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Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. II. Band.

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Und diese tendenziöse Erfindung soll in Preußens Hauptstadt in monu¬
mentaler Ausführung für Jahrhunderte stehen. Sie wird stehen als ein trau¬
riges Denkmal einer kläglichen Verbildung, welche einen der größten Geister
Preußens zu carrikiren wagte, dessen Name in einem Bau, der ein Tempel des
idealen Lebens sein will, nur mit Ehrfurcht genannt werden sollte.




Korrespondenzen.
Aus Konstantinopel,

-- Ich schrieb Ihnen meinen letzten Brief
unter dem Eindruck der Tagesgerüchte. Die Dinge sind nicht ganz so schwarz, wie
sie mir damals erschienen; zwar bereitet sich eine Erkaltung zwischen Engländern
und Franzosen vor, und Sie werden selbst die Symptome davon nicht unbeachtet
gelassen haben; aber die Allianz an sich scheint vorerst dadurch noch nicht gefährdet
zu sein. Wie man mir sagt, werden die Franzosen, sofern ihre Verbündeten An¬
stalten treffen sollten,.sich hier in permanenter Weise festzusetzen, ebenfalls zu solchen
schreiten. In dieser Hinsicht ist es wichtig, daß einem Gerücht zufolge ein Contract
zwischen der französischen Negierung und einem hiesigen größeren Handelshause inbe-
treff der Lieferungen zum Bau einer geräumigen massiven Kaserne abgeschlossen
worden ist. Wo dieses Gebäude seinen Platz finden soll, ließen die Gerüchte un¬
bestimmt; man nannte die Höhen von Ejub als den wahrscheinlicheren Punkt.

Auf der deu Engländern überlassenen Brandstätte des Galata Serai (der ehe¬
maligen medicinischen Schule) erheben sich nun bereits hoch die neu construirten Holz¬
baracken. Auch die in der Nacht vom 11. zum 12. dieses Monats abgebrannte Kriegs¬
schule (das große französische Hospital) ist man seit acht Tagen beschäftigt wieder
einzudecken, und zwar schreitet die Arbeit, unter wie es scheint guter Leitung, dort
rasch vorwärts, dergestalt, daß man hoffen darf, noch im Laufe des kommenden
Monats werde der Schaden soweit wie möglich ersetzt und das ganze Gebäude aufs
neue wohnlich sein.

In den Salons ") war noch im Lause der letzten Woche die Reise des Kaisers
Hauptgegenstand der Unterhaltung. Man weiß nun bestimmt, daß er nicht kommen
wird; ja man geht noch weiter und flüstert einander zu: die Reise sei überhaupt
nie ernstlich gemeint gewesen. "Was Ihr auch über die Reise hören mögt," hatte
eine hochstehende Dame aus Paris hierher geschrieben, "glaubt nichts." Indeß
will Ihrem Berichterstatter doch nicht einleuchten, daß die ganze Sache in solcher
Weise auf einen verspäteten politischen Fastnachtsscherz zurückgeführt werden könne.
Ich möchte zunächst wissen, wen anders der große Imperator damit hätte foppen
wollen, als die Vertreter seiner eignen Interessen!

Der Tod Mcnschikvffs hat hier eine bedeutende Sensation erregt. Ich er¬
wähnte der darüber umlaufenden Gerüchte absichtlich nicht gegen Sie, weil sie mir
unglaubhaft schienen. Seit vorgestern will man nun auch wissen, daß Admiral



*) Man kann nur uncigciitlich hier von Salons reden. Kaum an andern Orten wie in
den LegationshotclS wird öffentliches Hans gehalten. >
Grenzboten. II. -I8on. 15

Und diese tendenziöse Erfindung soll in Preußens Hauptstadt in monu¬
mentaler Ausführung für Jahrhunderte stehen. Sie wird stehen als ein trau¬
riges Denkmal einer kläglichen Verbildung, welche einen der größten Geister
Preußens zu carrikiren wagte, dessen Name in einem Bau, der ein Tempel des
idealen Lebens sein will, nur mit Ehrfurcht genannt werden sollte.




Korrespondenzen.
Aus Konstantinopel,

— Ich schrieb Ihnen meinen letzten Brief
unter dem Eindruck der Tagesgerüchte. Die Dinge sind nicht ganz so schwarz, wie
sie mir damals erschienen; zwar bereitet sich eine Erkaltung zwischen Engländern
und Franzosen vor, und Sie werden selbst die Symptome davon nicht unbeachtet
gelassen haben; aber die Allianz an sich scheint vorerst dadurch noch nicht gefährdet
zu sein. Wie man mir sagt, werden die Franzosen, sofern ihre Verbündeten An¬
stalten treffen sollten,.sich hier in permanenter Weise festzusetzen, ebenfalls zu solchen
schreiten. In dieser Hinsicht ist es wichtig, daß einem Gerücht zufolge ein Contract
zwischen der französischen Negierung und einem hiesigen größeren Handelshause inbe-
treff der Lieferungen zum Bau einer geräumigen massiven Kaserne abgeschlossen
worden ist. Wo dieses Gebäude seinen Platz finden soll, ließen die Gerüchte un¬
bestimmt; man nannte die Höhen von Ejub als den wahrscheinlicheren Punkt.

Auf der deu Engländern überlassenen Brandstätte des Galata Serai (der ehe¬
maligen medicinischen Schule) erheben sich nun bereits hoch die neu construirten Holz¬
baracken. Auch die in der Nacht vom 11. zum 12. dieses Monats abgebrannte Kriegs¬
schule (das große französische Hospital) ist man seit acht Tagen beschäftigt wieder
einzudecken, und zwar schreitet die Arbeit, unter wie es scheint guter Leitung, dort
rasch vorwärts, dergestalt, daß man hoffen darf, noch im Laufe des kommenden
Monats werde der Schaden soweit wie möglich ersetzt und das ganze Gebäude aufs
neue wohnlich sein.

In den Salons ") war noch im Lause der letzten Woche die Reise des Kaisers
Hauptgegenstand der Unterhaltung. Man weiß nun bestimmt, daß er nicht kommen
wird; ja man geht noch weiter und flüstert einander zu: die Reise sei überhaupt
nie ernstlich gemeint gewesen. „Was Ihr auch über die Reise hören mögt," hatte
eine hochstehende Dame aus Paris hierher geschrieben, „glaubt nichts." Indeß
will Ihrem Berichterstatter doch nicht einleuchten, daß die ganze Sache in solcher
Weise auf einen verspäteten politischen Fastnachtsscherz zurückgeführt werden könne.
Ich möchte zunächst wissen, wen anders der große Imperator damit hätte foppen
wollen, als die Vertreter seiner eignen Interessen!

Der Tod Mcnschikvffs hat hier eine bedeutende Sensation erregt. Ich er¬
wähnte der darüber umlaufenden Gerüchte absichtlich nicht gegen Sie, weil sie mir
unglaubhaft schienen. Seit vorgestern will man nun auch wissen, daß Admiral



*) Man kann nur uncigciitlich hier von Salons reden. Kaum an andern Orten wie in
den LegationshotclS wird öffentliches Hans gehalten. >
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 14, 1855, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341580_99385/121>, abgerufen am 29.06.2024.