Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band.Vorliebe für Rußland zu wittern, aber es liegt darin eine Souveränetät des Wir haben Preußen, abgesehen von unsern persönlichen Sympathien, West -Dstpreußische Skizzen.') ^V^Ä-ij Der erste Eindruck der Pariser Nachrichten war mehr beängstigend als M Antti. d. Red. an vergleiche den voranstellenden Artikel.
Vorliebe für Rußland zu wittern, aber es liegt darin eine Souveränetät des Wir haben Preußen, abgesehen von unsern persönlichen Sympathien, West -Dstpreußische Skizzen.') ^V^Ä-ij Der erste Eindruck der Pariser Nachrichten war mehr beängstigend als M Antti. d. Red. an vergleiche den voranstellenden Artikel.
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0458" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/98238"/> <p xml:id="ID_1454" prev="#ID_1453"> Vorliebe für Rußland zu wittern, aber es liegt darin eine Souveränetät des<lb/> Witzes, ein Nichtachten aller natürlichen und sittlichen Voraussetzungen, die in<lb/> glücklichen Zeiten vielleicht sogar eine große Freude des Gemüths verrathen<lb/> könnte, die aber in unglücklichen bis zum Abscheulichen widerwärtig ist. Und<lb/> wenn dieses Witzblatt von Zeit zu Zeit mit großer Vorliebe ausruft: die ganze<lb/> Nation des Kladderadatsch, so würde schwer zu sagen sein, wieweit der Ernst<lb/> und wieweit der Spaß geht; neu und interessant ist nur, daß man sich an<lb/> dieser Möglichkeit erfreut.</p><lb/> <p xml:id="ID_1455"> Wir haben Preußen, abgesehen von unsern persönlichen Sympathien,<lb/> darum über alle deutsche Staaten hinaufgesetzt, weil hier jene Traditionen und<lb/> Erinnerungen vorhanden sind, die dem ganzen Volke einen adeligen, einen<lb/> historischen Sinn geben, die es befähigen, der Kern einer Nation zu werden.<lb/> Daß im Jahr -I8i8 die schreiende Masse diesen Siut nicht zeigte,.konnte uns<lb/> nicht irremachen, denn im Taumel vergißt man zuweilen seine besten Ge¬<lb/> danken; aber nach den Erfahrungen der letzten Monate werden wir bald<lb/> zweifelhaft werden, ob wir nicht.für diesen bestimmten Fall den Ueberlieferungen<lb/> eine zu große Kraft beigelegt haben.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="1"> <head> West -Dstpreußische Skizzen.')</head><lb/> <div n="2"> <head> ^V^Ä-ij</head><lb/> <p xml:id="ID_1456" next="#ID_1457"> Der erste Eindruck der Pariser Nachrichten war mehr beängstigend als<lb/> begeisternd. Restaurationskrieg gegen Frankreich, russische Occupation, Wieder¬<lb/> holung der Erfolge von 1792 und 1806, das war die Perspektive, die den<lb/> weiter Blickenden hinter den Februarbarrikaden sich öffnete. Eine anonyme,<lb/> Anfangs März in Tausenden von Eremplaren von Elbing aus verbreitete<lb/> Proclamation gab dieser Stimmung einen energischen Ausdruck und fand das<lb/> Einigungswort für alle Nüancen der vaterländischen Fortschrittspartei im<lb/> Russenhaß. Auf der andern Seite schien der Arbeiter Albert vor dem Vierzig-<lb/> sranken-Couvert des provisorischen Negierungsdiners den Furchtsamen einen nur<lb/> zu anschaulichen Commentar zu geben zu den Vorstellungen vom „Recht auf<lb/> Arbeit", die auf die Phantasie unsrer bildungssüchtigen Spiritus-, Leder- und<lb/> Kornspeculanten bis dahin nur den Einfluß gut erzählter Mordgeschichten<lb/> geäußert hatten. Es war eine peinliche, gedrückte Situation. Die traditionelle<lb/> Geringschätzung, mit welcher der Altpreuße damals auf die politische Befähigung<lb/> Berlins herabsah, ließ selbst die Eraltirtesten von einer Bewegung in Deutsch-</p><lb/> <note xml:id="FID_25" place="foot"> M<note type="byline"> Antti. d. Red. </note> an vergleiche den voranstellenden Artikel.</note><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0458]
Vorliebe für Rußland zu wittern, aber es liegt darin eine Souveränetät des
Witzes, ein Nichtachten aller natürlichen und sittlichen Voraussetzungen, die in
glücklichen Zeiten vielleicht sogar eine große Freude des Gemüths verrathen
könnte, die aber in unglücklichen bis zum Abscheulichen widerwärtig ist. Und
wenn dieses Witzblatt von Zeit zu Zeit mit großer Vorliebe ausruft: die ganze
Nation des Kladderadatsch, so würde schwer zu sagen sein, wieweit der Ernst
und wieweit der Spaß geht; neu und interessant ist nur, daß man sich an
dieser Möglichkeit erfreut.
Wir haben Preußen, abgesehen von unsern persönlichen Sympathien,
darum über alle deutsche Staaten hinaufgesetzt, weil hier jene Traditionen und
Erinnerungen vorhanden sind, die dem ganzen Volke einen adeligen, einen
historischen Sinn geben, die es befähigen, der Kern einer Nation zu werden.
Daß im Jahr -I8i8 die schreiende Masse diesen Siut nicht zeigte,.konnte uns
nicht irremachen, denn im Taumel vergißt man zuweilen seine besten Ge¬
danken; aber nach den Erfahrungen der letzten Monate werden wir bald
zweifelhaft werden, ob wir nicht.für diesen bestimmten Fall den Ueberlieferungen
eine zu große Kraft beigelegt haben.
West -Dstpreußische Skizzen.')
^V^Ä-ij
Der erste Eindruck der Pariser Nachrichten war mehr beängstigend als
begeisternd. Restaurationskrieg gegen Frankreich, russische Occupation, Wieder¬
holung der Erfolge von 1792 und 1806, das war die Perspektive, die den
weiter Blickenden hinter den Februarbarrikaden sich öffnete. Eine anonyme,
Anfangs März in Tausenden von Eremplaren von Elbing aus verbreitete
Proclamation gab dieser Stimmung einen energischen Ausdruck und fand das
Einigungswort für alle Nüancen der vaterländischen Fortschrittspartei im
Russenhaß. Auf der andern Seite schien der Arbeiter Albert vor dem Vierzig-
sranken-Couvert des provisorischen Negierungsdiners den Furchtsamen einen nur
zu anschaulichen Commentar zu geben zu den Vorstellungen vom „Recht auf
Arbeit", die auf die Phantasie unsrer bildungssüchtigen Spiritus-, Leder- und
Kornspeculanten bis dahin nur den Einfluß gut erzählter Mordgeschichten
geäußert hatten. Es war eine peinliche, gedrückte Situation. Die traditionelle
Geringschätzung, mit welcher der Altpreuße damals auf die politische Befähigung
Berlins herabsah, ließ selbst die Eraltirtesten von einer Bewegung in Deutsch-
M Antti. d. Red. an vergleiche den voranstellenden Artikel.
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