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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band.

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und bewachte die Dyle, während die Schlacht bei Waterloo geschlagen wurde.
Er starb als General der Cavalerie am 26. April -1832.




General Pelissiers seitherige Leistungen.

Ihr Berichterstatter hat seiner Zeit den Uebergang des Kommandos der
französischen Krimarmce aus den Händen des Generals Canrobert in die
PelissierS als ein große Hoffnungen erweckendes Ereigniß begrüßt. Jetzt,
wo eine mit jenem Wechsel beginnende Operationsepvche abschließt, kann er
nicht umhin, das Geständniß zu machen, daß er sich getäuscht hatte.

Der gegenwärtige Generalissimus der französischen Streitkräfte übernahm
die Leitung in einem Augenblick, der nicht anders als außerordentlich günstig
bezeichnet werden kann. Die massenhaften Verstärkungen, welche man seit Ende
des Winters in Frankreich, England und Sardinien organistrt hatte, sowie
der Zustoß der Hauptmacht Omer Paschas, brachten die Belagerungsarmee
auf nahezu den doppelten Bestand, den sie vordem gehabt; es war demnach
Zeit, einen neuen Plan und von ganz andern Dimensionen wie der frühere,
ihren Operationen unterzulegen. Im Grunde genommen rechnete wol jeder
Einsichtige darauf. General Pelissier dagegen scheint sich damals fest vorgenom¬
men zu haben, genau den Tracen seines Vorgängers nachzugehen, vielleicht
nur, um damit der Welt einen neuen Beleg seiner bereits alle Anerkennung
genießenden Energie und Konsequenz zu geben und um einen einmal früher
gethanen Ausspruch, daß Sebastopol durch den directen Angriff, wenn ihm
nur der gehörige Nachdruck gegeben werde, zum Fall gebracht ^werden könne,
Zu erhärten. Mit andern Worten: mir scheint, daß seine Motive bei dem
Beharren auf dem eingeschlagenen Wege persönlicher Art waren und eine neue
Bewährung seiner sast sprichwörtlich gewordenen Energie von ihm höher in
Anschlag gebracht wurde, als die Entfaltung bedeutender strategischer Geschick-
lichkeit. Es ist des Haudegens Art und es läßt sich eben dagegen nichts einwen¬
den, als daß es bedauernswerth erscheinen muß, daß eben dieser Haudegen nach
reiflicher Erwägung der beste und tauglichste Mann war, um ihm das Hest in
die Hand zu geben.

Die günstigen Verhältnisse, welche General Pelissier bei der Uebernahme
seines Commandos vorfand, eristiren jetzt nicht mehr. Er mochte damals etwa
120,000 Mann Franzosen unter seinem Besehl haben. Heute hat er deren
wol nicht mehr als 93,000 Mann. Volle 23,000 Mann sind, auch wenn
man mäßige Berechnungen zu Grunde legt, in den täglichen Kämpfen und
Gefechten, in den drei Hauptactionen, die seitdem stattfanden und durch Krank¬
heiten zu Grunde gegangen. Das ist ein größerer Verlust, als der, welchen


und bewachte die Dyle, während die Schlacht bei Waterloo geschlagen wurde.
Er starb als General der Cavalerie am 26. April -1832.




General Pelissiers seitherige Leistungen.

Ihr Berichterstatter hat seiner Zeit den Uebergang des Kommandos der
französischen Krimarmce aus den Händen des Generals Canrobert in die
PelissierS als ein große Hoffnungen erweckendes Ereigniß begrüßt. Jetzt,
wo eine mit jenem Wechsel beginnende Operationsepvche abschließt, kann er
nicht umhin, das Geständniß zu machen, daß er sich getäuscht hatte.

Der gegenwärtige Generalissimus der französischen Streitkräfte übernahm
die Leitung in einem Augenblick, der nicht anders als außerordentlich günstig
bezeichnet werden kann. Die massenhaften Verstärkungen, welche man seit Ende
des Winters in Frankreich, England und Sardinien organistrt hatte, sowie
der Zustoß der Hauptmacht Omer Paschas, brachten die Belagerungsarmee
auf nahezu den doppelten Bestand, den sie vordem gehabt; es war demnach
Zeit, einen neuen Plan und von ganz andern Dimensionen wie der frühere,
ihren Operationen unterzulegen. Im Grunde genommen rechnete wol jeder
Einsichtige darauf. General Pelissier dagegen scheint sich damals fest vorgenom¬
men zu haben, genau den Tracen seines Vorgängers nachzugehen, vielleicht
nur, um damit der Welt einen neuen Beleg seiner bereits alle Anerkennung
genießenden Energie und Konsequenz zu geben und um einen einmal früher
gethanen Ausspruch, daß Sebastopol durch den directen Angriff, wenn ihm
nur der gehörige Nachdruck gegeben werde, zum Fall gebracht ^werden könne,
Zu erhärten. Mit andern Worten: mir scheint, daß seine Motive bei dem
Beharren auf dem eingeschlagenen Wege persönlicher Art waren und eine neue
Bewährung seiner sast sprichwörtlich gewordenen Energie von ihm höher in
Anschlag gebracht wurde, als die Entfaltung bedeutender strategischer Geschick-
lichkeit. Es ist des Haudegens Art und es läßt sich eben dagegen nichts einwen¬
den, als daß es bedauernswerth erscheinen muß, daß eben dieser Haudegen nach
reiflicher Erwägung der beste und tauglichste Mann war, um ihm das Hest in
die Hand zu geben.

Die günstigen Verhältnisse, welche General Pelissier bei der Uebernahme
seines Commandos vorfand, eristiren jetzt nicht mehr. Er mochte damals etwa
120,000 Mann Franzosen unter seinem Besehl haben. Heute hat er deren
wol nicht mehr als 93,000 Mann. Volle 23,000 Mann sind, auch wenn
man mäßige Berechnungen zu Grunde legt, in den täglichen Kämpfen und
Gefechten, in den drei Hauptactionen, die seitdem stattfanden und durch Krank¬
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99919/197>, abgerufen am 22.12.2024.