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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band.

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schönes, eines antiken Helden würdiges Ende, nachdem er, dem Tode nahe,
von zwei Ordonnanzen aus dem Pferde gehalten, seine letzte Schlacht geleitet,
macht fast die Verbrechen vergessen, die der Verstorbene an der Freiheit seines
Vaterlandes begangen.




Neue Dramen.

Bevor wir auf die Originaldramen eingehen, erwähnen wir zwei Ueber¬
setzungen aus Molisre: Der Tartüffe, und die Klagegeister, das erste
von Adolf Laun (Oldenburg, Schmidt), das zweite von einem Ungenannten
(Oldenburg, Schultze). Beide sind getreu im Versmaß des Originals, mit
vielem Geschick übersetzt, und werden vielleicht dazu beitragen, den Alexandriner
für das Lustspiel, wenn auch nur ausnahmsweise, auf unsrer Bühne wieder
einzubürgern. -- Unter den Originaldramen heben wir zuerst hervor: Michel
Angelo. Ein Drama in zwei Acten von Friedrich Hebbel. Wien, Tend¬
ler. -- Der Inhalt dieses Lustspiels ist folgender. Michel Angelo hat eben eine
Statue des Jupiters fertig, ist aber in einiger Besorgniß, ob die Wahl des
Gegenstandes auch seinem Hauptkunden, einem Herzog, und ob die Aus¬
führung dem Publicum gefallen wird. Den ersten weiß er durch listige Rede¬
wendungen, durch scheinbaren Widerspruch zu bestimmen, eben jene Statue bei
ihm zu bestellen, über das zweite beschließt er auf eine etwas complicirtere Weise
zu täuschen. Er schlägt seiner Statue einen Arm ab, schwärzt sie und läßt
sie an einem Ort vergraben, wo den andern Tag Nachgrabungen gehalten
werden sollen. Die Statue wird gefunden, für eine Antike gehalten, und alle
Welt bezeichnet sie unserm Künstler als ein Muster, das er nie erreichen werde.
Zur allgemeinen Beschämung zieht er dann den abgeschlagenen Arm hervor
und zeigt, daß er die Statue selbst gemacht habe. -- Etwas literarische Ten¬
denz wird man dieser Erfindung wol leicht anmerken; es soll der Unverstand
des Publicums und der Kunstfreunde gegeißelt werden, die nur die historisch
beglaubigten alten Kunstwerke gelten lassen, vor den neuen Schöpfungen da¬
gegen, in die sie sich erst hineinarbeiten müßten, ihren Sinn verschließen.
Indeß ist gegen diesen Seitenhieb auf das Publicum nichts einzuwenden, da
das kleine Lustspiel gegen Hebbels Gewohnheit munter und realistisch genug
gehalten ist. Der alte leidenschaftliche Michel Angelo hatte ganz recht, ein
starkes Selbstgefühl zu haben und das Publicum gering zu schätzen. Freilich
darf man daraus nicht den Schluß ziehen, daß jeder, der ein starkes Selbst¬
gefühl hat und das Publicum verachtet, deshalb ein großer Künstler ist. --
In der Ausführung ist der Schluß zu tadeln. Hebbel führt ganz unnöthiger-


schönes, eines antiken Helden würdiges Ende, nachdem er, dem Tode nahe,
von zwei Ordonnanzen aus dem Pferde gehalten, seine letzte Schlacht geleitet,
macht fast die Verbrechen vergessen, die der Verstorbene an der Freiheit seines
Vaterlandes begangen.




Neue Dramen.

Bevor wir auf die Originaldramen eingehen, erwähnen wir zwei Ueber¬
setzungen aus Molisre: Der Tartüffe, und die Klagegeister, das erste
von Adolf Laun (Oldenburg, Schmidt), das zweite von einem Ungenannten
(Oldenburg, Schultze). Beide sind getreu im Versmaß des Originals, mit
vielem Geschick übersetzt, und werden vielleicht dazu beitragen, den Alexandriner
für das Lustspiel, wenn auch nur ausnahmsweise, auf unsrer Bühne wieder
einzubürgern. — Unter den Originaldramen heben wir zuerst hervor: Michel
Angelo. Ein Drama in zwei Acten von Friedrich Hebbel. Wien, Tend¬
ler. — Der Inhalt dieses Lustspiels ist folgender. Michel Angelo hat eben eine
Statue des Jupiters fertig, ist aber in einiger Besorgniß, ob die Wahl des
Gegenstandes auch seinem Hauptkunden, einem Herzog, und ob die Aus¬
führung dem Publicum gefallen wird. Den ersten weiß er durch listige Rede¬
wendungen, durch scheinbaren Widerspruch zu bestimmen, eben jene Statue bei
ihm zu bestellen, über das zweite beschließt er auf eine etwas complicirtere Weise
zu täuschen. Er schlägt seiner Statue einen Arm ab, schwärzt sie und läßt
sie an einem Ort vergraben, wo den andern Tag Nachgrabungen gehalten
werden sollen. Die Statue wird gefunden, für eine Antike gehalten, und alle
Welt bezeichnet sie unserm Künstler als ein Muster, das er nie erreichen werde.
Zur allgemeinen Beschämung zieht er dann den abgeschlagenen Arm hervor
und zeigt, daß er die Statue selbst gemacht habe. — Etwas literarische Ten¬
denz wird man dieser Erfindung wol leicht anmerken; es soll der Unverstand
des Publicums und der Kunstfreunde gegeißelt werden, die nur die historisch
beglaubigten alten Kunstwerke gelten lassen, vor den neuen Schöpfungen da¬
gegen, in die sie sich erst hineinarbeiten müßten, ihren Sinn verschließen.
Indeß ist gegen diesen Seitenhieb auf das Publicum nichts einzuwenden, da
das kleine Lustspiel gegen Hebbels Gewohnheit munter und realistisch genug
gehalten ist. Der alte leidenschaftliche Michel Angelo hatte ganz recht, ein
starkes Selbstgefühl zu haben und das Publicum gering zu schätzen. Freilich
darf man daraus nicht den Schluß ziehen, daß jeder, der ein starkes Selbst¬
gefühl hat und das Publicum verachtet, deshalb ein großer Künstler ist. —
In der Ausführung ist der Schluß zu tadeln. Hebbel führt ganz unnöthiger-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99919/394>, abgerufen am 22.12.2024.