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Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. I. Band.

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in poetischer Ausschmückung geliefert; nicht blos die Mitarbeiter jener
Zeitschrift, den Redacteur ein der Spitze, werden nach ihrer Physiognomie und
Haltung beschrieben und gefeiert, sondern auch die schwarzlockigen und gazellen-
äugigen Damen ans den Familien. Es herrscht eine schone Begeisterung in
dieser Darstellung, und diese weht uns auch wohlthuend aus der angeführten
Beschreibung des Karlsruher Musikfestes entgegen; ja, Begeisterung ist eigentlich
noch ein sehr schwacher Ausdruck, wir würden es lieber ersterbende Devotion
nennen, nicht blos vor den künstlerischen Notabilitäten, sondern auch vor den
weltlichen Großen, die der aufstrebenden Schule ihre gnädige Protection verleihen.
Die Redeweise in diesen Huldigungen ist wahrhaft asiatisch und bildet einen
schonen Contrast gegen den heitern, spielenden Humor und gegen die sittliche
Entrüstung, mit welcher die Widerstrebenden abgefertigt werden. In beiden hat
die neue Zeitschrift für Musik nur einen Rivalen in der gesammten deutschen Lite¬
ratur, nämlich den Zuschauer der Kreuzzeitung. Aber ein mehr dichterisches
Vorbild konnten wir ihr in dem allerliebsten Stück von Scribe "l.u, eamaracloris"
anweisen; dort findet sie alle die Phrasen, mit denen sie operirt, schon vollkommen
zubereitet vor, nur mit dem Unterschied, daß ein satyrischer Dichter auch durch
die unerhörtesten Anstrengungen etwas recht Abgeschmacktes zu erfinden, sich nie
bis zu der Hohe erhebe" wird, in welcher die Wirklichkeit ihn überholt.




Schwarzer und grüner Thee.

Dreijährige Wanderungen in den Nordprovinzen vo" China, von Robert Fortune, nach
dem Englischen. Göttingen, Vandcnhoeck und Ruprecht. 18S3. >

Das Buch und sein Verfasser sind in England rühmlich bekannt; die Reise
wurde im Jahre 18i3 begonnen, Robert Fortune reiste als Pflanzenscimmler der
Londoner Gartenbangesellschaft.

Die Pflanzensammler bilden jetzt eine besondere Classe von Reisenden, zahl¬
reicher als viele unsrer Leser annehmen. Fast in allen wenig bekannten Ländern der
Erde sind sie zu finden. Hinter den Felsgebirgen Nordamerikas, in den Sümpfen
des Amazonenstroms, unter dem Haidekraut des Kaplandes, in den Salzlacken
Australiens, in Sibirien, China, Ostindien, überall wo Blumen blühen und
Früchte reisen, sammeln sie Samen, graben sie Wurzeln aus, reißen sie Orchideen
von den Bäumen, stecken sie botanische Neuigkeiten in ihre Taschenbücher. Der¬
gleichen Reisen werden von jungen Gärtnern zuweilen auf eigene Kosten unter¬
nommen, in der Regel stehen sie in Geschäftsverbindung mit großen Handels¬
gärtnern oder reisen im Auftrage von Gesellschaften. Ihnen verdanken wir die
ungeheure Anzahl von neuen Blumen, welche seit den letzten Jahrzehnten der


in poetischer Ausschmückung geliefert; nicht blos die Mitarbeiter jener
Zeitschrift, den Redacteur ein der Spitze, werden nach ihrer Physiognomie und
Haltung beschrieben und gefeiert, sondern auch die schwarzlockigen und gazellen-
äugigen Damen ans den Familien. Es herrscht eine schone Begeisterung in
dieser Darstellung, und diese weht uns auch wohlthuend aus der angeführten
Beschreibung des Karlsruher Musikfestes entgegen; ja, Begeisterung ist eigentlich
noch ein sehr schwacher Ausdruck, wir würden es lieber ersterbende Devotion
nennen, nicht blos vor den künstlerischen Notabilitäten, sondern auch vor den
weltlichen Großen, die der aufstrebenden Schule ihre gnädige Protection verleihen.
Die Redeweise in diesen Huldigungen ist wahrhaft asiatisch und bildet einen
schonen Contrast gegen den heitern, spielenden Humor und gegen die sittliche
Entrüstung, mit welcher die Widerstrebenden abgefertigt werden. In beiden hat
die neue Zeitschrift für Musik nur einen Rivalen in der gesammten deutschen Lite¬
ratur, nämlich den Zuschauer der Kreuzzeitung. Aber ein mehr dichterisches
Vorbild konnten wir ihr in dem allerliebsten Stück von Scribe „l.u, eamaracloris"
anweisen; dort findet sie alle die Phrasen, mit denen sie operirt, schon vollkommen
zubereitet vor, nur mit dem Unterschied, daß ein satyrischer Dichter auch durch
die unerhörtesten Anstrengungen etwas recht Abgeschmacktes zu erfinden, sich nie
bis zu der Hohe erhebe» wird, in welcher die Wirklichkeit ihn überholt.




Schwarzer und grüner Thee.

Dreijährige Wanderungen in den Nordprovinzen vo» China, von Robert Fortune, nach
dem Englischen. Göttingen, Vandcnhoeck und Ruprecht. 18S3. >

Das Buch und sein Verfasser sind in England rühmlich bekannt; die Reise
wurde im Jahre 18i3 begonnen, Robert Fortune reiste als Pflanzenscimmler der
Londoner Gartenbangesellschaft.

Die Pflanzensammler bilden jetzt eine besondere Classe von Reisenden, zahl¬
reicher als viele unsrer Leser annehmen. Fast in allen wenig bekannten Ländern der
Erde sind sie zu finden. Hinter den Felsgebirgen Nordamerikas, in den Sümpfen
des Amazonenstroms, unter dem Haidekraut des Kaplandes, in den Salzlacken
Australiens, in Sibirien, China, Ostindien, überall wo Blumen blühen und
Früchte reisen, sammeln sie Samen, graben sie Wurzeln aus, reißen sie Orchideen
von den Bäumen, stecken sie botanische Neuigkeiten in ihre Taschenbücher. Der¬
gleichen Reisen werden von jungen Gärtnern zuweilen auf eigene Kosten unter¬
nommen, in der Regel stehen sie in Geschäftsverbindung mit großen Handels¬
gärtnern oder reisen im Auftrage von Gesellschaften. Ihnen verdanken wir die
ungeheure Anzahl von neuen Blumen, welche seit den letzten Jahrzehnten der


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 13, 1854, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341578_97245/71>, abgerufen am 22.07.2024.