Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. II. Band.rechten Geist in sich aufnimmt, von deß Herzen, so sagen die Regulative, Demuth ist die Losung -- für uns alle, auch für die Lehrer, "Der Lehrer Der Verfall der deutschen Swdtthenter. Es ist kein Zufall, daß zu gleicher Zeit die großen Theater von Hamburg rechten Geist in sich aufnimmt, von deß Herzen, so sagen die Regulative, Demuth ist die Losung — für uns alle, auch für die Lehrer, „Der Lehrer Der Verfall der deutschen Swdtthenter. Es ist kein Zufall, daß zu gleicher Zeit die großen Theater von Hamburg <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0382" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/99768"/> <p xml:id="ID_1284" prev="#ID_1283"> rechten Geist in sich aufnimmt, von deß Herzen, so sagen die Regulative,<lb/> werden Quellen des lebendigen Wassers fließen,</p><lb/> <p xml:id="ID_1285"> Demuth ist die Losung — für uns alle, auch für die Lehrer, „Der Lehrer<lb/> wird am höchsten stehen," so schließt das Regulativ vom 3. October, „der<lb/> täglich selbst am meisten in der Schule empfängt, nämlich den Geist des Ge¬<lb/> betes, der Demuth, der Liebe und der Gottesfurcht, die mit göttlicher Furcht<lb/> und freudigem Zittern seine und der ihm anvertrauten Kinder Seligkeit zu<lb/> schaffen sucht." Aber die Demuth hat im christlichen Staat doch nur bei<lb/> den Lehrern und bei den Armen ihre Stelle. Oder man sehe sich doch um;<lb/> ringsumher Pomp, Lurus und Verschwendung, eine unsinnige Jagd nach<lb/> Vergnügen, eine zitternde Hast sich zu bereichern, ein bis an den Wahn¬<lb/> witz reichender Drang, Carriere zu machen, die Hoffart der Orden und der<lb/> Titel, der Uebermuth und die Eitelkeit der Aemter, der froschartig sich blähende<lb/> und pfauenhaft sich spreizende Hochmuth der autorisirten Schwäche; das zur<lb/> Schau getragene Gepränge der Armen- und Krankenpflege; die häßlichste Gestalt,<lb/> in welcher die Demuth noch wol auftritt, Kriecherei und Augendienerei gegen<lb/> die bestimmenden Größen der Zeit und Mantelträgerei nach dem herrschenden<lb/> Winde, für deren unerträglichen Zwang man sich durch finsteres Wesen und<lb/> Stirnrunzeln nach unten hin rächt. Warum für die Lehrer die Knechtsgestalt<lb/> und das Kreuz Christi? Warum Demuth? warum nicht männliche Beschei¬<lb/> denheit? Und wird der begünstigten Minderzahl die Sicherheit eines privile-<lb/> girten Genusses bewahrt, dadurch daß die große Menge in Unwissenheit und<lb/> Unkenntniß der Welt, in Furcht und Zittern vor dem göttlichen Zorn erhal¬<lb/> ten wird? Wer offne Augen und ein loyales Herz hat, muß diese Frage<lb/> verneinen.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> Der Verfall der deutschen Swdtthenter.</head><lb/> <p xml:id="ID_1286"> Es ist kein Zufall, daß zu gleicher Zeit die großen Theater von Hamburg<lb/> und Frankfurt a. M. in eine Krisis gekommen sind, bei welcher es sich um<lb/> ihr Bestehen handelt und daß das leipziger Theater auf drei Monate geschlossen<lb/> wird, unter dem Vorwande einer baulichen Reparatur, welche bei gefunden<lb/> Theaterverhältnissen in wenigen Wochen beendigt sein könnte. Seit vielen<lb/> Jahren sind unsre Stadttheater' in einer traurigen Lage, bei welcher von<lb/> einem kräftigen Leben nicht mehr die Rede ist. Wenn sie bis jetzt bestanden<lb/> haben, so haben sie in der letzten Zeit doch nur vegetirt, ohne Nutzen sür die<lb/> Kunst, ohne Freude für das Publicum.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0382]
rechten Geist in sich aufnimmt, von deß Herzen, so sagen die Regulative,
werden Quellen des lebendigen Wassers fließen,
Demuth ist die Losung — für uns alle, auch für die Lehrer, „Der Lehrer
wird am höchsten stehen," so schließt das Regulativ vom 3. October, „der
täglich selbst am meisten in der Schule empfängt, nämlich den Geist des Ge¬
betes, der Demuth, der Liebe und der Gottesfurcht, die mit göttlicher Furcht
und freudigem Zittern seine und der ihm anvertrauten Kinder Seligkeit zu
schaffen sucht." Aber die Demuth hat im christlichen Staat doch nur bei
den Lehrern und bei den Armen ihre Stelle. Oder man sehe sich doch um;
ringsumher Pomp, Lurus und Verschwendung, eine unsinnige Jagd nach
Vergnügen, eine zitternde Hast sich zu bereichern, ein bis an den Wahn¬
witz reichender Drang, Carriere zu machen, die Hoffart der Orden und der
Titel, der Uebermuth und die Eitelkeit der Aemter, der froschartig sich blähende
und pfauenhaft sich spreizende Hochmuth der autorisirten Schwäche; das zur
Schau getragene Gepränge der Armen- und Krankenpflege; die häßlichste Gestalt,
in welcher die Demuth noch wol auftritt, Kriecherei und Augendienerei gegen
die bestimmenden Größen der Zeit und Mantelträgerei nach dem herrschenden
Winde, für deren unerträglichen Zwang man sich durch finsteres Wesen und
Stirnrunzeln nach unten hin rächt. Warum für die Lehrer die Knechtsgestalt
und das Kreuz Christi? Warum Demuth? warum nicht männliche Beschei¬
denheit? Und wird der begünstigten Minderzahl die Sicherheit eines privile-
girten Genusses bewahrt, dadurch daß die große Menge in Unwissenheit und
Unkenntniß der Welt, in Furcht und Zittern vor dem göttlichen Zorn erhal¬
ten wird? Wer offne Augen und ein loyales Herz hat, muß diese Frage
verneinen.
Der Verfall der deutschen Swdtthenter.
Es ist kein Zufall, daß zu gleicher Zeit die großen Theater von Hamburg
und Frankfurt a. M. in eine Krisis gekommen sind, bei welcher es sich um
ihr Bestehen handelt und daß das leipziger Theater auf drei Monate geschlossen
wird, unter dem Vorwande einer baulichen Reparatur, welche bei gefunden
Theaterverhältnissen in wenigen Wochen beendigt sein könnte. Seit vielen
Jahren sind unsre Stadttheater' in einer traurigen Lage, bei welcher von
einem kräftigen Leben nicht mehr die Rede ist. Wenn sie bis jetzt bestanden
haben, so haben sie in der letzten Zeit doch nur vegetirt, ohne Nutzen sür die
Kunst, ohne Freude für das Publicum.
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