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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. II. Band.

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voller Wiedervereinigung die Spuren der Jetztzeit an sich tragen^ und so
Eigenthum des Volkes werden. Was der Kunstgeist unsrer Tage, ohne dem
Geiste des alten Bauwerkes störend zu widersprechen, zu leisten vermochte,
mußte sichtbar werden an dem herrlichen Denkmale. Daher ist in den Fenstern
des unteren großen Reuters der Landwehrmann neben dem Ritter in Wehr
gemalt; darum sind die Jahreszahlen unter den Wappenschilder der fürstlichen
Familien ganz am Platze; darum findet auch das Glasgemälde, welches eine
Vertheidigung Luthers auf dem Reichstage zu Worms durch den letzten Hoch-,
meister, den Markgrafen Albrecht, zum Gegenstande hat, seine Berechtigung.
Auch für den Kunstfreund hat die Burg dadurch ein Doppelinteresse erhalten,
da er hier das 19. mit dem 14. Jahrhundert zusammengehen sieht.

Nur Eins fehlt noch. Die Marienburg sollte nicht blos wie ein ehrwür¬
diger Greis, der sein Schaffen beendet hat, müßig dastehen, nur die Kunde
alter Zeit ausplaudernd. Trägt sie auch den Schmuck des Alters auf ihrem
Haupte, so lassen doch die kräftigen Mauern und Gewölbe ihrer Hallen nicht
das mindeste von Altersschwäche wahrnehmen. Lebenskräftig frisch steht sie da
und blickt fragend umher, ob die Jetztwelt sie für immer unbenutzt werde da-
stehn lassen. Ein doppeltes' Leben würde sie erhalten, wenn auch die Gegen¬
wart sie mit irgendeiner Bedeutsamkeit schmückte! Ist sie schon als geschichtliches
Denkmal ein Vereinigunspunkt für das Volk, wieviel mehr würde sie es werden,
wenn es ihr gestattet würde, das Volk wirklich von Zeit zu Zeit zu gemein¬
samen Zwecken in sich zu versammeln. Ein guter Gedanke waren die Musikfeste,
die im Conventsremter schon öfter zu Stande kamen. Aber in der Art
sollte mehr geschehen und die alte Burg zum Mittelpunkte preußischen Volks¬
lebens gemacht werden.

Mit Recht können wir fragen: "Wo ist noch ein Volks.Stamm neuerer
Zeit, der Tausende zusammenbrachte und noch zusammenbringt, um ein altes
vaterländisches Bauwerk aus seinem Schütte aufzurichten und zu erhöhen?




Ein Spaziergang nach dem Lager der französischen Reserve¬
armee bei Maslack.

Sie kennen meine Ansicht, wonach das französische Gouvernement die Lage
insofern nicht richtig auffaßt, als es ihm hätte darauf ankommen müssen, in
den Monaten Februar und März seine Rüstungen auf dem Kriegsschauplatze
selbst dermaßen zu steigern, daß es nunmehr, in der ersten Aprilhälfte, dem
Feinde bis zu zwölf volle Divisionen entgegenstellen könnte. Es hat statt
dessen >in Hinsicht auf die Ausgabe und Verwendung seiner Kräfte ein Spar-


voller Wiedervereinigung die Spuren der Jetztzeit an sich tragen^ und so
Eigenthum des Volkes werden. Was der Kunstgeist unsrer Tage, ohne dem
Geiste des alten Bauwerkes störend zu widersprechen, zu leisten vermochte,
mußte sichtbar werden an dem herrlichen Denkmale. Daher ist in den Fenstern
des unteren großen Reuters der Landwehrmann neben dem Ritter in Wehr
gemalt; darum sind die Jahreszahlen unter den Wappenschilder der fürstlichen
Familien ganz am Platze; darum findet auch das Glasgemälde, welches eine
Vertheidigung Luthers auf dem Reichstage zu Worms durch den letzten Hoch-,
meister, den Markgrafen Albrecht, zum Gegenstande hat, seine Berechtigung.
Auch für den Kunstfreund hat die Burg dadurch ein Doppelinteresse erhalten,
da er hier das 19. mit dem 14. Jahrhundert zusammengehen sieht.

Nur Eins fehlt noch. Die Marienburg sollte nicht blos wie ein ehrwür¬
diger Greis, der sein Schaffen beendet hat, müßig dastehen, nur die Kunde
alter Zeit ausplaudernd. Trägt sie auch den Schmuck des Alters auf ihrem
Haupte, so lassen doch die kräftigen Mauern und Gewölbe ihrer Hallen nicht
das mindeste von Altersschwäche wahrnehmen. Lebenskräftig frisch steht sie da
und blickt fragend umher, ob die Jetztwelt sie für immer unbenutzt werde da-
stehn lassen. Ein doppeltes' Leben würde sie erhalten, wenn auch die Gegen¬
wart sie mit irgendeiner Bedeutsamkeit schmückte! Ist sie schon als geschichtliches
Denkmal ein Vereinigunspunkt für das Volk, wieviel mehr würde sie es werden,
wenn es ihr gestattet würde, das Volk wirklich von Zeit zu Zeit zu gemein¬
samen Zwecken in sich zu versammeln. Ein guter Gedanke waren die Musikfeste,
die im Conventsremter schon öfter zu Stande kamen. Aber in der Art
sollte mehr geschehen und die alte Burg zum Mittelpunkte preußischen Volks¬
lebens gemacht werden.

Mit Recht können wir fragen: „Wo ist noch ein Volks.Stamm neuerer
Zeit, der Tausende zusammenbrachte und noch zusammenbringt, um ein altes
vaterländisches Bauwerk aus seinem Schütte aufzurichten und zu erhöhen?




Ein Spaziergang nach dem Lager der französischen Reserve¬
armee bei Maslack.

Sie kennen meine Ansicht, wonach das französische Gouvernement die Lage
insofern nicht richtig auffaßt, als es ihm hätte darauf ankommen müssen, in
den Monaten Februar und März seine Rüstungen auf dem Kriegsschauplatze
selbst dermaßen zu steigern, daß es nunmehr, in der ersten Aprilhälfte, dem
Feinde bis zu zwölf volle Divisionen entgegenstellen könnte. Es hat statt
dessen >in Hinsicht auf die Ausgabe und Verwendung seiner Kräfte ein Spar-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99385/180>, abgerufen am 29.06.2024.