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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. II. Band.

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Ein Gang durch dus Zellengefnngniß bei Berlin.

Auf dem Wege zwischen Berlin und dem früher sehr beliebten Bergnü-
gungsortc Moabit erhebt sich seit einigen Jahren ein Gebäude, aus rothem
Ziegelstein kastellartig aufgeführt, das man geneigt wäre, für eine der
vielen Berliner Kasernen zu halten, wenn nicht an den nach außen gebenden
Fenstern weiße Gardinen und blühende Blumentöpfe die Anwesenheit weiblicher
Wesen verriethen. Diese freundlichen Zeichen verschwinden jedoch, sobald man
das Hauptthor passirt hat, man merkt alsbald, daß man sich in einem Gefäng¬
nisse befindet und daß nur die Familien der Beamten den von ihnen bewohn¬
ten Flügeln einen gemüthlichen Anstrich zu geben wußten. Das eigentliche
Gefängniß betritt man erst, nachdem man einen kleinen Hof überschritten; denn
das Gebäude ist sternförmig aufgeführt, so daß vom Mittelpunkte aus vier
Flügel sich erstrecken, die vier Höfe bilden (auf deren einem auch der Hinrich¬
tungsplatz sich befindet). Das Ganze ist von einer Ringmauer umschlossen,
und erst außerhalb derselben befinden sich die Beamtenwohnungen. Ferner hat
es an der Nordseite noch einen Vorbau, der die Kirche und mehre Geschäfts¬
räume enthält, Ein dunkler Gang, zu dessen beiden Seiten Thüren nach den
erwähnten Räumen führen, geht hindurch und durch ihn gelangt man unmittelbar
in deu Mittelraum des Gefängnisses, ver, die Höhe des ganzen Gebäudes ein¬
nehmend und mit einer Glaskuppel gedeckt, einen hellen, freundlichen Eindruck
macht. Von hier aus erstrecken sich die erwähnten vier Flügel, alle gleich lang
und breit, ebenfalls durch die ganze Hohe gehend und mit Glas gedeckt. Sie
enthalten im Erdgeschoß, im ersten und zweiten Stock die Zellen, fünfhundert
und einige dreißig an der Zahl, deren Thüren man also sämmtlich (was fast
unglaublich klingt) mit einem Blicke übersehen kann. Der Raum in der Mitte
ist frei, allein vor den Thüren der oberen Stockwerke laufen Gänge, von Eisen¬
guß und mit Pfeilern von demselben Metall in der Wand befestigt, die mit
Schieferplatten gedeckt und mit eisernen Galerien versehen sind. Die Zellen¬
reihen des untersten Geschosses haben zwischen sich nur den braun gebohrten
Gang, der etwa zehn Fuß breit ist. Diese, Gänge münden alle in dem Mittel¬
raum zusammen, wo die oberen Stockwerke mit den unteren durch gewundene
eiserne Treppen verbunden sind. Da am anderen Ende der Gänge keine Thüren,
sondern nur stark vergitterte Fenster sich befinden, so ist nicht nur jede Flucht
unmöglich, sondern man würde auch von der Mitte aus jede Zellenthür
beobachten können, die sich öffnet.

Das erste, was dem Eintretenden auffällt, ist die Spiegelblanke Sauberkeit,
die in diesen Räumen herrscht. Der braun gebohnte Boden des unteren Ge¬
schosses ist in der Mitte mit weißen Strohmatten belegt und so glänzend, wie


Ein Gang durch dus Zellengefnngniß bei Berlin.

Auf dem Wege zwischen Berlin und dem früher sehr beliebten Bergnü-
gungsortc Moabit erhebt sich seit einigen Jahren ein Gebäude, aus rothem
Ziegelstein kastellartig aufgeführt, das man geneigt wäre, für eine der
vielen Berliner Kasernen zu halten, wenn nicht an den nach außen gebenden
Fenstern weiße Gardinen und blühende Blumentöpfe die Anwesenheit weiblicher
Wesen verriethen. Diese freundlichen Zeichen verschwinden jedoch, sobald man
das Hauptthor passirt hat, man merkt alsbald, daß man sich in einem Gefäng¬
nisse befindet und daß nur die Familien der Beamten den von ihnen bewohn¬
ten Flügeln einen gemüthlichen Anstrich zu geben wußten. Das eigentliche
Gefängniß betritt man erst, nachdem man einen kleinen Hof überschritten; denn
das Gebäude ist sternförmig aufgeführt, so daß vom Mittelpunkte aus vier
Flügel sich erstrecken, die vier Höfe bilden (auf deren einem auch der Hinrich¬
tungsplatz sich befindet). Das Ganze ist von einer Ringmauer umschlossen,
und erst außerhalb derselben befinden sich die Beamtenwohnungen. Ferner hat
es an der Nordseite noch einen Vorbau, der die Kirche und mehre Geschäfts¬
räume enthält, Ein dunkler Gang, zu dessen beiden Seiten Thüren nach den
erwähnten Räumen führen, geht hindurch und durch ihn gelangt man unmittelbar
in deu Mittelraum des Gefängnisses, ver, die Höhe des ganzen Gebäudes ein¬
nehmend und mit einer Glaskuppel gedeckt, einen hellen, freundlichen Eindruck
macht. Von hier aus erstrecken sich die erwähnten vier Flügel, alle gleich lang
und breit, ebenfalls durch die ganze Hohe gehend und mit Glas gedeckt. Sie
enthalten im Erdgeschoß, im ersten und zweiten Stock die Zellen, fünfhundert
und einige dreißig an der Zahl, deren Thüren man also sämmtlich (was fast
unglaublich klingt) mit einem Blicke übersehen kann. Der Raum in der Mitte
ist frei, allein vor den Thüren der oberen Stockwerke laufen Gänge, von Eisen¬
guß und mit Pfeilern von demselben Metall in der Wand befestigt, die mit
Schieferplatten gedeckt und mit eisernen Galerien versehen sind. Die Zellen¬
reihen des untersten Geschosses haben zwischen sich nur den braun gebohrten
Gang, der etwa zehn Fuß breit ist. Diese, Gänge münden alle in dem Mittel¬
raum zusammen, wo die oberen Stockwerke mit den unteren durch gewundene
eiserne Treppen verbunden sind. Da am anderen Ende der Gänge keine Thüren,
sondern nur stark vergitterte Fenster sich befinden, so ist nicht nur jede Flucht
unmöglich, sondern man würde auch von der Mitte aus jede Zellenthür
beobachten können, die sich öffnet.

