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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band.

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Reisehandbücher von Bädeker.

Handbuch für Reisende in Deutschland von Karl Bädeker. 1. Theil: Oestreich,
Süd- und Westdeutschland, 6. Auflage 1835. -- 2. Theil: Mittel- und
Norddeutschland, 6. Auflage 1855. -- Südbaiern, Tvrol und Salzburg,
Oberitalien. 6. Auflage 1855. -- Die Schweiz, 5. Auflage 1854. --
Paris und Umgebungen, 1855. -- Holland, 3. Auflage 1854. --
Belgien. 5. Auflage 1854. --Die Rheinlande, 5. Auflage 1855, (Sämmt¬
lich Koblenz bei Karl Bädecker.) -- '

In den letzten Jahren ist eine massenhafte Literatur für Reisende ent¬
standen, von der unsre Väter noch wenig wußten, die unsern Großvätern
ausschweifend und unmöglich erschienen wäre. Nächstenliebe und Industrie
haben eine Fülle von Eisenbahn- und Passagierbüchern, Coursverzeichnissen, ja
ganze Eisenbahnbibliotheken hervorgetrieben, wie dieser feuchte Sommer die
Pilze d"s Waldes. Während es sonst für den gereisten Mann ein Haupt¬
verdienst seines spätern Lebens war, in seinem Kreise sagenhafte Kunden zu
Verbreiter von den Merkwürdigkeiten, die er in dem fremden Land gesehen
hatte und während er sich etwas darauf einbildete, ein Dutzend Gasthöfe
persönlich erforscht zu haben, in denen das Essen erträglich, der Wirth nicht
zu grob und die Bedienung nicht zu unverschämt war, hat jetzt der menschliche
Witz Zauberbücher erfunden, in denen mehr Weisheit und Erfahrung nieder¬
gelegt ist, als der leidenschaftlichste Reisende in einem Jahre verbrauchen kann.
Unter diesen guten Büchern nehmen die angeführten Werke von Karl Bädeker
für uns Deutsche jetzt wol den ersten Platz ein. Sie sind für unzählige Reisende
treue Begleiter und zuverlässige Freunde geworden, mit deren Hilfe der Wan¬
derer alles Gute sieht, alles Schöne genießt, die weichsten Betten, den besten
Wein, die rauchbarsten Cigarren und -- hört! hört! -- die billigsten Rech¬
nungen erhält und durch welche er jeder Möglichkeit beraubt wird, sich auf
irgendeinem Wege der Welt zu verirren und sei der Weg noch so schwer zu
.'stNltMttkK .'!'.!'/!" ..-i.i'.,, .'......... .. . . ' .

Es ist unmöglich, sich der Ansicht zu entschlagen, daß in diesen Büchern
etwas Uebernatürliches, sozusagen Feenhaftes steckt. Bekanntlich gibt es alte
Sagen von gutmüthigen Geistern, von Zaubermänteln, sprechenden Vögeln
und andern Hilfsmitteln, welche den armen Wanderer im Walde in seiner Noth
helfen. Sie sind sämmtlich, mit den erwähnten rothen Büchern verglichen,
veraltete und kümmerliche Einrichtungen des Universums. Was vermag das
graue Männchen im Walde im Vergleich zu Herrn Bädeker! Das Männchen
läßt uns in die höchste Noth kommen, wir müssen sechs Stunden in der Irre
umhergelaufen sein und uns Magen und Lippen durch Heidelbeeren geschwärzt


Grenzboren. III. -I8so. 34
Reisehandbücher von Bädeker.

Handbuch für Reisende in Deutschland von Karl Bädeker. 1. Theil: Oestreich,
Süd- und Westdeutschland, 6. Auflage 1835. — 2. Theil: Mittel- und
Norddeutschland, 6. Auflage 1855. — Südbaiern, Tvrol und Salzburg,
Oberitalien. 6. Auflage 1855. — Die Schweiz, 5. Auflage 1854. —
Paris und Umgebungen, 1855. — Holland, 3. Auflage 1854. —
Belgien. 5. Auflage 1854. —Die Rheinlande, 5. Auflage 1855, (Sämmt¬
lich Koblenz bei Karl Bädecker.) — '

