Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. II. Band.denn ursprünglich betrachteten sie den Geist nicht als Kraft, sondern als ein Schließlich müssen wir noch diejenigen, welche von todten Naturkräften Neue Gedichte. Wir beginnen die Anzeige der neuen Beiträge, die uns in der gewöhn¬
denn ursprünglich betrachteten sie den Geist nicht als Kraft, sondern als ein Schließlich müssen wir noch diejenigen, welche von todten Naturkräften Neue Gedichte. Wir beginnen die Anzeige der neuen Beiträge, die uns in der gewöhn¬
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0239" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/101766"/> <p xml:id="ID_601" prev="#ID_600"> denn ursprünglich betrachteten sie den Geist nicht als Kraft, sondern als ein<lb/> bloßes Product der Materie; unsre Ansicht würde sich dagegen so ausdrücken<lb/> lassen, daß der Körper ein Product des Geistes sei. Nach unsern Voraus¬<lb/> setzungen ist aber diese Ansicht zu materialistischen Folgerungen offenbar un¬<lb/> brauchbar; sie sagt vielmehr zunächst aus, daß unser mathematisches oder, was<lb/> dasselbe sagen will, streng logisches Denken über jeden Gegenstand, also auch<lb/> über Moral und Recht, den Werth von Naturgesetzen besitzt, sie muß conse-<lb/> quenterweise dasselbe von der reinen Gemüthsthätigkeit, also dem Gewissen, be¬<lb/> haupten (wie wir das schon in einer früheren Nummer dieser Zeitschrift aus¬<lb/> geführt haben), sie führt endlich aus die Idee einer Urkraft, auf den Begriff<lb/> von Gott.</p><lb/> <p xml:id="ID_602"> Schließlich müssen wir noch diejenigen, welche von todten Naturkräften<lb/> im Gegensatz zum lebendigen Geiste zu sprechen gewohnt sind, darauf aufmerk¬<lb/> sam machen, daß diese Unterscheidung keinen Sinn mehr gibt. Sie wurde<lb/> nur deshalb gemacht, weil man die sogenannten todten Naturkräfte auf die<lb/> unorganische Natur beschränkt glaubte, mit der Entdeckung des Gegentheils<lb/> mußte sie natürlich wegfallen. Wir haben gar keinen Grund, die physikalischen<lb/> Kräfte zu mißachten, da wir nicht wissen, was sie sind und woher sie kommen,<lb/> dagegen, wie wir Gott uns denken, gezwungen sind zu glauben, daß er mittelst<lb/> derselben die Welt regiert.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Neue Gedichte.</head><lb/> <p xml:id="ID_603" next="#ID_604"> Wir beginnen die Anzeige der neuen Beiträge, die uns in der gewöhn¬<lb/> lichen Zahl vorliegen, mit der siebenten Auflage der Gedichte von Alfred<lb/> Meißner (Leipzig, Herbig). Sie haben sich ihr Publicum bereits erobert,<lb/> und wenn sie im Anfang von einzelnen Seiten überschätzt wurden, so sind sie<lb/> jetzt im Ganzen so richtig gewürdigt, daß weitere Bemerkungen überflüssig<lb/> werden. — Dasselbe gilt von den Liedern des Mirza-Schaffy von Friedrich<lb/> Bodenstedt, die in vierter Auflage erscheinen (Berlin, Decker). Wir versäu¬<lb/> men auch dies Mal nicht, ein Sprüchlein daraus anzuführen:</p><lb/> <quote> <lg xml:id="POEMID_9" type="poem"> <l> Es hat einmal ein Thor gesagt,<lb/> Daß der Mensch zum Leiden geboren worden;<lb/> Seitdem ist dies, — Gott seis geklagt! —<lb/> Der Spruch aller gläubigen Thoren worden.</l> <l> Und weil die Menge aus Thoren besteht,<lb/> Ist die Lust im Lande verschworen worden,<lb/> Es ist der Blick des Volkes kurz. ,<lb/> Und lang sind seine Ohren worden.</l> </lg> </quote><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0239]
denn ursprünglich betrachteten sie den Geist nicht als Kraft, sondern als ein
bloßes Product der Materie; unsre Ansicht würde sich dagegen so ausdrücken
lassen, daß der Körper ein Product des Geistes sei. Nach unsern Voraus¬
setzungen ist aber diese Ansicht zu materialistischen Folgerungen offenbar un¬
brauchbar; sie sagt vielmehr zunächst aus, daß unser mathematisches oder, was
dasselbe sagen will, streng logisches Denken über jeden Gegenstand, also auch
über Moral und Recht, den Werth von Naturgesetzen besitzt, sie muß conse-
quenterweise dasselbe von der reinen Gemüthsthätigkeit, also dem Gewissen, be¬
haupten (wie wir das schon in einer früheren Nummer dieser Zeitschrift aus¬
geführt haben), sie führt endlich aus die Idee einer Urkraft, auf den Begriff
von Gott.
Schließlich müssen wir noch diejenigen, welche von todten Naturkräften
im Gegensatz zum lebendigen Geiste zu sprechen gewohnt sind, darauf aufmerk¬
sam machen, daß diese Unterscheidung keinen Sinn mehr gibt. Sie wurde
nur deshalb gemacht, weil man die sogenannten todten Naturkräfte auf die
unorganische Natur beschränkt glaubte, mit der Entdeckung des Gegentheils
mußte sie natürlich wegfallen. Wir haben gar keinen Grund, die physikalischen
Kräfte zu mißachten, da wir nicht wissen, was sie sind und woher sie kommen,
dagegen, wie wir Gott uns denken, gezwungen sind zu glauben, daß er mittelst
derselben die Welt regiert.
Neue Gedichte.
Wir beginnen die Anzeige der neuen Beiträge, die uns in der gewöhn¬
lichen Zahl vorliegen, mit der siebenten Auflage der Gedichte von Alfred
Meißner (Leipzig, Herbig). Sie haben sich ihr Publicum bereits erobert,
und wenn sie im Anfang von einzelnen Seiten überschätzt wurden, so sind sie
jetzt im Ganzen so richtig gewürdigt, daß weitere Bemerkungen überflüssig
werden. — Dasselbe gilt von den Liedern des Mirza-Schaffy von Friedrich
Bodenstedt, die in vierter Auflage erscheinen (Berlin, Decker). Wir versäu¬
men auch dies Mal nicht, ein Sprüchlein daraus anzuführen:
Es hat einmal ein Thor gesagt,
Daß der Mensch zum Leiden geboren worden;
Seitdem ist dies, — Gott seis geklagt! —
Der Spruch aller gläubigen Thoren worden. Und weil die Menge aus Thoren besteht,
Ist die Lust im Lande verschworen worden,
Es ist der Blick des Volkes kurz. ,
Und lang sind seine Ohren worden.
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