frevel an Zusagen, Verheißungen und Ge¬
löbnissen? Ist Schleswig nicht ein überwiegend deutsches Land? und ist der natio¬
nale Körper gesund, der nicht für die Erhaltung selner Theile das ganze Leben ein-


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[0126] Wir übergehen die zahlreichen polnischen, griechischen und armenischen Gutspächter, und berühren zum Schluß noch eine letzte Kategorie von Aus¬ ländern: die der Aerzte und Apotheker. Wenn unter letzteren sich noch ein und der andere unwissende eingeschlichen hat, was bei den jetzigen Sanitäts¬ vorschriften schon sehr schwierig ist, so gereichen die ersteren, die fast sämmtlich seit kürzerer oder längerer Zeit aus Deutschland eingewandert sind, ihrer Hei¬ math zur Ehre. Die Reorganisation der Fürstentümer wird in Betreff der Sanitätsmaßregeln am wenigsten zu thun haben. Nur möchten wir keinem jungen deutschen Mediciner rathen, sich durch diese anerkennenden Aeuße¬ rungen zu einer Reise in die Moldau verlocken zu lassen; daS Land hat gegen¬ wärtig mehr als genug Aerzte, und wenn einzelne Celebritäten in glänzenden pecuniären Verhältnissen leben, so wird eS doch den Anfängern äußerst schwer, sich eine Bahn zu brechen. Bei der Besprechung der Fremden in der Moldau fällt uns schließlich noch ein Umstand ein, der nicht allen Lesern bekannt sein möchte: die Türken sind die wenigst begünstigten Fremden im Lande, und dürfen nicht einmal eine Moschee bauen auf moldauischen Grund und Boden. Die allgemeine Zeitung, welche die Verhältnisse doch gewiß genau studirt hat, gebrauchte trotzdem monatelang den Ausdruck „Souveränetät", wenn sie von dem Ver¬ hältniß deS Sultans zu den Fürstenthümern sprach; erst seit kurzem hat sie wieder angefangen „Suzeränetät" zu sagen. Literatur. Schleswig-holsteinische Literaten. — Die Kreuzzeitung jubelte nach der vor¬ letzten dänischen Note und ihrer Beantwortung durch Preußen hoch auf, daß es den Dänen nicht gelingen solle, Lauenburg „todtzuschweigen." Aber von Schleswig kein Wort! aber Schleswig wird todtgeschwiegen! und doch ist drei Jahre Krieg geführt um Schleswig, und doch liegen wegen Schleswigs AKöO Deutsche ver¬ scharrt aus den Schlachtfeldern und mehr als SivO Deutsche krüppeln als Invaliden umher — wer die Namenliste der fruchtlosen Opfer sich ins Gedächtniß prägen will, lese den Schleswig-holsteinischen Geschichtskalender. der in diesen Tagen in Braunschweig erschienen ist — und doch verheißen die deutschen Noten von und die dänischen Zusagen aus jener Zeit, daß auch die schleswigschen Stände über die Gesannutversafsung gehört werden sollen. Umsonst, die Diplomatie hat das Talent, ein ganzes Land todtzuschweigen, und Stahl und Genossen haben mit glänzendem Erfolg Schleswig zu Grabe getragen! Wo soll da die Achtung vor den Cavineten bleiben, bei solchem Frevel an Zusagen, Verheißungen und Ge¬ löbnissen? Ist Schleswig nicht ein überwiegend deutsches Land? und ist der natio¬ nale Körper gesund, der nicht für die Erhaltung selner Theile das ganze Leben ein-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104200/126>, abgerufen am 22.07.2024.