Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. II. Band.meinen Weg vvrübcrnchme, ' sehe ich mehre Gruppen auf dem weiten Leichenfelde Eine Tigerjllgd. ^ In einem frühern Jahrgange hat d. Bl. Mittheilungen SO*
meinen Weg vvrübcrnchme, ' sehe ich mehre Gruppen auf dem weiten Leichenfelde Eine Tigerjllgd. ^ In einem frühern Jahrgange hat d. Bl. Mittheilungen SO*
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0403" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/99789"/> <p xml:id="ID_1377" prev="#ID_1376"> meinen Weg vvrübcrnchme, ' sehe ich mehre Gruppen auf dem weiten Leichenfelde<lb/> versammelt, welche eine jede im Begriffe stehen, einen Verstorbenen einzusenken.<lb/> Gestern sah ich ein kleines Pcrotenmädchen begraben, welchem viele Thränen nach¬<lb/> geweint wurden, und heute Morgen war der kleine Hügel, welcher sie zudeckt, mit<lb/> blitzendem, glitzerndem Goldstaub bestrent, den ich noch.leuchten sah im hellen Son¬<lb/> nenschein, als ich schon viele hundert Schritte entfernt war.</p><lb/> </div> <div n="2"> <head> Eine Tigerjllgd.</head> <p xml:id="ID_1378" next="#ID_1379"> ^ In einem frühern Jahrgange hat d. Bl. Mittheilungen<lb/> aus dem Tagebuche eines Landsmannes, des Freiherrn v. Meyern, englischen<lb/> Offiziers in Ostindien, gebracht, welcher dort den Ruf eines glücklichen nud un¬<lb/> ermüdlichen Tigerjägcrs genießt. Zur Ergänzung dieser > Berichte theilen wir für<lb/> Jagdliebhaber folgende anspruchslose Anekdote aus seinem letzten Schreiben aus<lb/> Nagporc vom 23. März d. I. mit. — „Gestern hatte ich die Frende, mit meinem<lb/> Adjutanten Napcan einen Tiger von einer deutschen Pappel herunterzuschießen. Das<lb/> tropische Ungethüm in den zitternden Blättern des heimischen Baumes wäre anch<lb/> für andere als Jäger ein befremdlicher Anblick gewesen. Abgesehen davon, daß<lb/> der Zufall in den Annalen der Tigerjagd ein sehr merkwürdiger ist, mußte ich<lb/> auch an unsre deutschen Landstraßen denken, an die schnurgeraden Linien der poli¬<lb/> zeilich geregelten Bäume, und wie gut es ist, daß eine so polizeiwidrige Bestie in<lb/> der deutschen Heimat nicht aus die Wanderer der Landstraße lauert. , Ein Nation<lb/> Goond brachte uns ^2 "12 Uhr Mittags die Nachricht, daß dicht bei seinem zehn<lb/> englische Meilen von hier entfernten Dorfe ein Tiger auf einem Baume sitze. Des<lb/> Morgens früh sei er dort schon von einem andern Goond unter dem Baume liegend<lb/> gesehen worden, nachdem er in der Nacht eine Kuh erschlagen und verzehrt<lb/> habe; dann sei er, um Schutz vor der Hitze zu suchen, da weit und breit kein<lb/> Gebüsch in der Nähe, auf den untersten Ast eines Baumes gestiegen. Nun habe<lb/> der Goond Allarm geschlagen, die. Dorslcute seien, mit Spießen bewaffnet, zu-<lb/> sammengelaufen und hätten von fern den Baum umringt, der Tiger aber sei vor<lb/> dem Lärm allmälig hoher und hoher rctirirt, und zwar wie jemand, der das<lb/> Herunterfallen fürchte, denn bald sei er eine» Ast abwärts, bald wieder aufwärts<lb/> 'gestiegen. Trotz dieses Details waren wir ungläubig. Indessen, dachten wir, gibt<lb/> es doch Menschen, die ihre Natur verleugnen — warum sollte es nicht auch ein¬<lb/> mal unter Bestien solchen närrischen Kauz gebe»? Und daun konnte es doch jeden¬<lb/> falls ein Leopard sein, den wir erbeuteten —: kurzum, ich nahm zwei Doppel¬<lb/> büchsen, bestieg meinen Pons, Nepean meinen Bullockwagcn und so hielten wir<lb/> ans das Dorf zu. Um vier Uhr kamen wir an. Welch ein Anblick! Was ich wol<lb/> im Kleinen oft als Junge erlebt, daß die liebe Schuljugend mit Lärm und Stein-<lb/> Würfen einen Baum umringte, ausweichen sich, vom Hunde verfolgt, eine arm¬<lb/> selige Katze geflüchtet hatte — das bot sich mir jetzt in imposanter' Großartigkeit,<lb/> wie wol kaum noch einem Menschen. Hoch auf dem Aste einer «gewaltigen Pappel<lb/> stand aufrecht auf deu Füßen ein mächtiger Tiger mit den schönsten schwar¬<lb/> zen, rathen und weißen Streifen und sah so unschuldig aus die rings, aber in<lb/> ehrerbietiger Ferne ihn umdrohcndcn Dorfbewohner herunter, als wolle er ihnen<lb/> seine souveräne Verachtung beweisen. Doch aber schien er sich in seiner seltsamen<lb/> Position nichts weniger als behaglich zu fühlen, denn mit dem Vorderkopfe lehnte<lb/> ""''''</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> SO*</fw><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0403]
meinen Weg vvrübcrnchme, ' sehe ich mehre Gruppen auf dem weiten Leichenfelde
versammelt, welche eine jede im Begriffe stehen, einen Verstorbenen einzusenken.
