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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. II. Band.

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Die Marienburg in Preußen.

Unsre Hochburg ist, merkwürdig genug, noch so gut wie gar nicht in der
Kunstgeschichte einregistrirt. Schlägt man die verdienstliche Kunstgeschichte von
Fr. Kugler nach, so findet man dies Monument, wie überhaupt die Archi¬
tektur des deutschen Ordens im Verhältniß zu ihrer Bedeutung nur dürftig
vertreten. In dem unlängst erschienenen Prachtwerke von Gailhabau über die
Baudenkmäler der verschiedenen Völker ist die Marienburg weder durch eine
Abbildung vertreten, noch im Texte von Kugler erwähnt, während aus Frank¬
reich und andern Ländern weniger charakteristische Baugegenstände, vergleiche
z. B. die Privathäuser, Abbildung undMbhandlung gefunden haben. Und wie leicht
hätte unsre berühmte Ordensburg einen Platz' darin finden können durch ver¬
kleinerte, Abbildungen nach den bekannten Kupferstichen, die nach werthvollen
Oelgemälden des Professor Schultz in Danzig auf königliche Kosten gestochen
worden, was um so leichter gewesen, da dieselben uns die beiden Hauptan¬
sichten der Marienburg vorführen. Auch in Mollers Denkmälern deutscher
Baukunst und in dem zur Kuglerschen Kunstgeschichte erschienenen, recht um¬
fassenden Voitschen Atlas finden wir keine Spur von diesem in so vielfacher
Hinsicht ausgezeichneten Baudenkmale.

Bei dieser Vernachlässigung ist es nicht zu verwundern, wenn Fremde
noch immer mit den sonderbarsten Vorurtheilen zum Besuche auf unsre Hochburg
kommen. Die meisten derselben denken sich die Marienburg in ähnlicher Weise,
wie irgendeine deutsche Raubschloßruine, an denen unser friedliches Vaterland
eben nicht arm ist, oder im besten Falle etwa wie die Trümmer des großen
Heidelberger Schlosses, ja wol gar im modernen Gewände als ein königliches
Palais, infolge neuerer Restauration. -Um so größer wird ihre Enttäuschung
und ihr Erstaunen, wenn sie in diesem altehrwürdigen Ordensschlosse eines der
historisch merkwürdigsten, architektonisch originellsten und zugleich schönsten Kunst¬
bauwerke aus jener Zeit des Mittelalters erkennen.

Werfen wir zunächst einen Blick auf diese- deutsche Ordensburg, ihrem
Gesammterscheinen nach. Man gewinnt den besten Ueberblick, wenn man sich
von Danzig aus derselben nähert und auf dem linken Nogatufer Standpunkt nimmt'.
Dann steigt vor dem Beschauer die ehrwürdige Burg in einfacher Hoheit mit
ihren Baumassen, von Norden nach Süden zu, empor, unten beginnend mit


Grenzbote". II. -I8so. 21
Die Marienburg in Preußen.

Unsre Hochburg ist, merkwürdig genug, noch so gut wie gar nicht in der
Kunstgeschichte einregistrirt. Schlägt man die verdienstliche Kunstgeschichte von
Fr. Kugler nach, so findet man dies Monument, wie überhaupt die Archi¬
tektur des deutschen Ordens im Verhältniß zu ihrer Bedeutung nur dürftig
vertreten. In dem unlängst erschienenen Prachtwerke von Gailhabau über die
Baudenkmäler der verschiedenen Völker ist die Marienburg weder durch eine
Abbildung vertreten, noch im Texte von Kugler erwähnt, während aus Frank¬
reich und andern Ländern weniger charakteristische Baugegenstände, vergleiche
z. B. die Privathäuser, Abbildung undMbhandlung gefunden haben. Und wie leicht
hätte unsre berühmte Ordensburg einen Platz' darin finden können durch ver¬
kleinerte, Abbildungen nach den bekannten Kupferstichen, die nach werthvollen
Oelgemälden des Professor Schultz in Danzig auf königliche Kosten gestochen
worden, was um so leichter gewesen, da dieselben uns die beiden Hauptan¬
sichten der Marienburg vorführen. Auch in Mollers Denkmälern deutscher
Baukunst und in dem zur Kuglerschen Kunstgeschichte erschienenen, recht um¬
fassenden Voitschen Atlas finden wir keine Spur von diesem in so vielfacher
Hinsicht ausgezeichneten Baudenkmale.

