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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band.

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wahren Stellung im europäischen System compromittiren werde, er wird vor¬
sichtig abwägen und balanciren, als ein weiser Türke, Specialkenntnisse im
Verwaltungsfach mag er nur wenige besitzen, indeß hatte ich Gelegenheit zu
bemerken, daß es ihm in den Geschäften nicht an Sorgsamkeit mangelt. Nei¬
gung, wenn auch nicht Talent, ziehen ihn zum Kriegswesen. Er commandirte
z. B. im Jahre 18SA in Syrien als Müschir, aber ohne Glück. Möglich,
daß er nächstens statt Reschid zum Großvezier erhoben wird.

Zum Schluß will ich noch Achmed Wefik Effendi nennen, den
Auscrkornen Reschids, den er in die Stelle Fuad Paschas schieben möchte.
Ein kleiner noch junger Mann, mit hübschem rundem Gesicht, 1830 in den
Donausürstenthümern Commissär, dann auf kurze Zeit in Persien, ist schüchtern
und sehr bescheiden. Er spricht französisch und persisch, italienisch und grie¬
chisch. Sicher ist er einer der besten unter den Aspiranten auf türkische
Ministerposten und man wird wahrscheinlich nächstens öfter von ihm hören-




Literatur.
Weihimchtsliteratm.

Den Anfang macht billig der neue Jahrgang des
illustrirten Kalenders von I. I. Weber. Leinwand und Gold aus dem Deckel,
sehr viele Holzschnitte im Buch und ein Text, der mit wahrhaft raffinirtem Reich¬
thum allen Ständen und menschlichen Interessen zu dienen bemüht ist. Die Neu¬
igkeiten des Himmels und der Erde, der Höfe, der Diplomatie, der politischen und
gelehrten Welt stehen friedlich nebeneinander. Der Kalender hat bereits ein großes
Publicum gewonnen, und es steht zu hoffen, daß auch in diesem Jahre die vier
goldenen Rosse, welche aus dem Deckel den Sonnenwagen im Galopp fortziehen,
ihren Lauf über zahlreiche Weihnachtstische zur Freude des Verlegers machen werden.

Ein anderes Weihnachtsgeschenk, welches mit Hilfe der zeichnenden Künste
entstand, ist: deutsches Stammbuch. Autographisches Album der Gegenwart.
Zweite, vermehrte und revidirte Auflage. Leipzig, Adolf Gumprecht 1837. Das
zierliche Werk enthält in Stammbuchform die Autographe von 121 Männern und
Frauen der Gegenwart, welche in dem Gebiet der Poesie, der Künste, der Wissen¬
schaft und der Politik Nus oder Ruhm gewonnen haben. Die Beiträge find mit
zwei Ausnahmen eigens für dies Album eingesandt, und es sind nicht wenig Verse
und Aussprüche darunter, welche, weil sie charakteristisch für die Schreiber oder an
sich schön sind, interessiren werden. Die Nachahmung der Handschrift ist fast immer
vortrefflich. Die äußere Ausstattung ist gut.

Blütenkranz neuer deutscher Dichtung. Herausgegeben von N. Gott¬
schall. Breslau, Trewendt und Granier. -- In zierlicher Ausstattung eine reiche
Auswahl von Gedichten neuerer Dichter, mancher wenig bekannte darunter, ge¬
ordnet nach den Kategorien: Natur, Liebe, Lebensweisheit, Weltbilder, Romanzen,


wahren Stellung im europäischen System compromittiren werde, er wird vor¬
sichtig abwägen und balanciren, als ein weiser Türke, Specialkenntnisse im
Verwaltungsfach mag er nur wenige besitzen, indeß hatte ich Gelegenheit zu
bemerken, daß es ihm in den Geschäften nicht an Sorgsamkeit mangelt. Nei¬
gung, wenn auch nicht Talent, ziehen ihn zum Kriegswesen. Er commandirte
z. B. im Jahre 18SA in Syrien als Müschir, aber ohne Glück. Möglich,
daß er nächstens statt Reschid zum Großvezier erhoben wird.

Zum Schluß will ich noch Achmed Wefik Effendi nennen, den
Auscrkornen Reschids, den er in die Stelle Fuad Paschas schieben möchte.
Ein kleiner noch junger Mann, mit hübschem rundem Gesicht, 1830 in den
Donausürstenthümern Commissär, dann auf kurze Zeit in Persien, ist schüchtern
und sehr bescheiden. Er spricht französisch und persisch, italienisch und grie¬
chisch. Sicher ist er einer der besten unter den Aspiranten auf türkische
Ministerposten und man wird wahrscheinlich nächstens öfter von ihm hören-




Literatur.
Weihimchtsliteratm.

