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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band.

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Ritter und erbaute sich in Rochamptvn einen prachtvollen Palast. Aber das
Glück hörte auf ihn zu begünstigen und wendete sich dann mit Hartnäckigkeit
gegen ihn. Er verlor sein ganzes Capital, benutzte sogar die ihm anvertraute"
Depositen und unterschrieb für 4 Millionen Pfund Wechsel, so groß war das
Vertrauen, welches er in der City genoß. Vergebens jedoch hoffte er auf eine
günstigere Conjunctur des Geldmarktes. Zuletzt waren seine Kräfte doch er¬
schöpft, und er stürzte plötzlich so tief, als er früher hoch gestiegen war.
Seine prachtvollen Paläste, seine schönen Parke, seine kostbaren Gemäldesamm¬
lungen verfielen dem Hammer des Aucrivnators, und er starb in der größten
Dürftigkeit.

Wir wollen zum Schluß noch einige Worte über die Organisation der
londoner Stocksbörse sagen. Sie ist sehr einfach. Ein Ausschuß von 20 Mit¬
gliedern unter einem Präsidenten und Vicepräsidenten, die jährlich erwählt
werden, besorgt die Verwaltung und erläßt die Börsenordnung. Die Befugniß
dieses Ausschusses ist unumschränkt. Er stößt die unwürdigen Mitglieder aus,
und wenn Einer seine Verbindlichkeiten nicht erfüllen will oder kann, macht es
der Ausschuß durch folgenden Anschlag bekannt: "Die mit Herrn A. in Ver¬
bindung stehenden Geschäftsfreunde werden gebeten, sich an Herrn B. zu
wenden." Die Kunstausdrücke der londoner Börse werden wol den meisten
Lesern bekannt sein: Die Haussiers heißen IZuII" (Ochsen) die Baissterö
b"ZÄr8 (Bären), die Ptene Gegangenen kams änoks (lahme Enten). Letztere
werden an die schwarze Tafel geschlagen, eine Art Börsenpranger, der zuerst
im Jahre -1787 benutzt wurde, wo 22 lahme Enten mit einem Deficit von
einer Viertelmillion Pfund aus einmal von der Börse wegblieben. Das
innerste Heiligthum der Börse sind nur Mitglieder berechtigt zu betreten. Wehe
dem Uneingeweihten, der sich aus Zufall oder Neugier hierher verirrt. Sowie
einer der Anwesenden in ihm den Fremdling erkennt, ruft er aus: "vierzehn¬
hundert neue fünf Procent!" und hundert Stimmen wiederholen das Zauber¬
wort. Darauf regnet es Püffe, Faustschläge, Fußtritte auf den Eindringling,
der entsetzt über den unvermutheten Ac"erfall sich vergeblich nach Schutz und
Hilfe oder wenigstens nach einem mitleidigen Gesicht umsieht. Man spielt
förmlich mit ihm Ball, und nur spöttische Rufe des Bedauerns vernimmt
man: "Schlagt ihn nur nicht todt! Zerbrecht ihm nur die Beine!" "Schämt
euch doch, einen Gentlemen so zu behandeln!" ruft ein.anderer, und gibt dem
Unglücklichen einen Tritt, daß er 20 Schritt weit fliegt. Zerstoßen und zer¬
bläut, den Rock in Fetzen zerrissen und den Hut in das Gesicht geschlagen,
erreicht der Mißhandelte endlich die Thür und schätzt sich glücklich, ins Freie
zu gelangen, immer noch verfolgt von dem Gebrüll: "vierzehnhundert neue
fünf Procent."




Ritter und erbaute sich in Rochamptvn einen prachtvollen Palast. Aber das
Glück hörte auf ihn zu begünstigen und wendete sich dann mit Hartnäckigkeit
gegen ihn. Er verlor sein ganzes Capital, benutzte sogar die ihm anvertraute»
Depositen und unterschrieb für 4 Millionen Pfund Wechsel, so groß war das
Vertrauen, welches er in der City genoß. Vergebens jedoch hoffte er auf eine
günstigere Conjunctur des Geldmarktes. Zuletzt waren seine Kräfte doch er¬
schöpft, und er stürzte plötzlich so tief, als er früher hoch gestiegen war.
Seine prachtvollen Paläste, seine schönen Parke, seine kostbaren Gemäldesamm¬
lungen verfielen dem Hammer des Aucrivnators, und er starb in der größten
Dürftigkeit.

Wir wollen zum Schluß noch einige Worte über die Organisation der
londoner Stocksbörse sagen. Sie ist sehr einfach. Ein Ausschuß von 20 Mit¬
gliedern unter einem Präsidenten und Vicepräsidenten, die jährlich erwählt
werden, besorgt die Verwaltung und erläßt die Börsenordnung. Die Befugniß
dieses Ausschusses ist unumschränkt. Er stößt die unwürdigen Mitglieder aus,
und wenn Einer seine Verbindlichkeiten nicht erfüllen will oder kann, macht es
der Ausschuß durch folgenden Anschlag bekannt: „Die mit Herrn A. in Ver¬
bindung stehenden Geschäftsfreunde werden gebeten, sich an Herrn B. zu
wenden." Die Kunstausdrücke der londoner Börse werden wol den meisten
Lesern bekannt sein: Die Haussiers heißen IZuII» (Ochsen) die Baissterö
b«ZÄr8 (Bären), die Ptene Gegangenen kams änoks (lahme Enten). Letztere
werden an die schwarze Tafel geschlagen, eine Art Börsenpranger, der zuerst
im Jahre -1787 benutzt wurde, wo 22 lahme Enten mit einem Deficit von
einer Viertelmillion Pfund aus einmal von der Börse wegblieben. Das
innerste Heiligthum der Börse sind nur Mitglieder berechtigt zu betreten. Wehe
dem Uneingeweihten, der sich aus Zufall oder Neugier hierher verirrt. Sowie
einer der Anwesenden in ihm den Fremdling erkennt, ruft er aus: „vierzehn¬
hundert neue fünf Procent!" und hundert Stimmen wiederholen das Zauber¬
wort. Darauf regnet es Püffe, Faustschläge, Fußtritte auf den Eindringling,
der entsetzt über den unvermutheten Ac»erfall sich vergeblich nach Schutz und
Hilfe oder wenigstens nach einem mitleidigen Gesicht umsieht. Man spielt
förmlich mit ihm Ball, und nur spöttische Rufe des Bedauerns vernimmt
man: „Schlagt ihn nur nicht todt! Zerbrecht ihm nur die Beine!" „Schämt
euch doch, einen Gentlemen so zu behandeln!" ruft ein.anderer, und gibt dem
Unglücklichen einen Tritt, daß er 20 Schritt weit fliegt. Zerstoßen und zer¬
bläut, den Rock in Fetzen zerrissen und den Hut in das Gesicht geschlagen,
erreicht der Mißhandelte endlich die Thür und schätzt sich glücklich, ins Freie
zu gelangen, immer noch verfolgt von dem Gebrüll: „vierzehnhundert neue
fünf Procent."




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99919/272>, abgerufen am 22.12.2024.