Bei dieser Vernachlässigung ist es nicht zu verwundern, wenn Fremde
noch immer mit den sonderbarsten Vorurtheilen zum Besuche auf unsre Hochburg
kommen. Die meisten derselben denken sich die Marienburg in ähnlicher Weise,
wie irgendeine deutsche Raubschloßruine, an denen unser friedliches Vaterland
eben nicht arm ist, oder im besten Falle etwa wie die Trümmer des großen
Heidelberger Schlosses, ja wol gar im modernen Gewände als ein königliches
Palais, infolge neuerer Restauration. -Um so größer wird ihre Enttäuschung
und ihr Erstaunen, wenn sie in diesem altehrwürdigen Ordensschlosse eines der
historisch merkwürdigsten, architektonisch originellsten und zugleich schönsten Kunst¬
bauwerke aus jener Zeit des Mittelalters erkennen.

Werfen wir zunächst einen Blick auf diese- deutsche Ordensburg, ihrem
Gesammterscheinen nach. Man gewinnt den besten Ueberblick, wenn man sich
von Danzig aus derselben nähert und auf dem linken Nogatufer Standpunkt nimmt'.
Dann steigt vor dem Beschauer die ehrwürdige Burg in einfacher Hoheit mit
ihren Baumassen, von Norden nach Süden zu, empor, unten beginnend mit


Grenzbote». II. -I8so. 21
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[0169] Die Marienburg in Preußen. Unsre Hochburg ist, merkwürdig genug, noch so gut wie gar nicht in der Kunstgeschichte einregistrirt. Schlägt man die verdienstliche Kunstgeschichte von Fr. Kugler nach, so findet man dies Monument, wie überhaupt die Archi¬ tektur des deutschen Ordens im Verhältniß zu ihrer Bedeutung nur dürftig vertreten. In dem unlängst erschienenen Prachtwerke von Gailhabau über die Baudenkmäler der verschiedenen Völker ist die Marienburg weder durch eine Abbildung vertreten, noch im Texte von Kugler erwähnt, während aus Frank¬ reich und andern Ländern weniger charakteristische Baugegenstände, vergleiche z. B. die Privathäuser, Abbildung undMbhandlung gefunden haben. Und wie leicht hätte unsre berühmte Ordensburg einen Platz' darin finden können durch ver¬ kleinerte, Abbildungen nach den bekannten Kupferstichen, die nach werthvollen Oelgemälden des Professor Schultz in Danzig auf königliche Kosten gestochen worden, was um so leichter gewesen, da dieselben uns die beiden Hauptan¬ sichten der Marienburg vorführen. Auch in Mollers Denkmälern deutscher Baukunst und in dem zur Kuglerschen Kunstgeschichte erschienenen, recht um¬ fassenden Voitschen Atlas finden wir keine Spur von diesem in so vielfacher Hinsicht ausgezeichneten Baudenkmale. Bei dieser Vernachlässigung ist es nicht zu verwundern, wenn Fremde noch immer mit den sonderbarsten Vorurtheilen zum Besuche auf unsre Hochburg kommen. Die meisten derselben denken sich die Marienburg in ähnlicher Weise, wie irgendeine deutsche Raubschloßruine, an denen unser friedliches Vaterland eben nicht arm ist, oder im besten Falle etwa wie die Trümmer des großen Heidelberger Schlosses, ja wol gar im modernen Gewände als ein königliches Palais, infolge neuerer Restauration. -Um so größer wird ihre Enttäuschung und ihr Erstaunen, wenn sie in diesem altehrwürdigen Ordensschlosse eines der historisch merkwürdigsten, architektonisch originellsten und zugleich schönsten Kunst¬ bauwerke aus jener Zeit des Mittelalters erkennen. Werfen wir zunächst einen Blick auf diese- deutsche Ordensburg, ihrem Gesammterscheinen nach. Man gewinnt den besten Ueberblick, wenn man sich von Danzig aus derselben nähert und auf dem linken Nogatufer Standpunkt nimmt'. Dann steigt vor dem Beschauer die ehrwürdige Burg in einfacher Hoheit mit ihren Baumassen, von Norden nach Süden zu, empor, unten beginnend mit Grenzbote». II. -I8so. 21

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99385/169>, abgerufen am 29.06.2024.