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Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band.

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Skizzen ans der Moldau.
' 3.
Soldaten, Juden und andere Fremde.

. Ueber das Militär ist in den Donaufürstenthümern wenig zu sagen. Die
Moldau hat zweitausend Mann, die als "stehendes Heer" figuriren könnten;
in der Walachei ist die bewaffnete Macht etwas größer, aber auch verhältni߬
mäßig unbedeutend. DaS Programm der Hoffnungen für die Zukunft ent¬
hält auch die Aussicht auf eine wohlorganisirte Armee, und kommt die Ver¬
einigung der Fürstenthümer zu Stande, so ist eine solche gewiß nothwendig,
um dem herrlichen Lande seine wahre Bedeutung zu verschaffen; bis jetzt war
auch die kleine Anzahl Soldaten eine unnütze Last. Die Infanterie marschirte
und erercirte ein wenig und bezog im Sommer ein Lager bei Jassu, die sieben
Kanonen machten bei feierlichen Gelegenheiten einigen Spektakel, und von der
Escadron Cavalerie ritten zwei Mann mit ihren Fähnlein vor und zwei
hinter dem Wagen des regierenden Fürsten, wenn Seine Durchlaucht auSzu-
fahren beliebte; was besonders dem letzten Hospodar, Gregor Ghika, sehr viel
Vergnügen machte.

Die Uniformirung ist ganz nach russischem Schnitt. Wo der gemeine
Mann herkommt, haben wir in dem Artikel über den Bauernstand gesehen,
also nur noch einige Worte über die Offiziere.

Diese befinden sich in Betreff ihrer Bildung und ihrer Ideen auf einer Stufe
mit den niederen Beamten, deren unverkennbares Streben nach Neuerungen wir
erwähnt haben. Sie gehören mit geringen Ausnahmen den Familien an, die
wir zum Mittelstande rechnen. Tritt einmal ein üls as tamills in daS Militär,
so geschieht es nur, um eine ungewöhnlich schnelle Carriere zu machen; er
kann bei gehörig placirter Verwandtschaft in 3--i Jahren Major und Obrist
werden. Die Zahl der Obristen in der Moldau ist überhaupt sehr groß; Fürst
Ghika hatte eine seltsame Liebhaberei dasür, sich mit Stabsoffizieren zu um¬
geben, und unter seiner seit einem Jahr der Geschichte angehörenden Regierung
ist die Masse derselben bis ins Fabelhafte gestiegen. Die Moldauer machen
sich selbst über ihre vielen Obristen lustig, und haben wahrhaftig recht darin.
Mit diesem Rang hat aber auch die militärische Carriere ein Ende, denn nur
ein einziger kann General oder "Generalinspector der Miliz" sein, und zu
diesem Posten, der mit Sitz und Stimme im Ministerium verbunden ist, ge¬
langen nur Glieder der ersten Familien des Landes.

Aus diesen Andeutungen kann man sich ungefähr ein Bild des ganzen
Militärwesens machen. Ein militärischer Kastengeist ist nicht zu bemerken,


Grenzboten III. -1867. 13
Skizzen ans der Moldau.
' 3.
Soldaten, Juden und andere Fremde.

. Ueber das Militär ist in den Donaufürstenthümern wenig zu sagen. Die
Moldau hat zweitausend Mann, die als „stehendes Heer" figuriren könnten;
in der Walachei ist die bewaffnete Macht etwas größer, aber auch verhältni߬
mäßig unbedeutend. DaS Programm der Hoffnungen für die Zukunft ent¬
hält auch die Aussicht auf eine wohlorganisirte Armee, und kommt die Ver¬
einigung der Fürstenthümer zu Stande, so ist eine solche gewiß nothwendig,
um dem herrlichen Lande seine wahre Bedeutung zu verschaffen; bis jetzt war
auch die kleine Anzahl Soldaten eine unnütze Last. Die Infanterie marschirte
und erercirte ein wenig und bezog im Sommer ein Lager bei Jassu, die sieben
Kanonen machten bei feierlichen Gelegenheiten einigen Spektakel, und von der
Escadron Cavalerie ritten zwei Mann mit ihren Fähnlein vor und zwei
hinter dem Wagen des regierenden Fürsten, wenn Seine Durchlaucht auSzu-
fahren beliebte; was besonders dem letzten Hospodar, Gregor Ghika, sehr viel
Vergnügen machte.

Die Uniformirung ist ganz nach russischem Schnitt. Wo der gemeine
Mann herkommt, haben wir in dem Artikel über den Bauernstand gesehen,
also nur noch einige Worte über die Offiziere.

