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Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band.

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die Armeen. Der Oestreichs, welcher sich gar viel darauf einbildete, nach
seiner Meinung dem größten Herrn der Welt zu dienen, der Preuße, noch
zehrend von dem Ruhme seines großen Friedrich -- hielten so einen frankfurter,
Mainzer, pfälzcr Kriegshelden nicht einmal für einen Kameraden, und die Noth
mußte schon recht drücken, ehe er mit so einem trank oder gar Brüderschaft
machte. -- Die Eingenommenheit der Rcichsgenerale gegen die Oberbefehls¬
haber ihrer stolzen Verbündeten ward Ursache, daß die von diesen gegebenen
Befehle häufig nicht nur nicht befolgt, sondern sogar comräre Manöver und
vieles Unheil gestiftet wurde, von welchem die Kriegsgeschichte gar manches zu
erzählen weiß. Am höchsten aber stieg die allgemeine Erbitterung gegen die
Reichstruppen, als die in Mannheim stehenden Pfälzer diese wichtige Festung
den Franzosen ohne Ermächtigung des kaiserlichen Obercommandos übergaben.
Die Oestreicher verwünschten laut ihre schofelen Verbündeten und diese neckten
die Oestreicher mit ihren kurzen Nöckeln und elendem CommiSbrot. Aus der
Neckerei wurde schmachvolle Schadenfreude. Lauter Jubel erscholl bei den
Reichstruppen, so oft das Gerücht oder die Zeitung von irgendeiner Nieder¬
lage, vorzüglich unter den Oestreichern, etwas erwähnte und als Preußen mit
Frankreich Frieden machte, gönnten sie es den Halters, daß diese nun die
Franzosen allein aus dem Halse hätten und freuten sich darauf, daß diese ihnen
die Flügel beschneiden würden. "Ein Unteroffizier brachte die Nachricht von
der Uebergabe der Festung Luxemburg ins schwäbische Lager bei Altenheim,
wo er sie einigen Offizieren beim Stabsmarketender mittheilte. Diese Nachricht,
rief ein Offizier, ist Gold werth! Aha, ihr Herrn Halters, haben euch die
Franzosen dran gekriegt? Allons, dem Corporal eine Bouteille vom besten für
die gute Nachricht! Ein allgemeiner Jubel verbreitete sich sofort durchs ganze
Lager: jeder rief dem andern zu: weißt du schon, daß die kaiserlichen Kostbeutel
Luremburg eingebüßt haben? Ach, das ist brav, erwiderte der andere: das
haben die Kerls an uns verdient! Wenns nur Gottes Wille wäre, daß ihnen
die Franzosen das Fell noch recht tüchtig auögerbten."
'

So weit war es mit Deutschland gekommen! Es war Zeit, daß ein
Sturm über das Land fuhr und auch diese Reichsarmee verwehte. Die Kriegs¬
geschichte und das Andenken des Volkes haben über sie gerichtet! --




Die Stärke der großen Heere Europas im Vergleich zu dem
östreichischen.

Wie anmuthig auch die Friedenönachrichten in das Ohr des lange er¬
schreckten Publicums klingen, noch schwebt so viel Pulverrauch in der potiti-


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die Armeen. Der Oestreichs, welcher sich gar viel darauf einbildete, nach
seiner Meinung dem größten Herrn der Welt zu dienen, der Preuße, noch
zehrend von dem Ruhme seines großen Friedrich — hielten so einen frankfurter,
Mainzer, pfälzcr Kriegshelden nicht einmal für einen Kameraden, und die Noth
mußte schon recht drücken, ehe er mit so einem trank oder gar Brüderschaft
machte. — Die Eingenommenheit der Rcichsgenerale gegen die Oberbefehls¬
haber ihrer stolzen Verbündeten ward Ursache, daß die von diesen gegebenen
Befehle häufig nicht nur nicht befolgt, sondern sogar comräre Manöver und
vieles Unheil gestiftet wurde, von welchem die Kriegsgeschichte gar manches zu
erzählen weiß. Am höchsten aber stieg die allgemeine Erbitterung gegen die
Reichstruppen, als die in Mannheim stehenden Pfälzer diese wichtige Festung
den Franzosen ohne Ermächtigung des kaiserlichen Obercommandos übergaben.
Die Oestreicher verwünschten laut ihre schofelen Verbündeten und diese neckten
die Oestreicher mit ihren kurzen Nöckeln und elendem CommiSbrot. Aus der
Neckerei wurde schmachvolle Schadenfreude. Lauter Jubel erscholl bei den
Reichstruppen, so oft das Gerücht oder die Zeitung von irgendeiner Nieder¬
lage, vorzüglich unter den Oestreichern, etwas erwähnte und als Preußen mit
Frankreich Frieden machte, gönnten sie es den Halters, daß diese nun die
Franzosen allein aus dem Halse hätten und freuten sich darauf, daß diese ihnen
die Flügel beschneiden würden. „Ein Unteroffizier brachte die Nachricht von
der Uebergabe der Festung Luxemburg ins schwäbische Lager bei Altenheim,
wo er sie einigen Offizieren beim Stabsmarketender mittheilte. Diese Nachricht,
rief ein Offizier, ist Gold werth! Aha, ihr Herrn Halters, haben euch die
Franzosen dran gekriegt? Allons, dem Corporal eine Bouteille vom besten für
die gute Nachricht! Ein allgemeiner Jubel verbreitete sich sofort durchs ganze
Lager: jeder rief dem andern zu: weißt du schon, daß die kaiserlichen Kostbeutel
Luremburg eingebüßt haben? Ach, das ist brav, erwiderte der andere: das
haben die Kerls an uns verdient! Wenns nur Gottes Wille wäre, daß ihnen
die Franzosen das Fell noch recht tüchtig auögerbten."
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So weit war es mit Deutschland gekommen! Es war Zeit, daß ein
Sturm über das Land fuhr und auch diese Reichsarmee verwehte. Die Kriegs¬
geschichte und das Andenken des Volkes haben über sie gerichtet! —




