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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. II. Band.

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Höhepunkt erreicht zu haben. Alle Büsche und Sträucher blühen. Die Moschee
in dem lieblichen Thale von Plau Pascha, durch welches mich gestern mein Weg
führte, steht eingehüllt von den Baumkronen des duftigsten Flieders und von den
Mandelbäumen vor der großen Pcrakaserne streut eben der Wind die rothen Knos¬
pen von den Zweigen.


Pariser Brief.

-- Von dem Attentat auf den Kaiser haben Sie
bis zur Ausgabe Ihres Blattes aus den Zeitungen mehr erfahren, als ich Ihnen
bis jetzt mitzutheilen weiß. Der Thäter soll ein Italiener gewesen sein.

Ein londoner Constabler fand einmal auf seinen nächtlichen Fahrten und
Jagde" "ach Gentlemen und Rcspcctabilitätcu, die zu tief ius Glas gcgukt haben,
einen Irländer mitten in der Straße liegen. Er stieß ihn mit dem Fuße und
rief: "Seid ihr todt Junge?" ""Nein antwortete dieser, aber sprachlos."" Der
Leser wird errathen haben, daß von den Wiener Conferenzen die Rede ist -- diese
sind noch nicht todt, aber sprachlos d. h. nichtssagend, wie vou Anfang her. Vol-
tas Versuche, todte Körper zu beleben, hat sich aufs glänzendste an diesen erwiesen,
da sie während einiger Wochen nur durch die Elektricität der Telegraphen am
Leben erhalten wurden. Ihr Erfolg war der erwartete und wir sind genau dort,
wo wir vor einigen Wochen standen. General Canrvbcrts Hoffnungen auf Se-
bastopol haben sich ebensowenig verwirklicht und wir haben nur den einen Fort¬
schritt gemacht, daß wir in Beziehung auf die Krim zu soldatischer Selbsterkennt-
niß gelangten. Der französische Oberfcldhcrr, der bisher von Woche zu Woche aus
die Einnahme der Festung hoffte, ist nun endlich selbst zum Geständnisse gezwungen,
daß mit den vorhandenen Mitteln an die Stürmung der Festung nicht zu denken
sei. Der'Kaiser und sein General sind beide zugleich entmuthigt und was wir
aus Wien hören, ist nicht geeignet uns frischen Muth zu geben.

Wir denken dabei natürlich nicht an die Privattclcgraphic. denn die steht mit den
Haussiers im Bunde, mit der östreichischen Zeitung, mit dem Constitutioncl, die
alles im rosenfarbigen Lichte sehen. Es sei uns gegönnt, hier eine Parenthese an die
Adresse der Privattelegraphie zu eröffnen. Die telegraphische Korrespondenz für
die Journale ist in den Hauptstädten Europas in den Händen einzelner Personen
concentrirt und ihre Berichte erhalten durch 5>le Einstimmigkeit sämmtlicher Organe
der Presse eine Farbe von Authenticität, die sie keineswegs verdienen. Es wäre
daher zu wünschen, daß die Journale übereinkämen, diejenigen ihrer Korrespon¬
denten, welche an mehre Blätter zugleich tclcgraphiren, anzuhalten, sich nur auf
die Meldung officieller Nachrichten zu beschränken oder aus Auszüge vou Zeitungen.
Unverbürgte Nachrichten jedoch müßte man sich ganz verbitten, oder jedes Journal
seine eignen besondern Privatdcpcschcn haben. Nur so würde dann der Korrespon¬
dent, der sich des Telegraphen statt der Feder bedient, wieder seine angemessene
Stellung erdalten. Denken Sie sich nur, welchen Eindruck es machen müsse, in
sämmtlichen Journalen dieselbe Kunde zu lesen, in jenem biedern und treuherzigen
LakvniSmns, welche" die telegraphischen Depeschen mit dem Paysan de Dannbe ge¬
mein haben. Vergebens warnt man das Publicum täglich vor unbedingtem Glau¬
ben an diese Orakel -- die Uebereinstimmung aller Blätter hat etwas Jmponiren-
dcs, dessen Einfluß man sich nur sehr schwer entziehen tan". Dies sollte bedacht


Höhepunkt erreicht zu haben. Alle Büsche und Sträucher blühen. Die Moschee
in dem lieblichen Thale von Plau Pascha, durch welches mich gestern mein Weg
führte, steht eingehüllt von den Baumkronen des duftigsten Flieders und von den
Mandelbäumen vor der großen Pcrakaserne streut eben der Wind die rothen Knos¬
pen von den Zweigen.


