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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band.

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den haben. Zu der.unsäglichen Arbeit, die auf ihre Abwicklung und Ent¬
zifferung gewandt ist, steht der Ertrag in gar keinem Verhältniß. Ein einziges
der verlorenen Bücher des Tacitus oder Livius hätte diese ganze herculanische
Bibliothek hundertfach aufgewogen,




Die polnische Frage.

8"um i'iiiqn?. Die rechte Antwort auf die Polen- und die große Zeitfrage.
Zur Beherzigung für die europäischen Staatsmänner von v,-. Johann
Metzig. Hamburg, Hoffmann u. Campe. --

Die Frage der Wiederherstellung Polens ist so vielseitig behandelt wor¬
den, daß kaum noch etwas zu sagen übrigbleibt. Da indeß die Freunde
Polens ihre alten Gründe immer von neuem wieder auf den Markt bringen,
so darf man nicht ermüden, in der alten Weise zu antworten, denn das Ge¬
dächtniß der Menge ist kurz und es darf nur eine neue Zeitströmung eintreten,
so tauchen die alten Ideen, die man längst widerlegt glaubte, von neuem wieder
auf. Die große Katastrophe des orientalischen Krieges mußte die stillen Hoffnungen
und Träume der Völker aufs neue wieder wach rufen und wenn auch die Ver¬
öffentlichungen der Staatsgeheimnisse gegenwärtig viel schneller und unerwar¬
teter erfolgen, als in früherer Zeit, so werden wir doch wahrscheinlich erst nach
einer Reihe von Jahren vollständig erfahren, was sich alles in dieser Zeit im
Geheimen geregt hat. Die Enthüllungen, welche vor einigen Tagen ein eng¬
lisches Blatt über die schwedische Politik brachte, sind bereits so erstaunlich,
daß die ganzen diplomatischen Verhandlungen dadurch ein neues Ansehen ge¬
winnen. W^ir müssen es abwarten, inwieweit eine Bestätigung erfolgen wird.
Auch die Beziehungen Sardiniens zu den Westmächten sind noch lange nicht
aufgeklärt und so mag denn auch die polnische Frage in ihren Verhandlungen
vielseitig angeregt worden sein. Noch haben die "Funken, die unter der trüge¬
rischen Asche schlummern", keine Gelegenheit gehabt, sich zu Heller Flamme zu
entzünden; aber zu lange wird die Gelegenheit nicht auf sich warten lassen.
Zwar ist, wie uns die neueste Broschüre des Herrn von Larochejaquelin belehrt,
ein Bündniß Frankreichs mit Rußland und eine Christianisirung der Türkei die
Signatur der Gegenwart; allein der Kaiser der Franzosen, dessen Erfolge im
letzten Augenblick das Glück durch die Geburt eines Thronerben besiegelt hat,
liebt es nicht, sich auch von seinen Freunden in die Karten sehen zu lassen und
so läßt sich noch gar nicht berechnen, ob daS Gewicht Frankreichs im entschei¬
denden Augenblick in die eine oder die andre Wagschale fallen wird. Freilich
ist es voreilig, wenn polnische Enthusiasten mit ihrem gewöhnlichen sanguini-


den haben. Zu der.unsäglichen Arbeit, die auf ihre Abwicklung und Ent¬
zifferung gewandt ist, steht der Ertrag in gar keinem Verhältniß. Ein einziges
der verlorenen Bücher des Tacitus oder Livius hätte diese ganze herculanische
Bibliothek hundertfach aufgewogen,




Die polnische Frage.

8„um i'iiiqn?. Die rechte Antwort auf die Polen- und die große Zeitfrage.
Zur Beherzigung für die europäischen Staatsmänner von v,-. Johann
Metzig. Hamburg, Hoffmann u. Campe. —

Die Frage der Wiederherstellung Polens ist so vielseitig behandelt wor¬
den, daß kaum noch etwas zu sagen übrigbleibt. Da indeß die Freunde
Polens ihre alten Gründe immer von neuem wieder auf den Markt bringen,
so darf man nicht ermüden, in der alten Weise zu antworten, denn das Ge¬
dächtniß der Menge ist kurz und es darf nur eine neue Zeitströmung eintreten,
so tauchen die alten Ideen, die man längst widerlegt glaubte, von neuem wieder
auf. Die große Katastrophe des orientalischen Krieges mußte die stillen Hoffnungen
und Träume der Völker aufs neue wieder wach rufen und wenn auch die Ver¬
öffentlichungen der Staatsgeheimnisse gegenwärtig viel schneller und unerwar¬
teter erfolgen, als in früherer Zeit, so werden wir doch wahrscheinlich erst nach
einer Reihe von Jahren vollständig erfahren, was sich alles in dieser Zeit im
Geheimen geregt hat. Die Enthüllungen, welche vor einigen Tagen ein eng¬
lisches Blatt über die schwedische Politik brachte, sind bereits so erstaunlich,
daß die ganzen diplomatischen Verhandlungen dadurch ein neues Ansehen ge¬
winnen. W^ir müssen es abwarten, inwieweit eine Bestätigung erfolgen wird.
Auch die Beziehungen Sardiniens zu den Westmächten sind noch lange nicht
aufgeklärt und so mag denn auch die polnische Frage in ihren Verhandlungen
vielseitig angeregt worden sein. Noch haben die „Funken, die unter der trüge¬
rischen Asche schlummern", keine Gelegenheit gehabt, sich zu Heller Flamme zu
entzünden; aber zu lange wird die Gelegenheit nicht auf sich warten lassen.
Zwar ist, wie uns die neueste Broschüre des Herrn von Larochejaquelin belehrt,
ein Bündniß Frankreichs mit Rußland und eine Christianisirung der Türkei die
Signatur der Gegenwart; allein der Kaiser der Franzosen, dessen Erfolge im
letzten Augenblick das Glück durch die Geburt eines Thronerben besiegelt hat,
liebt es nicht, sich auch von seinen Freunden in die Karten sehen zu lassen und
so läßt sich noch gar nicht berechnen, ob daS Gewicht Frankreichs im entschei¬
denden Augenblick in die eine oder die andre Wagschale fallen wird. Freilich
ist es voreilig, wenn polnische Enthusiasten mit ihrem gewöhnlichen sanguini-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_101526/70>, abgerufen am 05.07.2024.