Die Stärke der großen Heere Europas im Vergleich zu dem
östreichischen.

Wie anmuthig auch die Friedenönachrichten in das Ohr des lange er¬
schreckten Publicums klingen, noch schwebt so viel Pulverrauch in der potiti-


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[0227] die Armeen. Der Oestreichs, welcher sich gar viel darauf einbildete, nach seiner Meinung dem größten Herrn der Welt zu dienen, der Preuße, noch zehrend von dem Ruhme seines großen Friedrich — hielten so einen frankfurter, Mainzer, pfälzcr Kriegshelden nicht einmal für einen Kameraden, und die Noth mußte schon recht drücken, ehe er mit so einem trank oder gar Brüderschaft machte. — Die Eingenommenheit der Rcichsgenerale gegen die Oberbefehls¬ haber ihrer stolzen Verbündeten ward Ursache, daß die von diesen gegebenen Befehle häufig nicht nur nicht befolgt, sondern sogar comräre Manöver und vieles Unheil gestiftet wurde, von welchem die Kriegsgeschichte gar manches zu erzählen weiß. Am höchsten aber stieg die allgemeine Erbitterung gegen die Reichstruppen, als die in Mannheim stehenden Pfälzer diese wichtige Festung den Franzosen ohne Ermächtigung des kaiserlichen Obercommandos übergaben. Die Oestreicher verwünschten laut ihre schofelen Verbündeten und diese neckten die Oestreicher mit ihren kurzen Nöckeln und elendem CommiSbrot. Aus der Neckerei wurde schmachvolle Schadenfreude. Lauter Jubel erscholl bei den Reichstruppen, so oft das Gerücht oder die Zeitung von irgendeiner Nieder¬ lage, vorzüglich unter den Oestreichern, etwas erwähnte und als Preußen mit Frankreich Frieden machte, gönnten sie es den Halters, daß diese nun die Franzosen allein aus dem Halse hätten und freuten sich darauf, daß diese ihnen die Flügel beschneiden würden. „Ein Unteroffizier brachte die Nachricht von der Uebergabe der Festung Luxemburg ins schwäbische Lager bei Altenheim, wo er sie einigen Offizieren beim Stabsmarketender mittheilte. Diese Nachricht, rief ein Offizier, ist Gold werth! Aha, ihr Herrn Halters, haben euch die Franzosen dran gekriegt? Allons, dem Corporal eine Bouteille vom besten für die gute Nachricht! Ein allgemeiner Jubel verbreitete sich sofort durchs ganze Lager: jeder rief dem andern zu: weißt du schon, daß die kaiserlichen Kostbeutel Luremburg eingebüßt haben? Ach, das ist brav, erwiderte der andere: das haben die Kerls an uns verdient! Wenns nur Gottes Wille wäre, daß ihnen die Franzosen das Fell noch recht tüchtig auögerbten." ' So weit war es mit Deutschland gekommen! Es war Zeit, daß ein Sturm über das Land fuhr und auch diese Reichsarmee verwehte. Die Kriegs¬ geschichte und das Andenken des Volkes haben über sie gerichtet! — Die Stärke der großen Heere Europas im Vergleich zu dem östreichischen. Wie anmuthig auch die Friedenönachrichten in das Ohr des lange er¬ schreckten Publicums klingen, noch schwebt so viel Pulverrauch in der potiti- 28*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 15, 1856, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341584_100992/227>, abgerufen am 23.07.2024.