Diese befinden sich in Betreff ihrer Bildung und ihrer Ideen auf einer Stufe
mit den niederen Beamten, deren unverkennbares Streben nach Neuerungen wir
erwähnt haben. Sie gehören mit geringen Ausnahmen den Familien an, die
wir zum Mittelstande rechnen. Tritt einmal ein üls as tamills in daS Militär,
so geschieht es nur, um eine ungewöhnlich schnelle Carriere zu machen; er
kann bei gehörig placirter Verwandtschaft in 3—i Jahren Major und Obrist
werden. Die Zahl der Obristen in der Moldau ist überhaupt sehr groß; Fürst
Ghika hatte eine seltsame Liebhaberei dasür, sich mit Stabsoffizieren zu um¬
geben, und unter seiner seit einem Jahr der Geschichte angehörenden Regierung
ist die Masse derselben bis ins Fabelhafte gestiegen. Die Moldauer machen
sich selbst über ihre vielen Obristen lustig, und haben wahrhaftig recht darin.
Mit diesem Rang hat aber auch die militärische Carriere ein Ende, denn nur
ein einziger kann General oder „Generalinspector der Miliz" sein, und zu
diesem Posten, der mit Sitz und Stimme im Ministerium verbunden ist, ge¬
langen nur Glieder der ersten Familien des Landes.

Aus diesen Andeutungen kann man sich ungefähr ein Bild des ganzen
Militärwesens machen. Ein militärischer Kastengeist ist nicht zu bemerken,


Grenzboten III. -1867. 13
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[0121] Skizzen ans der Moldau. ' 3. Soldaten, Juden und andere Fremde. . Ueber das Militär ist in den Donaufürstenthümern wenig zu sagen. Die Moldau hat zweitausend Mann, die als „stehendes Heer" figuriren könnten; in der Walachei ist die bewaffnete Macht etwas größer, aber auch verhältni߬ mäßig unbedeutend. DaS Programm der Hoffnungen für die Zukunft ent¬ hält auch die Aussicht auf eine wohlorganisirte Armee, und kommt die Ver¬ einigung der Fürstenthümer zu Stande, so ist eine solche gewiß nothwendig, um dem herrlichen Lande seine wahre Bedeutung zu verschaffen; bis jetzt war auch die kleine Anzahl Soldaten eine unnütze Last. Die Infanterie marschirte und erercirte ein wenig und bezog im Sommer ein Lager bei Jassu, die sieben Kanonen machten bei feierlichen Gelegenheiten einigen Spektakel, und von der Escadron Cavalerie ritten zwei Mann mit ihren Fähnlein vor und zwei hinter dem Wagen des regierenden Fürsten, wenn Seine Durchlaucht auSzu- fahren beliebte; was besonders dem letzten Hospodar, Gregor Ghika, sehr viel Vergnügen machte. Die Uniformirung ist ganz nach russischem Schnitt. Wo der gemeine Mann herkommt, haben wir in dem Artikel über den Bauernstand gesehen, also nur noch einige Worte über die Offiziere. Diese befinden sich in Betreff ihrer Bildung und ihrer Ideen auf einer Stufe mit den niederen Beamten, deren unverkennbares Streben nach Neuerungen wir erwähnt haben. Sie gehören mit geringen Ausnahmen den Familien an, die wir zum Mittelstande rechnen. Tritt einmal ein üls as tamills in daS Militär, so geschieht es nur, um eine ungewöhnlich schnelle Carriere zu machen; er kann bei gehörig placirter Verwandtschaft in 3—i Jahren Major und Obrist werden. Die Zahl der Obristen in der Moldau ist überhaupt sehr groß; Fürst Ghika hatte eine seltsame Liebhaberei dasür, sich mit Stabsoffizieren zu um¬ geben, und unter seiner seit einem Jahr der Geschichte angehörenden Regierung ist die Masse derselben bis ins Fabelhafte gestiegen. Die Moldauer machen sich selbst über ihre vielen Obristen lustig, und haben wahrhaftig recht darin. Mit diesem Rang hat aber auch die militärische Carriere ein Ende, denn nur ein einziger kann General oder „Generalinspector der Miliz" sein, und zu diesem Posten, der mit Sitz und Stimme im Ministerium verbunden ist, ge¬ langen nur Glieder der ersten Familien des Landes. Aus diesen Andeutungen kann man sich ungefähr ein Bild des ganzen Militärwesens machen. Ein militärischer Kastengeist ist nicht zu bemerken, Grenzboten III. -1867. 13

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 16, 1857, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341586_104200/121>, abgerufen am 11.12.2024.