Gestern sah ich ein kleines Pcrotenmädchen begraben, welchem viele Thränen nach¬
geweint wurden, und heute Morgen war der kleine Hügel, welcher sie zudeckt, mit
blitzendem, glitzerndem Goldstaub bestrent, den ich noch.leuchten sah im hellen Son¬
nenschein, als ich schon viele hundert Schritte entfernt war.
Eine Tigerjllgd. ^ In einem frühern Jahrgange hat d. Bl. Mittheilungen
aus dem Tagebuche eines Landsmannes, des Freiherrn v. Meyern, englischen
Offiziers in Ostindien, gebracht, welcher dort den Ruf eines glücklichen nud un¬
ermüdlichen Tigerjägcrs genießt. Zur Ergänzung dieser > Berichte theilen wir für
Jagdliebhaber folgende anspruchslose Anekdote aus seinem letzten Schreiben aus
Nagporc vom 23. März d. I. mit. — „Gestern hatte ich die Frende, mit meinem
Adjutanten Napcan einen Tiger von einer deutschen Pappel herunterzuschießen. Das
tropische Ungethüm in den zitternden Blättern des heimischen Baumes wäre anch
für andere als Jäger ein befremdlicher Anblick gewesen. Abgesehen davon, daß
der Zufall in den Annalen der Tigerjagd ein sehr merkwürdiger ist, mußte ich
auch an unsre deutschen Landstraßen denken, an die schnurgeraden Linien der poli¬
zeilich geregelten Bäume, und wie gut es ist, daß eine so polizeiwidrige Bestie in
der deutschen Heimat nicht aus die Wanderer der Landstraße lauert. , Ein Nation
Goond brachte uns ^2 "12 Uhr Mittags die Nachricht, daß dicht bei seinem zehn
englische Meilen von hier entfernten Dorfe ein Tiger auf einem Baume sitze. Des
Morgens früh sei er dort schon von einem andern Goond unter dem Baume liegend
gesehen worden, nachdem er in der Nacht eine Kuh erschlagen und verzehrt
habe; dann sei er, um Schutz vor der Hitze zu suchen, da weit und breit kein
Gebüsch in der Nähe, auf den untersten Ast eines Baumes gestiegen. Nun habe
der Goond Allarm geschlagen, die. Dorslcute seien, mit Spießen bewaffnet, zu-
sammengelaufen und hätten von fern den Baum umringt, der Tiger aber sei vor
dem Lärm allmälig hoher und hoher rctirirt, und zwar wie jemand, der das
Herunterfallen fürchte, denn bald sei er eine» Ast abwärts, bald wieder aufwärts
'gestiegen. Trotz dieses Details waren wir ungläubig. Indessen, dachten wir, gibt
es doch Menschen, die ihre Natur verleugnen — warum sollte es nicht auch ein¬
mal unter Bestien solchen närrischen Kauz gebe»? Und daun konnte es doch jeden¬
falls ein Leopard sein, den wir erbeuteten —: kurzum, ich nahm zwei Doppel¬
büchsen, bestieg meinen Pons, Nepean meinen Bullockwagcn und so hielten wir
ans das Dorf zu. Um vier Uhr kamen wir an. Welch ein Anblick! Was ich wol
im Kleinen oft als Junge erlebt, daß die liebe Schuljugend mit Lärm und Stein-
Würfen einen Baum umringte, ausweichen sich, vom Hunde verfolgt, eine arm¬
selige Katze geflüchtet hatte — das bot sich mir jetzt in imposanter' Großartigkeit,
wie wol kaum noch einem Menschen. Hoch auf dem Aste einer «gewaltigen Pappel
stand aufrecht auf deu Füßen ein mächtiger Tiger mit den schönsten schwar¬
zen, rathen und weißen Streifen und sah so unschuldig aus die rings, aber in
ehrerbietiger Ferne ihn umdrohcndcn Dorfbewohner herunter, als wolle er ihnen
seine souveräne Verachtung beweisen. Doch aber schien er sich in seiner seltsamen
Position nichts weniger als behaglich zu fühlen, denn mit dem Vorderkopfe lehnte
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