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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band.

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Und unter diesen nimmt Elbing neben dem samländischen Ostseestrande,
den Ufern der Memel und des Mauersees und den Umgebungen Danzigs eine
der ersten Stellen ein.

Die Stadt liegt am Elbingflusse, dem Abfluß des Drausensees, zwischen
diesem, der Nogat und dem frischen Haff, grade wo die fruchtbare Weichsel¬
niederung vom hohen Lande sich scheidet, am Fuß einer mit Laubwald bedeck¬
ten, in der Richtung von Südwest nach Nordost los ans Haff sich fortsetzenden
Hügelkette. Der Blick von deren Vorsprüngen, vom "Thunberg," dem "Fuchs¬
berg," dem "Johannisberg" auf die üppig grüne, von unzähligen Höfen und
Dörfern bedeckte Niederung, auf den Drausensee, auf die aus einem Walde
von Obstbäumen hervorlugenden Dächer der Stadt und weiter rechts über ein
in anmuthigen Wellenlinien bis an den blauen Haffspiegel hinabsteigendes,
mit Buchenwäldern, Saaten, Wiesen und Landgütern parkähnlich geschmücktes
Hügelland bis weit hin über die silberweißen Dünen ins Meer hinaus --
dürfte sich in Norddeutschland nicht leicht übertroffen finden. Die geschützte
Lage und die natürliche Wärme und Fruchtbarkeit des Bodens geben der Ve¬
getation einen Vorsprung von fast zwei Wochen vor den Umgebungen Danzigs
und Königsbergs, und ein unverkennbarer Sinn für Naturgenuß, der in der
nächsten Umgebung der Stadt in wohlgeschonten Baumpflanzungen, Promenaden,
gartenähnlich geschmückten Kirchhöfen und vor allem in den geschmackvollen
Anlagen des eine Viertelmeile entfernten Vogelsang höchst wohlthuend sich
kundgibt, bildet gegen die östlichen Theile der Provinz den erfreulichsten Con¬
trast und erinnert an die cultivirtesten Gegenden des mittlern Deutschlands.
Es ist eine wahre Freude, an heitern Sonntagen im Sommer schon frühmor¬
gens auf allen Straßen diese Gruppen von festlich gekleideten Handwerkern
und Kleinbürgern zu sehen, wie sie mit Weib und Kind in immerhin etwas
philiströser, aber naturwüchsiger und fast nie durch Ausbrüche von Rohheit
entstellter Feiertagslaune hinausziehen zum Frühconcert nach Dambitzen, nach
Thunberg, nach Vogelsang oder auch zu einer einfachen Waldpromenade, von
der sie dann gegen Mittag mit leeren Eßkvrben und "Luschken", bestaubten Klei¬
dern und erhitzten Gesichtern, aber mit einer reichen Ausbeute an Waldblumen
und Laub, an Freude und Gesundheit jubelnd nach Hause kehren.

Die Stadt selbst trägt durchaus einen bescheidenen und bürgerlichen Cha¬
rakter. Die Altstadt, trotz ihrer althanseatischen Bauart, erinnert kaum hie und
da an die monumentale Würde des langen Marktes zu Danzig oder ähn¬
licher Gedenkstücke aus der Blütezeit deutscher Bürgermacht. Aber die Straßen
sind gerade, luftig und reinlich gehalten,^.behaglicher Wohlstand blickt, aus den
Fenstern der durchweg gut erhaltenen Häuser, und Asphalttrottoirs, geschmack¬
volle Läden, hin und wieder die eleganten Formen eines im neuesten Berliner
Stil restaurirten Gebäudes inmitten der hanseatischen Giebelfronten und "Vor-


Und unter diesen nimmt Elbing neben dem samländischen Ostseestrande,
den Ufern der Memel und des Mauersees und den Umgebungen Danzigs eine
der ersten Stellen ein.

Die Stadt liegt am Elbingflusse, dem Abfluß des Drausensees, zwischen
diesem, der Nogat und dem frischen Haff, grade wo die fruchtbare Weichsel¬
niederung vom hohen Lande sich scheidet, am Fuß einer mit Laubwald bedeck¬
ten, in der Richtung von Südwest nach Nordost los ans Haff sich fortsetzenden
Hügelkette. Der Blick von deren Vorsprüngen, vom „Thunberg," dem „Fuchs¬
berg," dem „Johannisberg" auf die üppig grüne, von unzähligen Höfen und
Dörfern bedeckte Niederung, auf den Drausensee, auf die aus einem Walde
von Obstbäumen hervorlugenden Dächer der Stadt und weiter rechts über ein
in anmuthigen Wellenlinien bis an den blauen Haffspiegel hinabsteigendes,
mit Buchenwäldern, Saaten, Wiesen und Landgütern parkähnlich geschmücktes
Hügelland bis weit hin über die silberweißen Dünen ins Meer hinaus —
dürfte sich in Norddeutschland nicht leicht übertroffen finden. Die geschützte
Lage und die natürliche Wärme und Fruchtbarkeit des Bodens geben der Ve¬
getation einen Vorsprung von fast zwei Wochen vor den Umgebungen Danzigs
und Königsbergs, und ein unverkennbarer Sinn für Naturgenuß, der in der
nächsten Umgebung der Stadt in wohlgeschonten Baumpflanzungen, Promenaden,
gartenähnlich geschmückten Kirchhöfen und vor allem in den geschmackvollen
Anlagen des eine Viertelmeile entfernten Vogelsang höchst wohlthuend sich
kundgibt, bildet gegen die östlichen Theile der Provinz den erfreulichsten Con¬
trast und erinnert an die cultivirtesten Gegenden des mittlern Deutschlands.
Es ist eine wahre Freude, an heitern Sonntagen im Sommer schon frühmor¬
gens auf allen Straßen diese Gruppen von festlich gekleideten Handwerkern
und Kleinbürgern zu sehen, wie sie mit Weib und Kind in immerhin etwas
philiströser, aber naturwüchsiger und fast nie durch Ausbrüche von Rohheit
entstellter Feiertagslaune hinausziehen zum Frühconcert nach Dambitzen, nach
Thunberg, nach Vogelsang oder auch zu einer einfachen Waldpromenade, von
der sie dann gegen Mittag mit leeren Eßkvrben und „Luschken", bestaubten Klei¬
dern und erhitzten Gesichtern, aber mit einer reichen Ausbeute an Waldblumen
und Laub, an Freude und Gesundheit jubelnd nach Hause kehren.

Die Stadt selbst trägt durchaus einen bescheidenen und bürgerlichen Cha¬
rakter. Die Altstadt, trotz ihrer althanseatischen Bauart, erinnert kaum hie und
da an die monumentale Würde des langen Marktes zu Danzig oder ähn¬
licher Gedenkstücke aus der Blütezeit deutscher Bürgermacht. Aber die Straßen
sind gerade, luftig und reinlich gehalten,^.behaglicher Wohlstand blickt, aus den
Fenstern der durchweg gut erhaltenen Häuser, und Asphalttrottoirs, geschmack¬
volle Läden, hin und wieder die eleganten Formen eines im neuesten Berliner
Stil restaurirten Gebäudes inmitten der hanseatischen Giebelfronten und „Vor-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97779/409>, abgerufen am 29.06.2024.