Das erste, was dem Eintretenden auffällt, ist die Spiegelblanke Sauberkeit,
die in diesen Räumen herrscht. Der braun gebohnte Boden des unteren Ge¬
schosses ist in der Mitte mit weißen Strohmatten belegt und so glänzend, wie


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[0189] Ein Gang durch dus Zellengefnngniß bei Berlin. Auf dem Wege zwischen Berlin und dem früher sehr beliebten Bergnü- gungsortc Moabit erhebt sich seit einigen Jahren ein Gebäude, aus rothem Ziegelstein kastellartig aufgeführt, das man geneigt wäre, für eine der vielen Berliner Kasernen zu halten, wenn nicht an den nach außen gebenden Fenstern weiße Gardinen und blühende Blumentöpfe die Anwesenheit weiblicher Wesen verriethen. Diese freundlichen Zeichen verschwinden jedoch, sobald man das Hauptthor passirt hat, man merkt alsbald, daß man sich in einem Gefäng¬ nisse befindet und daß nur die Familien der Beamten den von ihnen bewohn¬ ten Flügeln einen gemüthlichen Anstrich zu geben wußten. Das eigentliche Gefängniß betritt man erst, nachdem man einen kleinen Hof überschritten; denn das Gebäude ist sternförmig aufgeführt, so daß vom Mittelpunkte aus vier Flügel sich erstrecken, die vier Höfe bilden (auf deren einem auch der Hinrich¬ tungsplatz sich befindet). Das Ganze ist von einer Ringmauer umschlossen, und erst außerhalb derselben befinden sich die Beamtenwohnungen. Ferner hat es an der Nordseite noch einen Vorbau, der die Kirche und mehre Geschäfts¬ räume enthält, Ein dunkler Gang, zu dessen beiden Seiten Thüren nach den erwähnten Räumen führen, geht hindurch und durch ihn gelangt man unmittelbar in deu Mittelraum des Gefängnisses, ver, die Höhe des ganzen Gebäudes ein¬ nehmend und mit einer Glaskuppel gedeckt, einen hellen, freundlichen Eindruck macht. Von hier aus erstrecken sich die erwähnten vier Flügel, alle gleich lang und breit, ebenfalls durch die ganze Hohe gehend und mit Glas gedeckt. Sie enthalten im Erdgeschoß, im ersten und zweiten Stock die Zellen, fünfhundert und einige dreißig an der Zahl, deren Thüren man also sämmtlich (was fast unglaublich klingt) mit einem Blicke übersehen kann. Der Raum in der Mitte ist frei, allein vor den Thüren der oberen Stockwerke laufen Gänge, von Eisen¬ guß und mit Pfeilern von demselben Metall in der Wand befestigt, die mit Schieferplatten gedeckt und mit eisernen Galerien versehen sind. Die Zellen¬ reihen des untersten Geschosses haben zwischen sich nur den braun gebohrten Gang, der etwa zehn Fuß breit ist. Diese, Gänge münden alle in dem Mittel¬ raum zusammen, wo die oberen Stockwerke mit den unteren durch gewundene eiserne Treppen verbunden sind. Da am anderen Ende der Gänge keine Thüren, sondern nur stark vergitterte Fenster sich befinden, so ist nicht nur jede Flucht unmöglich, sondern man würde auch von der Mitte aus jede Zellenthür beobachten können, die sich öffnet. Das erste, was dem Eintretenden auffällt, ist die Spiegelblanke Sauberkeit, die in diesen Räumen herrscht. Der braun gebohnte Boden des unteren Ge¬ schosses ist in der Mitte mit weißen Strohmatten belegt und so glänzend, wie

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99385/189>, abgerufen am 29.06.2024.