Den Anfang macht billig der neue Jahrgang des
illustrirten Kalenders von I. I. Weber. Leinwand und Gold aus dem Deckel,
sehr viele Holzschnitte im Buch und ein Text, der mit wahrhaft raffinirtem Reich¬
thum allen Ständen und menschlichen Interessen zu dienen bemüht ist. Die Neu¬
igkeiten des Himmels und der Erde, der Höfe, der Diplomatie, der politischen und
gelehrten Welt stehen friedlich nebeneinander. Der Kalender hat bereits ein großes
Publicum gewonnen, und es steht zu hoffen, daß auch in diesem Jahre die vier
goldenen Rosse, welche aus dem Deckel den Sonnenwagen im Galopp fortziehen,
ihren Lauf über zahlreiche Weihnachtstische zur Freude des Verlegers machen werden.

Ein anderes Weihnachtsgeschenk, welches mit Hilfe der zeichnenden Künste
entstand, ist: deutsches Stammbuch. Autographisches Album der Gegenwart.
Zweite, vermehrte und revidirte Auflage. Leipzig, Adolf Gumprecht 1837. Das
zierliche Werk enthält in Stammbuchform die Autographe von 121 Männern und
Frauen der Gegenwart, welche in dem Gebiet der Poesie, der Künste, der Wissen¬
schaft und der Politik Nus oder Ruhm gewonnen haben. Die Beiträge find mit
zwei Ausnahmen eigens für dies Album eingesandt, und es sind nicht wenig Verse
und Aussprüche darunter, welche, weil sie charakteristisch für die Schreiber oder an
sich schön sind, interessiren werden. Die Nachahmung der Handschrift ist fast immer
vortrefflich. Die äußere Ausstattung ist gut.

Blütenkranz neuer deutscher Dichtung. Herausgegeben von N. Gott¬
schall. Breslau, Trewendt und Granier. — In zierlicher Ausstattung eine reiche
Auswahl von Gedichten neuerer Dichter, mancher wenig bekannte darunter, ge¬
ordnet nach den Kategorien: Natur, Liebe, Lebensweisheit, Weltbilder, Romanzen,


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[0522] wahren Stellung im europäischen System compromittiren werde, er wird vor¬ sichtig abwägen und balanciren, als ein weiser Türke, Specialkenntnisse im Verwaltungsfach mag er nur wenige besitzen, indeß hatte ich Gelegenheit zu bemerken, daß es ihm in den Geschäften nicht an Sorgsamkeit mangelt. Nei¬ gung, wenn auch nicht Talent, ziehen ihn zum Kriegswesen. Er commandirte z. B. im Jahre 18SA in Syrien als Müschir, aber ohne Glück. Möglich, daß er nächstens statt Reschid zum Großvezier erhoben wird. Zum Schluß will ich noch Achmed Wefik Effendi nennen, den Auscrkornen Reschids, den er in die Stelle Fuad Paschas schieben möchte. Ein kleiner noch junger Mann, mit hübschem rundem Gesicht, 1830 in den Donausürstenthümern Commissär, dann auf kurze Zeit in Persien, ist schüchtern und sehr bescheiden. Er spricht französisch und persisch, italienisch und grie¬ chisch. Sicher ist er einer der besten unter den Aspiranten auf türkische Ministerposten und man wird wahrscheinlich nächstens öfter von ihm hören- Literatur. Weihimchtsliteratm. Den Anfang macht billig der neue Jahrgang des illustrirten Kalenders von I. I. Weber. Leinwand und Gold aus dem Deckel, sehr viele Holzschnitte im Buch und ein Text, der mit wahrhaft raffinirtem Reich¬ thum allen Ständen und menschlichen Interessen zu dienen bemüht ist. Die Neu¬ igkeiten des Himmels und der Erde, der Höfe, der Diplomatie, der politischen und gelehrten Welt stehen friedlich nebeneinander. Der Kalender hat bereits ein großes Publicum gewonnen, und es steht zu hoffen, daß auch in diesem Jahre die vier goldenen Rosse, welche aus dem Deckel den Sonnenwagen im Galopp fortziehen, ihren Lauf über zahlreiche Weihnachtstische zur Freude des Verlegers machen werden. Ein anderes Weihnachtsgeschenk, welches mit Hilfe der zeichnenden Künste entstand, ist: deutsches Stammbuch. Autographisches Album der Gegenwart. Zweite, vermehrte und revidirte Auflage. Leipzig, Adolf Gumprecht 1837. Das zierliche Werk enthält in Stammbuchform die Autographe von 121 Männern und Frauen der Gegenwart, welche in dem Gebiet der Poesie, der Künste, der Wissen¬ schaft und der Politik Nus oder Ruhm gewonnen haben. Die Beiträge find mit zwei Ausnahmen eigens für dies Album eingesandt, und es sind nicht wenig Verse und Aussprüche darunter, welche, weil sie charakteristisch für die Schreiber oder an sich schön sind, interessiren werden. Die Nachahmung der Handschrift ist fast immer vortrefflich. Die äußere Ausstattung ist gut. Blütenkranz neuer deutscher Dichtung. Herausgegeben von N. Gott¬ schall. Breslau, Trewendt und Granier. — In zierlicher Ausstattung eine reiche Auswahl von Gedichten neuerer Dichter, mancher wenig bekannte darunter, ge¬ ordnet nach den Kategorien: Natur, Liebe, Lebensweisheit, Weltbilder, Romanzen,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_102594/522>, abgerufen am 23.07.2024.