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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band.

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und weitläufige Verhandlungen auch die geringfügigste Maßregel nach sich ziehen
muß, denn man wird schwerlich eine fhiden, welche nicht zu der Kompetenz mehrer
dieser Behörden gehört. Nehmen wir an, es handle sich um die Einführung von
Percussionsgewehren oder Spitzkugclbüchsen. Der Anstoß geht von dem Staats-
secretair für den Krieg ans: er muß erst mit dem Oberbefehlshaber wegen der tak¬
tischen Folgen, welche die Einführung der neuen Waffen haben kaun, mit dem Ge-
neralfeldzeugmeister und dem Zcugmcistercollegium wegen der Anschaffung, mit dem
Kricgssccretär, ob derselbe die parlamentarische Verantwortlichkeit sür die Mehraus¬
gabe übernehmen will, mit dem Schatzamt, ob dasselbe überhaupt eine Erhöhung des
Gcsammtbudgcts sür rathsam hält, Verhandluttgen anknüpfen. Ganz dieselben Um¬
stände macht die Einführung einer neuen Art Tornister oder Tschako. Die Lang¬
samkeit der Besorgung wird, nicht von der Güte des Materials wieder gut gemacht.
England, so berühmt auch seine Stahlfabrikcn, hatte im Kriege mit Spanien seine Ca-
valcrie mit so schlechten Pallaschen ausgerüstet, daß die Reiter dieselben gern wegwarfen
und mit den Waffen der gefallenen Feinde vertauschten. Es ist vorgekommen, daß der
Staatssekretär sür die Kolonien nach weit entlegenen Besitzungen Truppen geschickt
hat, in dem guten Glauben/daß die daselbst befindlichen Casernen sich noch in taug¬
lichem Zustande befänden. Als jedoch die Truppen daselbst ankamen, fanden sie kein Ob¬
dach : das Z,cugmeistercollcginm hatte die alten Kasernen versteigern und abbrechen
lassen, und die neuen waren noch nicht fertig. Dies war in dem Ficbcrklima von Sierra
Leone, wo von Bivouakircu in freier Lust nicht die Rede sein kann. Die Truppen
drängten sich in die Säle, als sie noch feucht waren, die Offiziere bezogen Hütten,
welche selbst die Eingebornen verlassen hatten und die Folge war, daß vor Jahres¬
frist mehr als Dreiviertel der angekommenen Truppen todt waren. Aehnliches ge¬
schah am Gambia, auf Se. Vincent und in andern Kolonien. In Jamaica war
die Sterblichkeit unter den europäischen Truppen so groß, daß sie in einem Jahre
ein Drittel mehr verloren, als die Regimenter, die bei Waterloo im verheerendsten
Feuer gestanden hatten. Es war dies eine Folge der Vcrvroviantirnng mit Salz¬
fleisch, von der die Aerzte vergebens, seit vielen Jahren abgemahnt hatten, bis Lord
Grey ^83ö Kricgssecretär wurde, und, obgleich es nicht zu seiner Kompetenz ge¬
hörte, sich bei dem Schatzamt verwendete; aber das Hin- und Hcrschreibcn dauerte
doch ein Jahr, ehe Abhilfe kam und selbst da wurde sie uur auf Jamaica ausge¬
dehnt und Bcrmuda, das sich ganz in demselben Falle befand, blieb bis 1840 ver¬
gessen. -1837 entdeckte man, daß bei der Ernährung der in Gibraltar garnisoni-
rcndcu Truppen von 7800 Psd. Sterl. 3300 hätten erspart werden können, wenn
man das Mehl zum Brode von Malta bezogen hätte. Man hatte das Mehl aus
Amerika bezogen, und machte bei näherer Nachforschung eine höchst merkwürdige
Entdeckung. In' dem fraglichen Jahre war die Ernte in Amerika schlecht, in Eng¬
land sehr gut gerathen, und überdem lagen in letzteren Lande große Vorräthe rus¬
sisches Getreide, die einen guten Absatz in Amerika fanden, dort vermahlen und
wieder nach Gibraltar zurückverkaust wurden. Bei einer frühern Gelegenheit, wo
das Mehl in Amerika besonders billig gewesen war, hatte das Schatzamt die Be¬
ziehung von dort angeordnet, und es war mit dem gewöhnlichen Schlendrian von
Bureaux dabei geblieben --- eine natürliche Folge eines Systems, welches dem
Lord des Schatzes, dem Premierminister, der die ganze Politik des Landes zu lei-


und weitläufige Verhandlungen auch die geringfügigste Maßregel nach sich ziehen
muß, denn man wird schwerlich eine fhiden, welche nicht zu der Kompetenz mehrer
dieser Behörden gehört. Nehmen wir an, es handle sich um die Einführung von
Percussionsgewehren oder Spitzkugclbüchsen. Der Anstoß geht von dem Staats-
secretair für den Krieg ans: er muß erst mit dem Oberbefehlshaber wegen der tak¬
tischen Folgen, welche die Einführung der neuen Waffen haben kaun, mit dem Ge-
neralfeldzeugmeister und dem Zcugmcistercollegium wegen der Anschaffung, mit dem
Kricgssccretär, ob derselbe die parlamentarische Verantwortlichkeit sür die Mehraus¬
gabe übernehmen will, mit dem Schatzamt, ob dasselbe überhaupt eine Erhöhung des
Gcsammtbudgcts sür rathsam hält, Verhandluttgen anknüpfen. Ganz dieselben Um¬
stände macht die Einführung einer neuen Art Tornister oder Tschako. Die Lang¬
samkeit der Besorgung wird, nicht von der Güte des Materials wieder gut gemacht.