In den letzten Jahren ist eine massenhafte Literatur für Reisende ent¬
standen, von der unsre Väter noch wenig wußten, die unsern Großvätern
ausschweifend und unmöglich erschienen wäre. Nächstenliebe und Industrie
haben eine Fülle von Eisenbahn- und Passagierbüchern, Coursverzeichnissen, ja
ganze Eisenbahnbibliotheken hervorgetrieben, wie dieser feuchte Sommer die
Pilze d«s Waldes. Während es sonst für den gereisten Mann ein Haupt¬
verdienst seines spätern Lebens war, in seinem Kreise sagenhafte Kunden zu
Verbreiter von den Merkwürdigkeiten, die er in dem fremden Land gesehen
hatte und während er sich etwas darauf einbildete, ein Dutzend Gasthöfe
persönlich erforscht zu haben, in denen das Essen erträglich, der Wirth nicht
zu grob und die Bedienung nicht zu unverschämt war, hat jetzt der menschliche
Witz Zauberbücher erfunden, in denen mehr Weisheit und Erfahrung nieder¬
gelegt ist, als der leidenschaftlichste Reisende in einem Jahre verbrauchen kann.
Unter diesen guten Büchern nehmen die angeführten Werke von Karl Bädeker
für uns Deutsche jetzt wol den ersten Platz ein. Sie sind für unzählige Reisende
treue Begleiter und zuverlässige Freunde geworden, mit deren Hilfe der Wan¬
derer alles Gute sieht, alles Schöne genießt, die weichsten Betten, den besten
Wein, die rauchbarsten Cigarren und — hört! hört! — die billigsten Rech¬
nungen erhält und durch welche er jeder Möglichkeit beraubt wird, sich auf
irgendeinem Wege der Welt zu verirren und sei der Weg noch so schwer zu
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Es ist unmöglich, sich der Ansicht zu entschlagen, daß in diesen Büchern
etwas Uebernatürliches, sozusagen Feenhaftes steckt. Bekanntlich gibt es alte
Sagen von gutmüthigen Geistern, von Zaubermänteln, sprechenden Vögeln
und andern Hilfsmitteln, welche den armen Wanderer im Walde in seiner Noth
helfen. Sie sind sämmtlich, mit den erwähnten rothen Büchern verglichen,
veraltete und kümmerliche Einrichtungen des Universums. Was vermag das
graue Männchen im Walde im Vergleich zu Herrn Bädeker! Das Männchen
läßt uns in die höchste Noth kommen, wir müssen sechs Stunden in der Irre
umhergelaufen sein und uns Magen und Lippen durch Heidelbeeren geschwärzt


Grenzboren. III. -I8so. 34
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[0273] Reisehandbücher von Bädeker. Handbuch für Reisende in Deutschland von Karl Bädeker. 1. Theil: Oestreich, Süd- und Westdeutschland, 6. Auflage 1835. — 2. Theil: Mittel- und Norddeutschland, 6. Auflage 1855. — Südbaiern, Tvrol und Salzburg, Oberitalien. 6. Auflage 1855. — Die Schweiz, 5. Auflage 1854. — Paris und Umgebungen, 1855. — Holland, 3. Auflage 1854. — Belgien. 5. Auflage 1854. —Die Rheinlande, 5. Auflage 1855, (Sämmt¬ lich Koblenz bei Karl Bädecker.) — ' In den letzten Jahren ist eine massenhafte Literatur für Reisende ent¬ standen, von der unsre Väter noch wenig wußten, die unsern Großvätern ausschweifend und unmöglich erschienen wäre. Nächstenliebe und Industrie haben eine Fülle von Eisenbahn- und Passagierbüchern, Coursverzeichnissen, ja ganze Eisenbahnbibliotheken hervorgetrieben, wie dieser feuchte Sommer die Pilze d«s Waldes. Während es sonst für den gereisten Mann ein Haupt¬ verdienst seines spätern Lebens war, in seinem Kreise sagenhafte Kunden zu Verbreiter von den Merkwürdigkeiten, die er in dem fremden Land gesehen hatte und während er sich etwas darauf einbildete, ein Dutzend Gasthöfe persönlich erforscht zu haben, in denen das Essen erträglich, der Wirth nicht zu grob und die Bedienung nicht zu unverschämt war, hat jetzt der menschliche Witz Zauberbücher erfunden, in denen mehr Weisheit und Erfahrung nieder¬ gelegt ist, als der leidenschaftlichste Reisende in einem Jahre verbrauchen kann. Unter diesen guten Büchern nehmen die angeführten Werke von Karl Bädeker für uns Deutsche jetzt wol den ersten Platz ein. Sie sind für unzählige Reisende treue Begleiter und zuverlässige Freunde geworden, mit deren Hilfe der Wan¬ derer alles Gute sieht, alles Schöne genießt, die weichsten Betten, den besten Wein, die rauchbarsten Cigarren und — hört! hört! — die billigsten Rech¬ nungen erhält und durch welche er jeder Möglichkeit beraubt wird, sich auf irgendeinem Wege der Welt zu verirren und sei der Weg noch so schwer zu .'stNltMttkK .'!'.!'/!« ..-i.i'.,, .'......... .. . . ' . Es ist unmöglich, sich der Ansicht zu entschlagen, daß in diesen Büchern etwas Uebernatürliches, sozusagen Feenhaftes steckt. Bekanntlich gibt es alte Sagen von gutmüthigen Geistern, von Zaubermänteln, sprechenden Vögeln und andern Hilfsmitteln, welche den armen Wanderer im Walde in seiner Noth helfen. Sie sind sämmtlich, mit den erwähnten rothen Büchern verglichen, veraltete und kümmerliche Einrichtungen des Universums. Was vermag das graue Männchen im Walde im Vergleich zu Herrn Bädeker! Das Männchen läßt uns in die höchste Noth kommen, wir müssen sechs Stunden in der Irre umhergelaufen sein und uns Magen und Lippen durch Heidelbeeren geschwärzt Grenzboren. III. -I8so. 34

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99919/273>, abgerufen am 22.12.2024.