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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band.

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Wenn man die zwei Sturmangriffe miteinander vergleicht, so kann man
eine Progression in Hinsicht auf Nachdruck und Kraftentwicklung nicht verkennen.
Man muß erwarten, daß, seitdem mindestens ein weiterer Versuch, sich des
Platzes zu bemeistern, gemacht worden ist. Es wäre von Bedeutung zu wissen,
ob die Einäscherung der Stadt, welche infolge des Bombardements erfolgte,
nicht auch einem bedeutenden Theil der Magazine den Untergang gebracht hat.
Wenn sie verschont blieben, ist.durch den Verlust der detachirteN Erdwerke noch
keineswegs derjenige der Festung bedingt, zumal das Fort Medschidiv Aussicht
auf eine längere Vertheidigung bietet. Das heißt mit andern Worten: wenn
nicht Mangel an Mundvorrath und Munition eintritt, wird Silistria sich noch
einen Monat halten können, und einer längeren Zeit bedarf es nicht. Im
Gegentheil muß man erwarten, daß die verbündeten Armeen binnen acht oder
höchstens vierzehn Tagen ins Feld treten und Paskewitsch zur Aufhebung der
Belagerung zwingen.

Die Umstände, welche den russischen Feldmarschall dazu drängen, Silistria
zu nehmen, wurden von mir in dem vorangesendeten Aussatze schon berichtet,
aber noch nicht im Näheren erörtert. Bevor ich darauf eingehe, ersuche ich
Sie, eine Karte der untern Donau zur Hand zu nehmen, welche die Walachei,
Bulgarien und Bessarabien, nebst der Moldau mit umfaßt. Diese Länder lie¬
gen auf der Peripherie eines Kreisbogens, dessen Mittelpunkt in der Dobrud-
scha ruht. Von letzterer aus communicirt man im Wege der Donau, welche
man zu überschreiten hat, oder des TrajanswalleS direct mit einem jeden der¬
selben, und es ist daher nicht zu ^n'el behauptet, wenn man den Satz aufstellt:
dieser große Terrainabschnitt sei das natürliche, strategische Reduit der erwähn¬
ten vier Kriegstheater.

Dieses Reduit nun ist der Hauptgewinn, den die Russen aus ihrem Donau-
Übergange am 22. und 23. März gezogen haben. Den ganzen nachfolgenden
Monat verwendeten sie darauf, sich in demselben einzurichten und durch Ver¬
stärkung der wichtigen Bertheidigungslinie (Basis) von Czernawoda bis Ku-
stendsche, es gegen Süden hin abzuschließen. Der Wegnahme von Silistria sollte,
dem Programm des Feldzuges gemäß, der Monat Mai gewidmet sein, und die¬
selbe bis zum Schluß desselben zu Stande gebracht werden. Zunächst darum,
weil,, um die erwähnte Linie als Angriffsbasis benutzen zu können, eine Verlän¬
gerung derselben bis Silistria, d.h. auf gleicher Höhe mit Schumla, unerläßlich
schien, und dann, weil ein möglicher Anschluß Oestreichs an die Westmächte,
oder überhaupt die Einmischung desselben in die Kriegführung, den Besitz min¬
destens der unteren walachischen Donau bedingte. Die Wegnahme Rustschuckö
gehörte mit in diesen Plan hinein; desgleichen die Festsetzung in Turtokan.
Die Brücke von Kalarasch gedachte man weiter stromaufwärts zu verlegen, und
durch Silistria, nachdem es genommen wäre, decken zu lassen; eine andere


Wenn man die zwei Sturmangriffe miteinander vergleicht, so kann man
eine Progression in Hinsicht auf Nachdruck und Kraftentwicklung nicht verkennen.
Man muß erwarten, daß, seitdem mindestens ein weiterer Versuch, sich des
Platzes zu bemeistern, gemacht worden ist. Es wäre von Bedeutung zu wissen,
ob die Einäscherung der Stadt, welche infolge des Bombardements erfolgte,
nicht auch einem bedeutenden Theil der Magazine den Untergang gebracht hat.
Wenn sie verschont blieben, ist.durch den Verlust der detachirteN Erdwerke noch
keineswegs derjenige der Festung bedingt, zumal das Fort Medschidiv Aussicht
auf eine längere Vertheidigung bietet. Das heißt mit andern Worten: wenn
nicht Mangel an Mundvorrath und Munition eintritt, wird Silistria sich noch
einen Monat halten können, und einer längeren Zeit bedarf es nicht. Im
Gegentheil muß man erwarten, daß die verbündeten Armeen binnen acht oder
höchstens vierzehn Tagen ins Feld treten und Paskewitsch zur Aufhebung der
Belagerung zwingen.

Die Umstände, welche den russischen Feldmarschall dazu drängen, Silistria
zu nehmen, wurden von mir in dem vorangesendeten Aussatze schon berichtet,
aber noch nicht im Näheren erörtert. Bevor ich darauf eingehe, ersuche ich
Sie, eine Karte der untern Donau zur Hand zu nehmen, welche die Walachei,
Bulgarien und Bessarabien, nebst der Moldau mit umfaßt. Diese Länder lie¬
gen auf der Peripherie eines Kreisbogens, dessen Mittelpunkt in der Dobrud-
scha ruht. Von letzterer aus communicirt man im Wege der Donau, welche
man zu überschreiten hat, oder des TrajanswalleS direct mit einem jeden der¬
selben, und es ist daher nicht zu ^n'el behauptet, wenn man den Satz aufstellt:
dieser große Terrainabschnitt sei das natürliche, strategische Reduit der erwähn¬
ten vier Kriegstheater.

Dieses Reduit nun ist der Hauptgewinn, den die Russen aus ihrem Donau-
Übergange am 22. und 23. März gezogen haben. Den ganzen nachfolgenden
Monat verwendeten sie darauf, sich in demselben einzurichten und durch Ver¬
stärkung der wichtigen Bertheidigungslinie (Basis) von Czernawoda bis Ku-
stendsche, es gegen Süden hin abzuschließen. Der Wegnahme von Silistria sollte,
dem Programm des Feldzuges gemäß, der Monat Mai gewidmet sein, und die¬
selbe bis zum Schluß desselben zu Stande gebracht werden. Zunächst darum,
weil,, um die erwähnte Linie als Angriffsbasis benutzen zu können, eine Verlän¬
gerung derselben bis Silistria, d.h. auf gleicher Höhe mit Schumla, unerläßlich
schien, und dann, weil ein möglicher Anschluß Oestreichs an die Westmächte,
oder überhaupt die Einmischung desselben in die Kriegführung, den Besitz min¬
destens der unteren walachischen Donau bedingte. Die Wegnahme Rustschuckö
gehörte mit in diesen Plan hinein; desgleichen die Festsetzung in Turtokan.
Die Brücke von Kalarasch gedachte man weiter stromaufwärts zu verlegen, und
durch Silistria, nachdem es genommen wäre, decken zu lassen; eine andere


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97779/517>, abgerufen am 22.12.2024.