England, so berühmt auch seine Stahlfabrikcn, hatte im Kriege mit Spanien seine Ca-
valcrie mit so schlechten Pallaschen ausgerüstet, daß die Reiter dieselben gern wegwarfen
und mit den Waffen der gefallenen Feinde vertauschten. Es ist vorgekommen, daß der
Staatssekretär sür die Kolonien nach weit entlegenen Besitzungen Truppen geschickt
hat, in dem guten Glauben/daß die daselbst befindlichen Casernen sich noch in taug¬
lichem Zustande befänden. Als jedoch die Truppen daselbst ankamen, fanden sie kein Ob¬
dach : das Z,cugmeistercollcginm hatte die alten Kasernen versteigern und abbrechen
lassen, und die neuen waren noch nicht fertig. Dies war in dem Ficbcrklima von Sierra
Leone, wo von Bivouakircu in freier Lust nicht die Rede sein kann. Die Truppen
drängten sich in die Säle, als sie noch feucht waren, die Offiziere bezogen Hütten,
welche selbst die Eingebornen verlassen hatten und die Folge war, daß vor Jahres¬
frist mehr als Dreiviertel der angekommenen Truppen todt waren. Aehnliches ge¬
schah am Gambia, auf Se. Vincent und in andern Kolonien. In Jamaica war
die Sterblichkeit unter den europäischen Truppen so groß, daß sie in einem Jahre
ein Drittel mehr verloren, als die Regimenter, die bei Waterloo im verheerendsten
Feuer gestanden hatten. Es war dies eine Folge der Vcrvroviantirnng mit Salz¬
fleisch, von der die Aerzte vergebens, seit vielen Jahren abgemahnt hatten, bis Lord
Grey ^83ö Kricgssecretär wurde, und, obgleich es nicht zu seiner Kompetenz ge¬
hörte, sich bei dem Schatzamt verwendete; aber das Hin- und Hcrschreibcn dauerte
doch ein Jahr, ehe Abhilfe kam und selbst da wurde sie uur auf Jamaica ausge¬
dehnt und Bcrmuda, das sich ganz in demselben Falle befand, blieb bis 1840 ver¬
gessen. -1837 entdeckte man, daß bei der Ernährung der in Gibraltar garnisoni-
rcndcu Truppen von 7800 Psd. Sterl. 3300 hätten erspart werden können, wenn
man das Mehl zum Brode von Malta bezogen hätte. Man hatte das Mehl aus
Amerika bezogen, und machte bei näherer Nachforschung eine höchst merkwürdige
Entdeckung. In' dem fraglichen Jahre war die Ernte in Amerika schlecht, in Eng¬
land sehr gut gerathen, und überdem lagen in letzteren Lande große Vorräthe rus¬
sisches Getreide, die einen guten Absatz in Amerika fanden, dort vermahlen und
wieder nach Gibraltar zurückverkaust wurden. Bei einer frühern Gelegenheit, wo
das Mehl in Amerika besonders billig gewesen war, hatte das Schatzamt die Be¬
ziehung von dort angeordnet, und es war mit dem gewöhnlichen Schlendrian von
Bureaux dabei geblieben -— eine natürliche Folge eines Systems, welches dem
Lord des Schatzes, dem Premierminister, der die ganze Politik des Landes zu lei-


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[0162] und weitläufige Verhandlungen auch die geringfügigste Maßregel nach sich ziehen muß, denn man wird schwerlich eine fhiden, welche nicht zu der Kompetenz mehrer dieser Behörden gehört. Nehmen wir an, es handle sich um die Einführung von Percussionsgewehren oder Spitzkugclbüchsen. Der Anstoß geht von dem Staats- secretair für den Krieg ans: er muß erst mit dem Oberbefehlshaber wegen der tak¬ tischen Folgen, welche die Einführung der neuen Waffen haben kaun, mit dem Ge- neralfeldzeugmeister