Pariser Brief.

— Von dem Attentat auf den Kaiser haben Sie
bis zur Ausgabe Ihres Blattes aus den Zeitungen mehr erfahren, als ich Ihnen
bis jetzt mitzutheilen weiß. Der Thäter soll ein Italiener gewesen sein.

Ein londoner Constabler fand einmal auf seinen nächtlichen Fahrten und
Jagde» »ach Gentlemen und Rcspcctabilitätcu, die zu tief ius Glas gcgukt haben,
einen Irländer mitten in der Straße liegen. Er stieß ihn mit dem Fuße und
rief: „Seid ihr todt Junge?" „„Nein antwortete dieser, aber sprachlos."" Der
Leser wird errathen haben, daß von den Wiener Conferenzen die Rede ist — diese
sind noch nicht todt, aber sprachlos d. h. nichtssagend, wie vou Anfang her. Vol-
tas Versuche, todte Körper zu beleben, hat sich aufs glänzendste an diesen erwiesen,
da sie während einiger Wochen nur durch die Elektricität der Telegraphen am
Leben erhalten wurden. Ihr Erfolg war der erwartete und wir sind genau dort,
wo wir vor einigen Wochen standen. General Canrvbcrts Hoffnungen auf Se-
bastopol haben sich ebensowenig verwirklicht und wir haben nur den einen Fort¬
schritt gemacht, daß wir in Beziehung auf die Krim zu soldatischer Selbsterkennt-
niß gelangten. Der französische Oberfcldhcrr, der bisher von Woche zu Woche aus
die Einnahme der Festung hoffte, ist nun endlich selbst zum Geständnisse gezwungen,
daß mit den vorhandenen Mitteln an die Stürmung der Festung nicht zu denken
sei. Der'Kaiser und sein General sind beide zugleich entmuthigt und was wir
aus Wien hören, ist nicht geeignet uns frischen Muth zu geben.

Wir denken dabei natürlich nicht an die Privattclcgraphic. denn die steht mit den
Haussiers im Bunde, mit der östreichischen Zeitung, mit dem Constitutioncl, die
alles im rosenfarbigen Lichte sehen. Es sei uns gegönnt, hier eine Parenthese an die
Adresse der Privattelegraphie zu eröffnen. Die telegraphische Korrespondenz für
die Journale ist in den Hauptstädten Europas in den Händen einzelner Personen
concentrirt und ihre Berichte erhalten durch 5>le Einstimmigkeit sämmtlicher Organe
der Presse eine Farbe von Authenticität, die sie keineswegs verdienen. Es wäre
daher zu wünschen, daß die Journale übereinkämen, diejenigen ihrer Korrespon¬
denten, welche an mehre Blätter zugleich tclcgraphiren, anzuhalten, sich nur auf
die Meldung officieller Nachrichten zu beschränken oder aus Auszüge vou Zeitungen.
Unverbürgte Nachrichten jedoch müßte man sich ganz verbitten, oder jedes Journal
seine eignen besondern Privatdcpcschcn haben. Nur so würde dann der Korrespon¬
dent, der sich des Telegraphen statt der Feder bedient, wieder seine angemessene
Stellung erdalten. Denken Sie sich nur, welchen Eindruck es machen müsse, in
sämmtlichen Journalen dieselbe Kunde zu lesen, in jenem biedern und treuherzigen
LakvniSmns, welche» die telegraphischen Depeschen mit dem Paysan de Dannbe ge¬
mein haben. Vergebens warnt man das Publicum täglich vor unbedingtem Glau¬
ben an diese Orakel — die Uebereinstimmung aller Blätter hat etwas Jmponiren-
dcs, dessen Einfluß man sich nur sehr schwer entziehen tan». Dies sollte bedacht


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99385/245>, abgerufen am 05.12.2024.