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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band.

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land wenig erwarten, und die "Wohlgesinnten" glaubten, vom heimlichen
Denunciren endlich zur That'schreiten zu können. Es kam nun endlich an
den Tag, daß die Versammlungen der Liberalen im Michel lediglich die Unter¬
drückung der Armen bezweckten. Bedeutende Geldsummen wären durch S. M.
den Demokraten zur Unterstützung ihrer nothleidenden Brüder in Jacken ver¬
abfolgt; man hätte sie unterschlagen, um bei Schinken in Burgunder gekocht
die Republik und den Vicekönig von Elbing Hoch leben zu lassen und um die
Mittel zur Ausrottung der armen Leute, des Militärs, des Königs und der
übrigen Wohlgesinnten herbeizuschaffen. Nachdem am 13. März und an den
vorhergehenden Tagen anonyme Drohungen gegen einzelne Personen das
Unwetter verkündet, kam es am -16. Vormittags in einem Angriff auf Riesen
und Phillips zum Ausbruch.' Die ganze Wuth des Pöbels aber wandte sich
"gegen das Lagerhaus dem sein Leiden floß." Ein wohlgemeinter und wohl¬
gezielter Steinhagel gegen Silbers Kaffeehaus, sodann ein energischer Sturm
auf den Herd der Verschwörung hatte einen um so glänzendem Erfolg, da
die Gäste des Mittagessens wegen sich entfernt hatten, die gewöhnliche Be¬
satzung aber, bestehend aus dem jovialen Wirth, zwei Töchtern und einer
Schenkerin einen rechtzeitigen strategischen Rückzug dem Heldentode vorzog.
Doch die Rache schlief nicht. Schon entzündete sie sich auf dem Rathhause
in dem Herzen eines Grobschmieds, eines Schulmeisters und eines Kellners.
Nicht achtend der harrenden Kunden und Gesellen, stürzten sie sich kühn in
den Greuel der Verwüstung. Hier belohnte ihren Heldenmuth ein Bild,
würdig des Hogarthschen Griffels. Man denke sich eine Schwadron schwarzer
Husaren, mit vollem Gepäck aufgestellt vor der Front des verwüsteten Hauses,
den Rittmeister, in Betrachtungen versunken über die Eventualitäten des zu er¬
öffnenden Feldzuges, und Gegenstand der mehr herzlichen als ehrfurchtsvollen
Huldigungen eines durch die Sirenenklänge zerbrochener Fensterscheiben berausch¬
ten Janhagels, die Straße bedeckt mit Möbeln, zerrissenen Zeitungen und
Büchern, einige Husaren abgesessen, in allen Stockwerken des Hauses das
Siegesgebrüll der nicht uniformirten Staatsrctter und ringsumher unter zahl¬
losen, frischen, "amüsabeln" Zuschauern das FestconM des in Scene gesetzten
Spectakelstücks. Leider dauerte die Herrlichkeit nicht lange. Nach zehn Minuten
hatten die Säbel und Stöcke der improvisirten Bürgerwehr das Haus nicht
eben säuberlich von den ungebetenen Gästen befreit, die Husaren ritten nach
Hause, die Tumultuanten wurden überall verfolgt und verhaftet und als vier
Tage später die verhängnisvollen Nachrichten aus Berlin eintrafen, fanden sie
die Bürgerwehr in einer Stärke von circa 800 Mann leidlich organisirt und
bewaffnet, den Pöbel eingeschüchtert, die AufHetzer in Freunde des Fortschritts
und freiwillig Entschädigung zahlende Biedermänner verwandelt. Die nächtliche
Rede, in der der Stadtcommandant auf dem Rathhause den bewaffneten Bür-


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land wenig erwarten, und die „Wohlgesinnten" glaubten, vom heimlichen
Denunciren endlich zur That'schreiten zu können. Es kam nun endlich an
den Tag, daß die Versammlungen der Liberalen im Michel lediglich die Unter¬
drückung der Armen bezweckten. Bedeutende Geldsummen wären durch S. M.
den Demokraten zur Unterstützung ihrer nothleidenden Brüder in Jacken ver¬
abfolgt; man hätte sie unterschlagen, um bei Schinken in Burgunder gekocht
die Republik und den Vicekönig von Elbing Hoch leben zu lassen und um die
Mittel zur Ausrottung der armen Leute, des Militärs, des Königs und der
übrigen Wohlgesinnten herbeizuschaffen. Nachdem am 13. März und an den
vorhergehenden Tagen anonyme Drohungen gegen einzelne Personen das
Unwetter verkündet, kam es am -16. Vormittags in einem Angriff auf Riesen
und Phillips zum Ausbruch.' Die ganze Wuth des Pöbels aber wandte sich
„gegen das Lagerhaus dem sein Leiden floß." Ein wohlgemeinter und wohl¬
gezielter Steinhagel gegen Silbers Kaffeehaus, sodann ein energischer Sturm
auf den Herd der Verschwörung hatte einen um so glänzendem Erfolg, da
die Gäste des Mittagessens wegen sich entfernt hatten, die gewöhnliche Be¬
satzung aber, bestehend aus dem jovialen Wirth, zwei Töchtern und einer
Schenkerin einen rechtzeitigen strategischen Rückzug dem Heldentode vorzog.
Doch die Rache schlief nicht. Schon entzündete sie sich auf dem Rathhause
in dem Herzen eines Grobschmieds, eines Schulmeisters und eines Kellners.
Nicht achtend der harrenden Kunden und Gesellen, stürzten sie sich kühn in
den Greuel der Verwüstung. Hier belohnte ihren Heldenmuth ein Bild,
würdig des Hogarthschen Griffels. Man denke sich eine Schwadron schwarzer
Husaren, mit vollem Gepäck aufgestellt vor der Front des verwüsteten Hauses,
den Rittmeister, in Betrachtungen versunken über die Eventualitäten des zu er¬
öffnenden Feldzuges, und Gegenstand der mehr herzlichen als ehrfurchtsvollen
Huldigungen eines durch die Sirenenklänge zerbrochener Fensterscheiben berausch¬
ten Janhagels, die Straße bedeckt mit Möbeln, zerrissenen Zeitungen und
Büchern, einige Husaren abgesessen, in allen Stockwerken des Hauses das
Siegesgebrüll der nicht uniformirten Staatsrctter und ringsumher unter zahl¬
losen, frischen, „amüsabeln" Zuschauern das FestconM des in Scene gesetzten
Spectakelstücks. Leider dauerte die Herrlichkeit nicht lange. Nach zehn Minuten
hatten die Säbel und Stöcke der improvisirten Bürgerwehr das Haus nicht
eben säuberlich von den ungebetenen Gästen befreit, die Husaren ritten nach
Hause, die Tumultuanten wurden überall verfolgt und verhaftet und als vier
Tage später die verhängnisvollen Nachrichten aus Berlin eintrafen, fanden sie
die Bürgerwehr in einer Stärke von circa 800 Mann leidlich organisirt und
bewaffnet, den Pöbel eingeschüchtert, die AufHetzer in Freunde des Fortschritts
und freiwillig Entschädigung zahlende Biedermänner verwandelt. Die nächtliche
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97779/458>, abgerufen am 03.07.2024.