und dem Zcugmcistercollegium wegen der Anschaffung, mit dem Kricgssccretär, ob derselbe die parlamentarische Verantwortlichkeit sür die Mehraus¬ gabe übernehmen will, mit dem Schatzamt, ob dasselbe überhaupt eine Erhöhung des Gcsammtbudgcts sür rathsam hält, Verhandluttgen anknüpfen. Ganz dieselben Um¬ stände macht die Einführung einer neuen Art Tornister oder Tschako. Die Lang¬ samkeit der Besorgung wird, nicht von der Güte des Materials wieder gut gemacht. England, so berühmt auch seine Stahlfabrikcn, hatte im Kriege mit Spanien seine Ca- valcrie mit so schlechten Pallaschen ausgerüstet, daß die Reiter dieselben gern wegwarfen und mit den Waffen der gefallenen Feinde vertauschten. Es ist vorgekommen, daß der Staatssekretär sür die Kolonien nach weit entlegenen Besitzungen Truppen geschickt hat, in dem guten Glauben/daß die daselbst befindlichen Casernen sich noch in taug¬ lichem Zustande befänden. Als jedoch die Truppen daselbst ankamen, fanden sie kein Ob¬ dach : das Z,cugmeistercollcginm hatte die alten Kasernen versteigern und abbrechen lassen, und die neuen waren noch nicht fertig. Dies war in dem Ficbcrklima von Sierra Leone, wo von Bivouakircu in freier Lust nicht die Rede sein kann. Die Truppen drängten sich in die Säle, als sie noch feucht waren, die Offiziere bezogen Hütten, welche selbst die Eingebornen verlassen hatten und die Folge war, daß vor Jahres¬ frist mehr als Dreiviertel der angekommenen Truppen todt waren. Aehnliches ge¬ schah am Gambia, auf Se. Vincent und in andern Kolonien. In Jamaica war die Sterblichkeit unter den europäischen Truppen so groß, daß sie in einem Jahre ein Drittel mehr verloren, als die Regimenter, die bei Waterloo im verheerendsten Feuer gestanden hatten. Es war dies eine Folge der Vcrvroviantirnng mit Salz¬ fleisch, von der die Aerzte vergebens, seit vielen Jahren abgemahnt hatten, bis Lord Grey ^83ö Kricgssecretär wurde, und, obgleich es nicht zu seiner Kompetenz ge¬ hörte, sich bei dem Schatzamt verwendete; aber das Hin- und Hcrschreibcn dauerte doch ein Jahr, ehe Abhilfe kam und selbst da wurde sie uur auf Jamaica ausge¬ dehnt und Bcrmuda, das sich ganz in demselben Falle befand, blieb bis 1840 ver¬ gessen. -1837 entdeckte man, daß bei der Ernährung der in Gibraltar garnisoni- rcndcu Truppen von 7800 Psd. Sterl. 3300 hätten erspart werden können, wenn man das Mehl zum Brode von Malta bezogen hätte. Man hatte das Mehl aus Amerika bezogen, und machte bei näherer Nachforschung eine höchst merkwürdige Entdeckung. In' dem fraglichen Jahre war die Ernte in Amerika schlecht, in Eng¬ land sehr gut gerathen, und überdem lagen in letzteren Lande große Vorräthe rus¬ sisches Getreide, die einen guten Absatz in Amerika fanden, dort vermahlen und wieder nach Gibraltar zurückverkaust wurden. Bei einer frühern Gelegenheit, wo das Mehl in Amerika besonders billig gewesen war, hatte das Schatzamt die Be¬ ziehung von dort angeordnet, und es war mit dem gewöhnlichen Schlendrian von Bureaux dabei geblieben -— eine natürliche Folge eines Systems, welches dem Lord des Schatzes, dem Premierminister, der die ganze Politik des Landes zu lei-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97779/161>, abgerufen am 22.12.2024.